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Der Corona-Staat

Der Corona-Staat
Der Corona-Staat (Foto: Aleksandra Voinova/shutterstock.com)

Artikel reloadet: Der Beitrag „Corona-Staat – wie ein Erreger die Gesellschaft verändert“ erschien bereits im Mai 2020 (!), während des ersten verfassungswidrigen „Lockdowns“. Der Augenblick, auf den dieser Artikel abzielt, ist nun gekommen. Im Schatten des Ukrainekrieges tritt „Corona“ vorübergehend in den Hintergrund. Deshalb veröffentlichen wir den Beitrag noch einmal unverändert. Viele Leserinnen nund Leser, die „damals“ der Analyse nicht folgen mochten, haben jetzt – nach fast 2 Jahren Plandemie – ausreichend eigenen Erfahrungen gemacht, um die Inhalte noch besser nachzuvollziehen zu können.

Wenn die „aktuelle besondere Situation“ vorbei sein wird, werden Seuchenhistoriker, Epidemiologen, Virologen, Pathologen, Statistiker, Ökonomen und Juristen anhand der Vergangenheitsdaten die Ereignisse in der Rückschau wieder aufrollen. Es wird darum gehen, festzustellen, was seit Januar in Deutschland passiert ist. Auf welcher Grundlage wurden welche Entscheidungen getroffen? Wie verlässlich waren die Daten? Wie zuverlässig waren die Tests? Welche Prognosen haben sich bewahrheitet, welche nicht? Waren die Einschränkungen der Grundrechte und die Zerstörung weiter Teile der Wirtschaft, der Kultur, des Sozialen und der körperlichen wie seelischen Gesundheit der Bevölkerung angemessene Reaktionen auf die Ausbreitung von SARS-CoV-2? Es wird auch um die Frage gehen, wie das staatliche Kommunizieren und Handeln, insbesondere das vorsätzliche Verursachen einer panikartigen Angst, sich auf die Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger ausgewirkt haben und welchen Anteil die Presseorgane an der Entwicklung hatten. Wir werden ebenfalls in der Rückschau feststellen, welche Experten zu welchem Zeitpunkt mit ihren Beobachtungen, eigenen Studien und ihren Bewertungen richtig lagen und welche falsch lagen.

Es wird dann auch die Zeit kommen, in der jede und jeder sich fragen wird: Wie habe ich reagiert, waren meine Reaktionen angemessen, was hat die öffentliche Debatte um den Erreger mit mir und meiner Familie, meinen Freunden gemacht? Als die Parlamente entmachtet wurden und die Bundes- und Landesregierungen der Bevölkerung in weiten Teilen die Ausübung wesentlicher Grundrechte entzog, veränderte sich die Struktur unserer Gesellschaft – quasi über Nacht.

Die Demokratie – als Gesellschaftsform, in der alle Macht vom Volke ausgeht – wurde in die Zwangspause geschickt. Der parlamentarische Diskurs endete und deshalb verstummten auch die Stimmen der Parteien und wir hörten nur noch die Corona-Kabinette und ihre Sicht auf die Dinge der Welt und warteten gespannt auf die neuen Dekrete, mit denen fortan regiert wurde. Mit dem Ende des Diskurses geschah aber etwas, mit dem niemand gerechnet hatte: es verschwanden die alternativen Sichtweisen, es gab nur eine Meinung, die Geltung beanspruchen durfte und die sich dann auch durchsetzte.

Das Ende der Meinungsvielfalt

Hier zerbrach die Gesellschaft an einer ihrer empfindlichsten Stellen: Die Meinungsvielfalt der pluralistischen Gesellschaft wurde durch die Deutungshoheit einer Minderheit ersetzt. Deutungshoheit hatte hier von einem Tag auf den anderen ein kleiner Zirkel um Prof. Christian Drosten und das Robert-Koch-Institut (RKI). Es gab von Anfang an weltweit zahllose renommierte Wissenschaftler, die andere Interpretationen der Ereignisse und Zahlen anboten. Auch tausende Ärzte in Deutschland und Europa bewerteten die Lage durchaus anders. Aber die alternativen Interpretationen fanden kein Gehör in der Politik und auch nicht in den Medien.

