die Niederschlagsmengen durch den Klimawandel
erhöht. Damit sind auch die Nährstofffrachten
der Zuflüsse in den küstennahen Gebieten
gestiegen. Andere Faktoren wie die verbesserte
Reinigung von kommunalen und industriellen
Abwässern sorgen dafür, dass in den vergangenen
Jahrzehnten insgesamt ein Rückgang des
Nährstoffeintrags in die Ostsee zu beobachten
ist. Dennoch blieb eine Verbesserung des
ökologischen Zustands aus. Die Erklärung liefert
der positive Feedback-Mechanismus: Der
durch den Klimawandel induzierte Temperaturanstieg
fördert die Primärproduktion von Algen
und Bakterien. Der sauerstoffzehrende Abbau
abgestorbener Organismen verstärkt wiederum
die Sauerstoffverarmung. Die entstehenden
anoxischen Gebiete rufen die Freisetzung
von Phosphat aus Sedimenten hervor. Dieser
Kaskaden-Mechanismus verstärkt die allgemeine
Eutrophierung der Ostsee.
GIFTFRACHT AUS DEN FLÜSSEN
Nährstoffeinträge können auch atmosphärischen
Ursprungs sein, also aus der Luft oder
aus diffusen Quellen sowie Punktquellen in
die Ostsee gelangen. Dabei kommt auch hier
dem Eintrag von Nährstoffen aus der Landwirtschaft
eine besondere Bedeutung zu. So wird
geschätzt, dass 60 Prozent der Phosphateinträge
in die Ostsee aus diffusen landwirtschaftlichen
Quellen stammen. Aufgrund europaweiter
Bemühungen, den Nährstoffeintrag über Flüsse
in die Ostsee zu verringern, konnte im Zeitraum
zwischen 1985 und 2005 ein Rückgang der Einträge
in das Binnenmeer erreicht werden. Dabei
hat sich der Phosphateintrag um 76 Prozent
verringert. Der Nitrateintrag ging um 50 Prozent
zurück. Zwischen 2006 und 2008 war der
Phosphateintrag im Vergleich zu den Vorjahren
wiederum leicht erhöht, während der Stickstoffeintrag
um 8 Prozent sank. Über die deutschen
Flüsse wurden 2010 insgesamt 29.738
Tonnen Stickstoff und 780 Tonnen Phosphat in
die Ostsee eingeleitet. Rund die Hälfte gelangte
über die Trave in das Binnenmeer, 29 Prozent
über die Peene, 17 Prozent über die Warnow
und vier Prozent kamen aus der Schwentine.
Unter den Flüssen der angrenzenden Länder ist
die Oder die dominierende Eintragsquelle: Zwischen
2008 und 2010 lag der mittlere Eintragswert
der Oder bei 82.000 Tonnen Stickstoff und
4.800 Tonnen Phosphor pro Jahr und überstieg
damit deutsche Nährstofffrachten um das Vier-
beziehungsweise Neunfache. Um die international
für die Ostsee geltenden Richtlinien von
Nährstofffrachten erreichen zu können, müssten
die Stickstoff- und Phosphoreinträge weiterhin
erheblich reduziert werden.
ÜBERDÜNGUNG UND ALGENBLÜTEN
Im Zeitraum von 2007 bis 2012 erreichte keines
der deutschen Ostsee-Küstengebiete den
ökologisch guten Zustand nach der Wasserrahmenrichtlinie
(WRRL). Laut Untersuchungen
aus dieser Periode sind alle Küstengebiete
von Eutrophierung betroffen. Lediglich in
offenen Buchten konnten vereinzelnd die HELCOM
Richtlinien erreicht werden. Sowohl für
Chlorophyll-a-Konzentrationen als auch für geltende
Sichttiefen wurden alle Richtwerte konstant
verfehlt. Zudem wurde Massenvermehrungen
von Cyanobakterien („Algenblüte“) an
vielen Stränden und in Buchten festgestellt. Im
Jahr 2017 wurde Schwefelwasserstoff (H2S) in
der Flensburger Förde, in der Geltinger, Kieler,
Mecklenburger, Lübecker, und der Neustädter
Bucht nachgewiesen. Schwefelwasserstoff wird
bei anaeroben Zersetzungsprozessen gebildet
und ist somit ein Indikator für tote Zonen. In
Küstengebieten wurde der Sauerstoffzielwert
von vier Milligramm pro Liter in 90 Prozent der
bodennahen Schichten verfehlt. In weniger tiefen
Wasserschichten lagen die Ergebnisse an
57 Prozent der Messstellen unter dem Zielwert
von sechs Milligramm pro Liter. Somit ist 2017
der Sauerstoffzustand küstennaher Gebiete der
westlichen Ostsee schlechter als im Vorjahr.
