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Fasst man die Situation einmal etwas überspitzt zusammen, so wie
sie sich Kindern und Jugendlichen möglicherweise in der Corona-
Zeit darstellt, dann lernen diese allem voran, dass sie selbst eine
der größten Gefahren sind, die Hauptüberträger einer neuen, unbesiegbaren
Krankheit namens „Corona“. Sie müssen weggesperrt
werden, damit die anderen sicher vor ihnen sind. Sie erfahren, dass
sie ihre Großeltern auf keinen Fall besuchen dürfen, weil die Gefahr
zu groß ist, dass sie diese mit Corona anstecken und dadurch sogar
töten können. Sie lernen auch, dass die Welt „da draußen“ gefährlich
ist und jeder am besten zu Hause und noch besser drinnen bleiben
soll, um sich vor dieser neuen Krankheit zu verstecken.
Kinder und Jugendliche werden mit Freiheitsentzug bestraft, mit
sozialer Isolation, dem Entzug von Freunden und Großeltern und
Hobbies in Vereinen oder anderen Institutionen. Spielplätze, ehemals
Oasen der Ausgelassenheit und des Glücks, sind zu Sperrzonen
geworden, die mit Flatterband abgesperrt sind, um den Zutritt
zu verwehren, als seien sie Tatorte, die nicht betreten werden dürfen.
Dinge, die früher galten, gelten auf einmal nicht mehr: Anderen
zur Begrüßung die Hand zu reichen, ist plötzlich nicht mehr höflich,
sondern übergriffig. Zur Schule zu gehen ist plötzlich verboten und
für manche gibt es noch nicht einmal Hausaufgaben, die sie weiterbringen
– wo diese doch früher angeblich mal so wichtig waren.
Kinder erfahren durch die Nachrichten, sozialen Netzwerke und
über die Gespräche der Erwachsenen, dass Corona eine unsichtbare
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Bedrohung ist, die überall lauert und Tod bringt. Aber auch jeder
Mensch ist ab sofort eine Gefahr, weil er ansteckend sein könnte,
auch wenn er sich absolut gesund fühlt. Dinge zu berühren,
muss ebenfalls vermieden werden, weil sich dort „schmierige Vieren“
befinden können und sogar beim Atmen muss man sich mit
einer Gesichtsmaske schützen, weil die Luft voller unsichtbarer Corona
Tröpfchen ist. Die Maske, die man dafür tragen muss, schützt
einen selbst jedoch gar nicht, weil sie keinen entsprechenden Filter
hat und die guten Masken mit entsprechenden Filtern, die wirklich
schützen könnten, sind ausverkauft – genau wie Toilettenpapier,
Nudeln, Hefe und Mehl.
Und sogar auf die Erwachsenen ist kein Verlass: Ärzte und Forscher
haben keine Ahnung von dieser neuen, unbekannten Krankheit.
Sie müssen erst noch herausfinden, wie das Ganze funktioniert und
darum gibt es auch keinen Impfstoff. Kunden prügeln sich in Geschäften
um die letzte Rolle Klopapier und sogar die eigenen Eltern
haben Ängste, finanzielle und gesundheitliche, sind gestresst, hilflos
und verunsichert. Manche Eltern reagieren sogar mit Aggression
und Verzweiflung, sodass sich die Situation für deren Kinder verunsichernder
anfühlt.
Auf Kinder macht das alles den Eindruck, als befänden sie sich im
Krieg. Die ganze Welt ist im Kampf gegen Corona und die allgemeine
Hilflosigkeit ist allerorts spürbar. Lebensmittel werden gefühlt
knapp, man verkriecht sich zu Hause und durchlebt Entbehrung,
Ängste und Isolation, sowie Bedrohung und Freiheitsberaubung
von außen. Es ist der Krieg gegen einen übermächtigen Feind, der
über Superkräfte verfügt. Militärfahrzeuge transportieren in den
Nachrichten Leichen in langen Konvois ab und geliebte Menschen
sterben, ohne dass man sich von Ihnen verabschieden darf.
Selbst die positive Entwicklung der allgegenwärtigen Solidarität
kann auf Kinder verstörend wirken. Sie kann den Eindruck machen,
dass die aktuelle Lage so unglaublich gravierend und nie dagewe-
Corona-Trauma
Kinder im Kampf gegen einen unsichtbaren Feind
Verwendete Literatur: 1 (Stangl, W. (2020). Stichwort: »Angst«. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik), www.lexikon.stangl.eu/5056/angst/ (2020-04-25);
Titelbilder Seite 37 shutterstock.com: George Rudy (Füße), Beatriz Vera (Baby), Great Pics – Ben Heine (Corona-Junge)
Die Corona-Pandemie hat unser aller Leben auf den Kopf gestellt und
unser Alltag ist plötzlich ganz anders geworden. Besonders für Kinder,
die grundsätzlich empfindlich auf Veränderungen ihrer täglichen
Routine reagieren, sind die Einschnitte durch die Restriktionen groß. Wie
empfinden sie ihre Rolle in dieser Zeit und welche Botschaft senden ihnen
die Maßnahmen und Nachrichten?