Im Gegenteil. Print, Funk und digitale Plattformen, renommierte große Tageszeitungen wie Lokalzeitungen, Politmagazine wie Unterhaltungsblättchen, Staatssender wie private TV- und Radiostationen übernahmen das „Narrativ“ der Regierung und verbreiteten es nicht nur ohne Überprüfung der vorgelegten Fakten. Schlimmer noch: Schier entfesselt produzierten die Verlage und Sendezentralen, die kleinen wie großen Redaktionen, pathetische Geschichten rund um die Drohkulisse, die plötzlich das öffentliche Leben in den Bann schlug und dann alle im Wortsinne gefangen nahm.

Die Aufgabe der Vierten Gewalt, als welche die Presse neben Exekutive, Legislative und Judikative lange galt, sollte sein, insbesondere das Handeln staatlicher Instanzen und der Inhaber großer Macht (Unternehmen, Institutionen wie Kirchen, Parteien und andere mehr) zu kontrollieren – oder kritisch zu begleiten, um die Meinungsbildung in der Bevölkerung zu ermöglichen. Der Souverän, das Volk, soll in die Lage versetzt werden, seinen politischen Willen auf der Grundlage transparenter Informationen auszuüben. Dabei hat die Presse keine tatsächliche Gewalt inne. Das – vielleicht romantische – Ideal einer demokratischen Pressearbeit als Vierte Gewalt hat dennoch eine bedeutsame Kraft. Es ist eine Kraft, welche aus einer glaubwürdigen, weil sorgfältigen Arbeit entspringt. Sie prüft Ereignisse, Behauptungen, Verlautbarungen und Informationsströme und bietet alternative Sichtweisen an, deckt Lügen und Komplotte auf, hindert Manipulatoren daran, ihr Werk ungestört fortzusetzen, verteidigt die auf Meinungspluralismus gründende Verfassung und fördert den Diskurs der an der Gesellschaft beteiligten Institutionen und jenen zwischen allen Menschen.

In der Tat wird die Rolle der Presse als Vierte Gewalt zunehmend infrage gestellt. Pressehäuser sind heute mehr denn je Wirtschaftsunternehmen, die eine Gewinnerzielungsabsicht haben. Branchenfremde Investoren kaufen sich Verlage und Fernsehsender, um Geld zu verdienen oder die Zwecke anderer Unternehmen zu befördern oder die öffentliche Meinung im eigenen Sinne zu beeinflussen. Das Ideal einer demokratischen Kontrollinstanz, die den Mächtigen auf die Finger schaut, wurde in den letzten Jahren geschliffen.

In der Corona-Krise zeigen sich die Defizite des medialen Systems an vielen Stellen. Mit Erstaunen muss man feststellen, dass in der Angst wegen der möglichen Gefahren einer Verbreitung von SARS-CoV-2 nahezu alle journalistischen Tugenden fallen gelassen werden. Landesweit agierten die Medien als Verlautbarungsmaschinen der Corona-Kabinette in Bund und Land und der zahllosen Corona-Task-Forces in den überforderten Kommunen. Ginge es um eine Frage von geringer Bedeutung – sagen wir, ob Deutschland wieder Fußball-Weltmeister werden würde – könnte man es noch ertragen, wenn die Medienmehrheit im Chor skandierte und ein lautes „Ja“ ausriefe. In der Corona-Krise ging und geht es aber um etwas anderes, Wesentliches: Um das Aushebeln der Verfassung, um die Zerstörung zehntausender Existenzen, um die Traumatisierung von Millionen Menschen, die Vernichtung von gesellschaftlichen Potenzialen in allen soziokulturellen Bereichen.

Das Versagen der Vierten Gewalt

Noch nie hat es eine Regierung in der Nachkriegszeit unternommen, die Grundrechte derart einzuschränken und einen sozialen, kulturellen, psychischen und wirtschaftlichen Schaden anzurichten, den wir in vielen Jahren oder Jahrzehnten nicht werden reparieren können. Und dabei geht es nicht um das Geld, sondern um die Folgen der Vernichtung zehntausender Existenzen, die unweigerlich zu Krankheit, Aggression, Suizidfällen in unabschätzbarer Höhe führen wird. Hier sind die Folgen von wirtschaftlichem Niedergang und Arbeitsplatzverlust auf den einzelnen Menschen, die Familien und das nähere soziale Umfeld ausreichend erforscht. Anders als es die Meinungsführer in den Medien formulierten, ist die „Wirtschaft“ nicht „die Konzerne“ oder „das Geld“ oder „die Gewinne“ – es ist die Vernetzung der Millionen Menschen in der Erwerbstätigkeit, die der Schaffung ihrer Lebensgrundlage dient und zugleich als Tätigkeit sinnstiftend ist. Es geht nicht darum, ob Volkswagen weniger Gewinne macht, sondern ob Millionen Menschen in wirtschaftliche Not und Angst geschickt werden. Um die Konzerne müssen wir uns ohnehin nicht sorgen. Sie beweisen erneut, dass sie der Politik nah genug stehen, um sich – trotz Milliarden an Vorjahresgewinnen – mit den Geldern der Steuerzahler zusätzlich absichern zu lassen.