Insgesamt sind nach der WRRL-Zustandsbewertung
97 Prozent der Fließgewässer, 82 Prozent
der Seen und 100 Prozent der Küstengewässer
in keinem guten ökologischen Zustand.
PHOSPHOR UND NITRAT
Die dänischen Gewässer sind in weiten Teilen
von Sauerstoffmangel betroffen. Besonders der
Mariager Fjord, der Kleine Belt, der Haderslev
Fjord und das Fünen-Archipel wiesen 2018 in
großen Teilen Sauerstoffkonzentrationen von
unter zwei Milligramm pro Liter auf. Am Meeresgrund
wurde teilweise kein Sauerstoff mehr
registriert, hingegen aber die Freisetzung von
Schwefelwasserstoff festgestellt.
Stark belastete Gebiete der polnischen Küstengewässer
sind der Golf von Danzig und die
Pommersche Bucht, da hier erhebliche Flussfrachten
einlaufen. Als Quelle kommt die Landwirtschaft
infrage, aber auch die unzureichende
Klärung von kommunalen Abwässern und
Einleitungen der Industrie könnten eine Rolle
spielen. Das Frische Haff weist hohe Phosphor-
und Nitratkonzentrationen bei eingeschränkten
Sichttiefen auf. Die Flussfrachten der Oder führen
vor allem im Stettiner Haff zu Sauerstoffmangel,
immer wieder auftretenden Algenblüten
und geringer Sichttiefe. Auffällig ist, dass in
den Regionen entlang des Flusses viele Schweinemastfarmen
angesiedelt sind.
SAUERSTOFFZEHRUNG
UND FAULGASE
Überdüngung führt zu einem vermehrten Auftreten
von Algenblüten – unter anderem vermehren
sich giftige Cyanobakterien massenhaft.
So war die Ostsee im Jahr 2010 zu 90
Prozent mit einer Cyanobakterien-Algenblüte
bedeckt. Aufgrund des vermehrten Algenwachstums
verringert sich die Sichttiefe in betroffenen
Gebieten. Im Arkona-Becken betrug
sie vor gut 100 Jahren zehn Meter, jetzt liegt sie
bei rund sieben Metern. Pflanzen wie Blasentang
und Seegras, die einen wichtigen Lebensraum
für marine Tierarten darstellen, sind in ihrem
Wachstum erheblich eingeschränkt. Stattdessen
dominieren fadenförmige Blaualgen
in lichtarmen Gewässern, die bei bestimmten
Wetterverhältnissen an Land gespült werden.
Dort verrotten sie unter Sauerstoffzehrung und
Bildung von Faulgasen, sodass Strände gesperrt
werden müssen. Während bodenlebende
Kleinstorganismen sich schnell regenerieren,
brauchen langlebige Arten Jahrzehnte, bis
sich ihre Populationen wieder erholen.
VERSCHMUTZTES TRINKWASSER
Auch für die Trinkwasserversorgung ist die
Überdüngung hochproblematisch: Einen großen
Anteil unseres Trinkwassers gewinnen die
Wasserversorger aus Brunnen. Unbelastetes
natürliches Grundwasser hat einen Nitratwert
von unter zehn Milligramm pro Liter. Für Trinkwasser
gilt ein strenger Grenzwert, der nur maximal
50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser
erlaubt. Ist das Grundwasser zu stark mit Ni-
Foto: Daniel Müller/Greenpeace
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