gesundheit 45
Erhöhter Medienkonsum
und Entwicklungsstörungen
Basierend auf den Datenauswertungen der
BLIKK-Studie, gab ein Fünftel der befragten 10-
bis 14-jährigen in der BLIKK-Studie (Mannheimer
Fragebogen) selbst an, dass sie aufgrund
ihres elektronischen Medienkonsums Konzentrationsprobleme
hätten. Und tatsächlich gibt es
laut der Studie signifikante statistische Zusammenhänge
zwischen einem erhöhten elektronischen
Medienkonsum und der Beobachtung
von einzelnen von den Eltern beschriebenen
Entwicklungsauffälligkeiten wie der Sprachentwicklungsstörung,
Hyperaktivität und Konzentrationsstörung.
Die Entwicklungsstörungen ziehen
sich dabei durch die gesamte Bandbreite
aller untersuchter Altersgruppen, die eine Gesamtmediennutzungsdauer
von von mehr als
30 Minuten pro Tag hatten. Auch zeigt sich ein
Zusammenhang zwischen einer erhöhten Nutzungszeit
digitaler Medien und dem Body-Mass-
Index in der Altergruppe der 10- bis 12-jährigen.
Anhand der Studie konnte somit ein eindeutiger
Zusammenhang zwischen der erhöhten
Nutzung von Smartphone und Tablett und den
gesundheitlichen Auffälligkeiten bei den untersuchten
Kindern und Jugendlichen belegt werden.
Doch auf Basis der bisherigen Analysen
konnte nicht belegt werden, dass diese beobachteten
Entwicklungsauffälligkeiten tatsächlich
durch eine erhöhte Nutzung digitaler Medien
hervorgerufen werden. Es ist auch möglich,
dass sich Kinder mit bestehenden Entwicklungsstörungen,
vorzugsweise mit elektronischen
Medien beschäftigen und Medien meiden, bei
denen sie beispielsweise Lese- oder Verständnisschwierigkeiten
hätten. Dies zu untersuchen soll
Gegenstand weiterer Forschung sein.
Nutzen digitaler Medien
Gedächtnisforscher Emrah Düzel, Direktor des
Instituts für kognitive Neurologie und Demenzforschung
am Universitätsklinikum Magdeburg
gibt an, dass er bei den Vergleichen von Jüngeren
und Älteren in den letzten zehn Jahren keinen
negativen Trend bei Kindern und Jugendlichen
beobachtet habe. Jüngere könnten sich
nach wie vor Dinge besser merken als ältere. Er
beschreibt sogar den Nutzen digitaler Medien
im Hinblick auf sein Aufgabenfeld der Demenzen.
Durch den Einsatz von Apps könne man
die kognitive Leistungsfähigkeit trainieren, erfassen
und über längere Zeit verfolgen. Somit
ließen sich schon früh Risikoprofile erkennen.
Aber ob sich durch das Trainieren mit Apps bestimmte
Fertigkeiten trainieren lassen, die den
Menschen auch in anderen Zusammenhängen
nützen können, sei unklar. „Wir erforschen gerade,
ob es Schlüsselfunktionen gibt, die von vielen
verschiedenen kognitiven Prozessen genutzt
werden und die, wenn sie trainiert werden, allgemein
wirksame Effekte entfalten“, sagt der Gedächtnisforscher.
„Doch das einzige, was man
bisher zeigen konnte, ist der Zusammenhang
zwischen Gedächtnis und Fitness. Bewegung
löst bestimmte Prozesse im Gehirn aus. Wenn
die Bewegung mit körperlicher Anstrengung gekoppelt
wird, werden zusätzlich biochemische
Prozesse in Gang gesetzt, die die Gehirnplastizität
verbessern.“
Die Gewohnheiten der Familien und Kinder, die
Art wie sie ihre Freizeit gestalten, spielen, kommunizieren
und sich informieren, spielen also eine
wichtige Rolle und es ist ausschlaggebend,
wie und mit welchen Inhalten sich Menschen
und besonders
Kinder in der digitalen
Welt beschäftigen. Deshalb werden unter anderem
Konzepte gesucht, die einen verantwortungsvollen
Umgang mit den digitalen Medien
frühzeitig zu trainieren helfen.