Bereits vor der Verhängung des Corona-Kriegsrechts, das die Menschen ihrer Grundrechte beraubte und die Wirtschaft lahmlegte, wiesen Wissenschaftler weltweit darauf hin, dass die neue Variante eines Corona-Virus vermutlich nicht annähernd so gefährlich wäre, wie es den Anschein hat. Diese Einwände und ihre wissenschaftlichen Begründungen waren bereits vor der Ausrufung des Notstandes frei verfügbar. Die Bewertungen und hinzugezogenen Studien sowie deren Aufbau waren transparent. Trotz der offenen Fragen hinsichtlich zahlreicher Details des Virus boten die Arbeiten Hunderter renommierter Wissenschaftler durchaus auch dem Journalisten, der als epidemiologischer Laie oder studierter Mediziner eine gewisse Hürde zu überwinden hat, ausreichend Anlass zu fragen: „Gibt es eine andere Sichtweise?“

Das aber blieb aus. Schlimmer noch. Die Widersprüche aus Wissenschaft und Gesellschaft, die sich Gehör verschaffen konnten, wurden nicht etwa analysiert und hinterfragt. In anscheinender Liebedienerei für die Corona-Regierung wurden Wissenschaftler, die eine andere Meinung vertraten, diffamiert und persönlich diskreditiert. Damit wurden sie nicht nur aus dem öffentlichen Corona-Diskurs geworfen, sondern viel schlimmer: Damit wurde der wissenschaftliche und gesellschaftliche Diskurs verhindert, unterbunden. Die Medien waren damit verantwortlich dafür, dass es keine Meinungsvielfalt mehr gab und bis heute gibt. Ob die Verlautbarungen von Ärztevereinigungen oder die eindrucksvolle Pressekonferenz der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 30. April, ob Studien aus den USA, China oder England, die klar auf Ungereimtheiten der herrschenden Pandemie-Hypothese hinwiesen: Die belastbaren Forschungsergebnisse und Erfahrungen von Medizinern aus verschiedenen Fachgebieten wurden nicht berücksichtigt. Es gab nur noch die Meinung der Corona-Kabinette und ihrer Berater. Sie hatten und haben bis zur Veröffentlichung dieses Artikels durch die Willfährigkeit der Presse die Deutungshoheit über die Ereignisse erlangt. Das schuf die Grundlage dafür, dass auf fast allen Ebenen der Gesellschaft die „Corona-Pandemie“ und damit die Notwendigkeit der getroffenen Maßnahmen akzeptiert wurden.

Die journalistische Verfolgung Andersdenkender

Beispiele für das gezielte Abwehren korrigierender Ansätze und die Diffamierungskampagnen gegen Wissenschaftler finden sich zu hunderten in den jungen Archiven. Der Fall von Prof. Hendrik Streek ist besonders beeindruckend. Seine Untersuchungen im Corona-Hotspot Heinsberg sollten helfen, Lücken in den Datensammlungen zu schließen und unter anderen auch diese zentralen Fragen zu beantworten: Wie verbreitet sich der Erreger, wie hoch ist die Durchseuchung der Gesellschaft und wie hoch die erreichte Immunität, wie hoch die Zahl der Toten im Zusammenhang mit der Lungenentzündung COVID19. Seine Ergebnisse widersprachen den bisherigen Vermutungen, auf denen das Handeln der Regierungen basierte. Es zeigte sich, dass die Gefahr deutlich geringer war, als bis dahin angenommen. Statt an dieser Stelle weiter zu forschen, geschah etwas anderes: Als Prof. Streek Zwischenergebnisse seiner Untersuchung veröffentlichte, wurde er öffentlich diskreditiert (man müsse die Studie erst von Dritten prüfen lassen. Zudem wurde kritisiert, dass er seine Kommunikation von einem befreundeten Kommunikations-Profi managen ließ. Das sei unseriös – dabei nutzen alle Staatsinstitute die Dienste von Agenturen, um ihre Botschaften zu verbreiten) und persönlich angegriffen. Streek hatte aber nichts anderes getan, als eine transparent aufgebaute Studie in einem stark von SARS-CoV-2 betroffenen Gebiet durchzuführen. Dabei arbeitete er stets nachvollziehbar und blieb keine Antworten schuldig. Der Vorwurf, es sei unseriös, Ergebnisse vorab zu veröffentlichen, war ein Vorwand, um Prof. Streek zu diskreditieren. Wer seine Heinsbergveröffentlichungen liest, erkennt sehr schnell, wie fundiert und sauber hier gearbeitet wurde. Die Studie ist nun geprüft. Die Zwischenergebnisse wurden bestätigt. In der Tat gibt es viel mehr Infizierte, als von der Regierung angenommen.

Ganz anders reagierte die gleiche Presse auf die Vorveröffentlichung von Prof. Christian Drosten zur Frage, wie ansteckend Kinder im Vergleich zu Erwachsenen seien. Als es in Beratungen der Bundes- und Landesregierungen gerade um die Frage der Öffnung von Kitas und Schulen ging, veröffentlichte Drosten die Vorabergebnisse seiner Arbeit, ohne die Arbeit gegenprüfen zu lassen. Er stellte fest, dass in den Rachenabstrichen von Kindern die Konzentration von Virus-Partikeln genauso hoch sei wie bei Erwachsenen. Seine Schlussfolgerung war – was Epidemiologen sehr deutlich verneinten – dass Kinder damit ebenso ansteckend seien wie Erwachsene. Schlimmer aber wog die kritische Tatsache, dass Drosten in seiner „Studie“ einen Anteil von 16 Grundschülern und 37 Kleinkindern, bei insgesamt über 60.000 Personen und 3.712 positiven Ergebnissen ausweist. Bei solch einer kleinen Stichprobe ist die Aussagefähigkeit der Studie sehr beschränkt. Niemand beschwerte sich über Drostens Vorveröffentlichung, wenige Stunden bevor die Bundesregierung über die Öffnung der Grundschulen entscheiden wollte. Und kaum einer erhob die Stimme, um zu hinterfragen, ob diese Stichprobe und die Art der Studie geeignet sei, die Bewertungen von Drosten nachzuvollziehen. Und interessanter noch, unterließen es die Journalisten, all jene Studien einzubeziehen, die auf Grundlage einer viel größeren Datenbasis entstanden waren. Diese Studien – unter anderem aus China – belegten das Gegenteil dessen, was Drosten mit seiner kleinen Stichprobe nachzuweisen glaubte oder nachweisen wollte oder sollte. Auch die Reaktion anderer Wissenschaftler und Kinderärzte wurden in der Presse nicht erwähnt.

Der zweite bekannte Fall der Diskreditierung ist der Umgang mit Dr. Wolfgang Wodarg. Anstatt sich mit den Quellen und Aussagen von Dr. Wodarg kritisch auseinanderzusetzen und zu hinterfragen, auf welcher Grundlage Wodarg seine Bewertungen abgegeben hat, setzen die Medien alles daran, Wodarg als Person zu diskreditieren. Die Art und Weise, wie Wodarg hier in den Kontext von Spinnern und Verschwörungstheoretiker gestellt wird, ist beeindruckend – und im eigentlichen Sinne ekelhaft. Unverhohlen unternehmen etliche Medien und selbsternannte „Faktenchecker“ die Unterhöhlung seiner Kompetenz und nutzen dabei jene Werkzeuge und sprachlichen Muster, wie wir sie aus den dunkelsten Kapiteln unserer Vergangenheit kennen. Man beraubt ihn (wie andere renommierte Wissenschaftler auch) seiner Reputation. In Veröffentlichungen des SPIEGEL wird er als „pensionierter Pneumologe“ (SPIEGEL ONLINE 20.03.20) bezeichnet. Als würde sich da ein seniler Ex-Arzt zu Wort melden. Wodarg hat die Facharztqualifikationen für Lungen- und Bronchialkunde erworben, ist Arzt für Hygiene und Umwelt-Medizin und Arzt für Sozialmedizin. Er war 1991 Stipendiat für Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der John Hopkins University, Baltimore/USA (evaluation of health programs) – einem der weltweit führenden Institute für epidemiologische Fragen, lehrt noch immer an der Universität Flensburg und der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin. Er lehrte zuvor an der Charité und anderen Hochschulen Europas, seine Themen waren und sind Forschung und Ethik, Gesundheitswesen und soziologischen Fragen aus dem Gesundheitswesen und andere mehr. In vielen weiteren Bereichen seiner Arbeit als SPD-Abgeordneter, als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sowie vielen anderen Fachgremien bewies er in jahrzehntelanger Arbeit seine Kompetenz, seinen ausgewogenen Blick, seine ethische Position und seine ruhige und vermittelnde Haltung in politischen und Gesundheitsfragen. Wer sich mit Wodarg befasst, wird feststellen, dass er bereits in der Vergangenheit bei anderen vermeintlich tödlichen Bedrohungen durch Pandemien die verfügbaren wissenschaftlichen Daten richtig interpretierte.