Die Bundesregierung hat in diesem Zuge festgelegt,
dass die Nutzung der digitalen Medien
für das persönliche Lernen und die Bildung sowie
der Erwerb der Medienkompetenz gefördert
werden sollen. Der Bund unterstützt daher
die Fort- und Weiterbildung von Erziehern auch
im Bereich der Medienkompetenz. Für die Erzieher
in den Kindertagesstätten bedeutet das beispielsweise,
dass sie den Kindern die Vielfalt der
zur Verfügung stehenden Medien pädagogisch
näherbringen sollen, um der einseitigen Mediennutzung,
welche möglicherweise innerhalb
der Familie besteht, entgegenzuwirken. Es soll
eine ganzheitliche Medienerziehung durch, mit
und über Medien erfolgen, die das Ziel hat, einen
kontrollierten Medienumgang mit kognitivem
und emotionalem Verständnis und eine
Erweiterung der bereits vorhandenen Medienkenntnisse
und das Hinterfragen von Medieninhalten
zu erreichen.
Ein Modellprojekt der Landesanstalt für Medien
Nordrhein-Westfalen wurde zwischen Mai 2010
und April 2011 durchgeführt. Es ermöglichte
den teilnehmenden Kitas die Umsetzung verschiedener
Projekte zur Vermittlung von Medienkompetenz
und trotz anfänglicher Vorbehalte
von Eltern und Erziehern zeigten sich die Kinder
experimentierfreudig und interessiert. Aufgrund
der positiven Resonanz wurde beschlossen regelmäßige
Medientage in diesen Kitas durchzuführen.
Besonders wichtig ist es aber immer, dass die
digitalen Medien maßvoll und als bereichernde
Ergänzung des Lernens eingesetzt werden.
Kinder dürfen nicht verlernen, die Qualitätsebenen
einer analogen Welt zu erleben und sollen
die Welt nicht nur am Bildschirm erforschen. Das
vielfältige Erleben mit allen Sinnen und mit körperlicher
Bewegung kann vielmehr, gekoppelt
mit den digitalen Medien, sogar noch mobiler
machen, weitere Informationen liefern und die
Neugierde der Kinder auf Wissen wecken.
Marianne Büsing
Ergebnisse der BLIKK Studie
im Überblick:
Säuglinge (1. bis 12. Monat)
Es treten Probleme beim Füttern und Einschlafschwierigkeiten
auf, wenn während
der Säuglingsbetreuung digitale Medien
genutzt werden. Außerdem zeigen sich
Anzeichen für Bindungsstörungen aufgrund
des reduzierten Blickkontaktes.
Zwei- bis fünfjährige
69,5 % der Kinder haben nicht die Fähigkeit,
sich mehr als zwei Stunden ohne digitale
Medien zu beschäftigen. Häufig
ist eine verzögerte Sprachentwicklung
zu beobachten. Bei diesen Kindern traten
häufiger motorische Hyperaktivität
oder Unruhe auf und sie ließen sich leichter
ablenken.
Acht- bis 13-jährige
Neben einer motorischen Hyperaktivität
traten vermehrt Konzentrationsschwächen
auf, wenn diese mehr als 60 Minuten
pro Tag digitale Medien nutzen. Diese
Kinder griffen häufiger zu Süßgetränken
und Süßigkeiten und litten in großer Zahl
an Übergewicht.
13- bis 14-jährige
Die befragten Jugendlichen berichteten
von Schwierigkeiten, das Internet selbstbestimmt
und kontrolliert zu nutzen.