Journalistische Methoden aus dunkelsten Zeiten

Aufgabe der Journalisten wäre es, die Antithesen der Kritiker gründlich und sachlich zu prüfen. Dazu müssten sie die Datenquellen untersuchen und die wissenschaftlichen Interpretationen der Fakten nachvollziehen, sie müssten andere unabhängige Wissenschaftler befragen, um herauszufinden, inwieweit Dr. Wodargs Annahmen und Analysen zutreffend sind oder nicht. Interessanterweise ersparen sich die meisten Kollegen diese Mühe und greifen zu einem anderen Stilmittel. Statt der inhaltlichen Analyse stellen sie Wodarg und andere Wissenschaftler einfach in den Kontext von verwirrten Menschen: „Wodarg argumentiert geschickt. Viele seiner grundsätzlichen Aussagen sind korrekt. Damit schafft er Vertrauen, selbst bei Leuten, die sich mit medizinischen Sachverhalten auskennen. Seine Schlussfolgerungen wirken schlüssig, bleibt man in seiner Logik. Dass seine Videos mit Vorsicht zu genießen sind, erkennt man bei genauem Hinsehen aber allein schon an den YouTube-Kanälen, in denen sie erschienen sind. Der eine verbreitet neben Wodargs Thesen Verschwörungstheorien aus dem Reichsbürgermilieu, es geht um Chemtrails und Satan.“

Was ist hier gelungen? Statt auf die inhaltliche Argumentation von Dr. Wodarg einzugehen, konstruiert die SPIEGEL online Autorin Julia Merlot eine Nähe zu Verschwörungstheoretikern aus dem Reichsbürgermillieu. „Nun erklärt der Mann in zwei Videos auf YouTube“ – Merlots Sprache ist entlarvend. Ihre inhaltlichen Einwände strotzen vor fachlicher Schwäche und fehlender Quellenarbeit. „Der Mann“, den sie hier despektierlich verkleinert, erklärt nicht nur in Videos, was er denkt. Er liefert zu seinen Aussagen auf seiner Webseite www.wodarg.com auch Hintergründe und Verweise auf Daten, Studien und ungelöste Fragen der aktuellen Corona-Bewertungen. Nicht anders als Julia Merlot verfährt der 1973 geborene Kognitionspsychologe Christian Stöcker von SPIEGEL online. Er verzichtet ebenso wie seine Kollegin auf ein vertieftes Quellenstudium und versteigt sich dazu, am 22.03 zu schreiben: „Der unglücklicherweise öffentlichkeitswirksamste Vertreter der „hier gibt es nichts zu sehen, gehen Sie bitte weiter“-Position ist der pensionierte Pneumologe Wolfgang Wodarg. Seine verantwortungslosen Einlassungen scheinen derzeit leider ein großes Publikum zu finden. Es ist das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass ein einzelner Lungenfacharzt den globalen wissenschaftlichen Konsens nonchalant infrage stellt. Dabei verbreitet Wodarg nachweislich Unsinn: Covid-19 ist aus einer Reihe von Gründen sowohl ansteckender als auch tödlicher als eine normale Grippeepidemie.“

Auch hier wieder das gleiche Muster der auf Diskriminierung abzielenden Rhetorik: Stöckers Aussagen sind „der pensionierte Pneumologe“, „ein einzelner Lungenfacharzt“, „nachweislich Unsinn“. Zum einen führt eine Pensionierung eines Mediziners, eines Facharbeiters oder Angehörigen eines anderen Berufes nicht gleich zu seiner Verblödung – diese Wortwahl ist dumm, diskriminierend, unsachlich und unverschämt. Zum anderen ist Wodarg weiterhin als Experte und Lehrender tätig. „Einzeln“ ist Wodarg schon überhaupt nicht in der Wissenschaftswelt. Hätten Stöcker und andere Autoren den Blick einmal über den Tellerrand von Drosten und RKI angehoben, wären sie auf zahlreiche Ärzte und Wissenschaftler gestoßen, die ähnliche Analysen anboten und diese auch belegen können. Die schwerste Behauptung ist indes die vom „nachweislichen Unsinn“. Erstens bleibt Stöcker den Nachweis des Unsinns schuldig. Seine Behauptungen zur Verbreitung und Tödlichkeit des Virus‘ waren bereits am 22.03. durch die Zahlen des RKI und anderer nationaler und internationaler Quellen widerlegt. Man hätte sie nur lesen müssen.

Hinzu kommt die unerträgliche Falschverwendung der Begriffe durch Autoren wie Stöcker, die sich in der Corona-Zeit als besserwissende Vertreter einer journalistischen Justiz aufspielten, ohne dabei ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen. Munter werden dort Erkrankung und Fälle und Infekte durcheinandergeworfen. Auch die Statistiken trugen die falschen Bezeichnungen. Positiv auf SARS-CoV-2 getestete liefen unter COVID19-Fälle. Da COVID19 die manifeste Erkrankung sein sollte, suggerierten die Daten ein völlig falsches Bild. Infiziert heißt eben nicht krank. SARS-CoV-2 positiv heißt eben nicht COVID19. Und SARS-CoV-2 positiv im Moment des Todes heißt nicht „an COVID19 erkrankt und daran gestorben“. Es bedeutet, wie Pathologen in der ganzen Welt seit Anfang April wissen: Alte und kranke Menschen sterben an vielen Erkrankungen, Organschäden und den Folgen von Unfällen sowie Infektionen, die sie sich in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern zuziehen. Dass bei sterbenden Menschen auch SARS-CoV-2 im Moment des Todes nachgewiesen werden kann, ist medizinisch sicher interessant. So lange aber nicht klar ist, ob und wie Sars-CoV-2 zu einer Krankheit mit Todesfolge führt, ist es fragwürdig, hier von Corona-Toten zu sprechen.

Christian Stöcker schreibt: „Dabei verbreitet Wodarg nachweislich Unsinn: Covid-19 ist aus einer Reihe von Gründen sowohl ansteckender als auch tödlicher als eine normale Grippeepidemie.“
 
Hier offenbart sich das ganze sprachliche und fachliche Dilemma des Psychologen Stöcker. COVID19 ist die von SARS-CoV-2 ausgelöste Erkrankung. Bei der Ansteckung mit SARS-CoV-2 wird ein Virus übertragen, keine Krankheit. Es verbreitet sich das Virus, noch nicht die Krankheit. Und auch eine Grippeepidemie ist nicht ansteckend. Eine Epidemie ist das Auftreten einer ansteckenden Krankheit in einem bestimmten begrenzten Verbreitungsgebiet. Und eine Epidemie ist auch per se nicht tödlich – eine Epidemie beschreibt die Verbreitung des Erregers und die durch den Erreger verursachten Erkrankungen. Es gibt Erkrankungen, die sich in endemischen, epidemischen oder pandemischen Maßstäben verbreiten. Je nach Erreger und den Umfeldbedingungen, sowie persönlichen Gesundheitsvoraussetzungen, in denen die Menschen auf den Erreger treffen, führen sie zu keinen, milden, starken oder schweren Symptomen/Erkrankungen. Der nachweisliche Unsinn wohnt bereits in Stöckers Formulierungen. Satz für Satz. Und seine KollegInnen tun es ihm gleich.

Das Fehlen eines Bewusstseins von den korrekten Bezeichnungen ist an sich bereits ein fürchterliches Indiz für die mangelhafte wissenschaftliche und journalistische Durchdringung der Ereignisse. Es zeigt sich die fehlende Distanz der AutorInnen zu ihren eigenen Haltungen und Annahmen (Vorurteilen und Ängsten). Unreflektiert und unter Außerachtlassung der journalistischen Sorgfaltspflicht, schwadronieren sie vor sich hin, wähnen sich „im Recht“ und diskreditieren ernsthaft forschende und differenziert denkende Experten. Sie vermeiden präzise Quellenarbeit und auch die erforderlichen Quellenangaben. Komplexe Analysen, die von Fachleuten publiziert werden, wie jene von Wodarg, Ioannidis, Wittkowski oder Kuhbandner werden mit einer kaltschnäuzigen journalistischen Oberflächlichkeit diskreditiert und in einer nie dagewesenen Arroganz für falsch erklärt.

Bei ihrer Diffamierung von Experten, die nicht dem Diktat von Spahn, RKI und Drosten folgen, weisen die Journalisten beflissen darauf hin, dass es in vielen Ländern viele COVID19-Tote gäbe und übersehen das Wesentliche erneut: das Dilemma der Zählweisen. Es war von Anfang an bekannt. Zwei Faktoren prägen die Ergebnisse: Erstens wurden anfangs auf Geheiß des RKI bis auf wenige Ausnahmen Verstorbene, die SARS-CoV-2 positiv waren, nicht obduziert. Dort, wo sie obduziert werden, finden die Pathologen in der Regel eindeutige andere Todesursachen. Ob der Infekt hier eine beschleunigende Rolle spielen kann, soll untersucht werden. Nebenbei: Das RKI hat eingeräumt, dass alle SARS-CoV-2 positiv getesteten Menschen, die versterben, in die COVID19-Todesstatistik aufgenommen werden – unabhängig von der Todesursache. Zweitens ist die Meldesystematik in der Welt nicht einheitlich: In anderen Ländern verzichtet man gleich ganz auf den Test und meldet ohne System verstorbene Menschen als COVID19 Opfer. Oder man verzichtet wie in Italien darauf zwischen „mit“ und „an“ Corona gestorben, zu unterscheiden. So betonte Angelo Borrelli, Leiter Zivilschutz Italien, auf einer Pressekonferenz am 21.3. explizit: „dass wir alle Verstorbenen zählen, dass wir nicht unterscheiden zwischen Corona-Infizierten, die gestorben sind und denen, die wegen des Coronavirus gestorben sind.“

Nicht nur bei SPIEGEL online finden sich zahlreiche Beiträge, denen die nötige analytische Kraft und sprachliche Genauigkeit fehlt. Das Phänomen der scheinbar pandemischen Erblindung der Autoren geht quer durch die Presselandschaft. Und auch die Schweizer Neue Zürcher Zeitung (NZZ), deren Wissenschaftsredaktion bis dato viel Respekt genoss, hat sich der allgemeinen Unschärfe hingegeben. Stehen die ersten beiden der folgenden Sätze noch in Übereinstimmung mit den vorhandenen Informationen, bricht nun der dritte Satz wie ein Fluch über uns herein: „Wie verbreitet das Virus tatsächlich ist, lässt sich anhand der bestätigten Fällen allerdings nur schwer beurteilen. Jedes Land hat ein anderes Test-Regime. Aussagekräftiger für einen Ländervergleich ist deshalb die Zahl der Personen, die an Covid19 verstorben sind.“ Wo liegt hier das Problem? Das Problem liegt in zwei Buchstaben: „an“. Denn auch hinsichtlich der Todesursachendokumentation gibt es keine vergleichbaren Zahlen in der Welt. Deshalb kann auch in dem einen Land die Sterblichkeit viel niedriger sein als in dem anderen. In vielen Ländern werden Tote ohne positiven SARS-CoV-2-Test als COVID19-Tote gemeldet und auch in Deutschland ist ein SARS-CoV-2 positiver Mensch, der Opfer eines Verkehrsunfalls wurde, ein COVID19-Opfer. Hier nicht die fehlende Aussagekraft im Vergleich der Todesfallzahlen zu erkennen, ist eine schwere Sorgfaltsverletzung.

Dabei weisen andere NZZ-Autoren, allerdings sind es überwiegend die Gastkommentatoren, durchaus auf die Probleme hin (Hato Schmeiser am 24.04.): „Die Anzahl der Infizierten, die Gefährlichkeit der Krankheit, die tatsächliche Ausbreitung der Infektion in der Gesellschaft und die Wirksamkeit von Massnahmen lassen sich ohne regelmässige Zufallsstichproben kaum bestimmen. Als Schätzungen, wie viele Personen in der Bevölkerung tatsächlich infiziert sind, werden kaum überprüfbare Spannbreiten genannt, die häufig zwischen der zehn- und über der zwanzigfachen Zahl der bestätigten Infizierten liegen. Wenn man annimmt, dass sich von der in der Schweiz bestätigten Zahl der Infizierten (27 957 Personen am 22. April 2020, 17 Uhr) auf knapp 500 000 tatsächlich mit dem Virus befallene Personen schliessen lässt und die 500 000 infizierten Personen die durchschnittliche Mortalitätsrate der Schweizer Bevölkerung aufweisen, versterben aus dieser Gruppe rund 400 Personen pro Monat – nicht wegen des Coronavirus, sondern mit einer entsprechenden Infektion.

Dieser Aspekt deutet auf eine zweite Problematik hin. Der kausale Zusammenhang zwischen Covid-19 und Todesfall lässt sich nicht immer leicht herstellen und ist wegen der in der Regel vorliegenden Vorerkrankungen fliessend. Es ist darum ohne weitere Analysen nicht möglich, zwischen Todesfällen ‚mit einer Covid-19-Erkrankung‘ und solchen ‚wegen einer Covid-19-Erkrankung‘ zu unterscheiden.“

So erscheint auch die NZZ als gespaltenes Medium: einerseits verzichtet sie weitestgehend selbst auf eine kritische Datenanalyse und die Auswertung widersprechender Positionen, andererseits lässt sie als Gäste zumindest hin und wieder Vertreter alternativer Positionen zu Wort kommen und bleibt so zumindest in Teilen pluralistisch.

Hinsichtlich der tatsächlichen Verbreitung von SARS-CoV-2 gibt es immer mehr Daten, die vorliegen oder in der Prüfung sind. So hat einer der renommiertesten Wissenschaftler der Welt, Prof. John Ioannidis von der Standford University, Daten gesammelt, die darauf hinweisen, dass möglicherweise die Durchseuchung der Bevölkerung mit SARS-CoV-2 um ein Vielfaches höher ist, als es bislang angenommen wird.

Prof. Dr. Kuhbandner von der Fakultät für Humanwissenschaften der Universität Regensburg, hat in einer bemerkenswerten Reihe analytischer Zusammenfassungen die aktuellen Zahlen und Trends bewertet. Er schreibt am 03.05. im Internetportal des Heise-Verlags „Telepolis“ im vierten Teil seiner Analyse:

„Eine der aktuellsten Studien stammt von John Ioannidis, Gesundheitswissenschaftler an der Standford University und einer der bekanntesten Methodenexperten der medizinischen Forschung. Basierend auf einem Coronavirus-Antikörpertest an 3.300 Freiwilligen in Santa Clara (Kalifornien) kommt seine Forschergruppe zur Schätzung, dass zwischen 2,49 Prozent und 4,16 Prozent der Bevölkerung dort in Wirklichkeit infiziert waren – das ist um das 50- bis 85-fache der Zahl der dort laut den bisherigen Testungen dokumentierten Fälle. Sollten diese Zahlen stimmen, wäre die wahre Sterblichkeitsrate in Santa Clara um das 50- bis 85-fache kleiner als angesichts der bisher dokumentierten Infektionen vermutet.

Die wahre Sterberate läge dann nur noch zwischen 0,12 Prozent und 0,2 Prozent, was in etwa der Sterberate beim Grippevirus entsprechen würde. Interessanterweise stimmt dies relativ gut mit den Ergebnissen einer vergleichbaren Studie im Landkreis Heinsberg überein, welche von Prof. Hendrik Streeck vorab auf einer Pressekonferenz veröffentlicht wurden. Dort wurde die Sterberate bezogen auf die Gesamtzahl der Infizierten auf ca. 0.37 Prozent geschätzt. Wichtig ist aber anzumerken, dass beide Studien noch nicht von Fachexperten begutachtet sind und es im Vorfeld kritische Anmerkungen gab, und dass offen ist, ob diese Ergebnisse auch für andere Regionen gelten.

Allerdings kommen vergleichbare Befunde aus Island, welches die Besonderheiten aufweist, dass es das Land mit dem höchsten Verhältnis der Anzahl der Tests in Relation zur Bevölkerungsanzahl ist, und dass routinemäßig Personen ohne Symptome getestet wurden. Dort liegt die Sterblichkeitsrate aktuell bei 0.57 Prozent. Und interessanterweise wurde das sogar von Christian Drosten von der Charité Anfang März noch so eingeschätzt. Auf einer Pressekonferenz schätzte er damals die Sterblichkeitsrate auf 0,3 bis 0,7 Prozent und ging sogar davon aus, dass diese mit der weiteren Verbreitung des Virus eher noch sinken würde.“

Journalistische Sorgfalt ist der Schlüssel für die Aufbereitung der im Fluss befindlichen Informationen. Das gilt umso mehr, als viele Staaten ihren Bürgern die Ausübung ihrer Grundrechte verbieten und die Gesellschaft an den Rand des soziopsychologischen und wirtschaftlichen Ruins bringen. Wenn es Momente im Leben eines Journalisten gibt, in denen sie oder er mit einer maximalen Distanz zu den eigenen Vorurteilen und Ängsten auf ein Thema schauen sollte, dann sicher in einer Lage wie der aktuellen. Sie tun aber exakt das Gegenteil. Die Parlamente sind ausgeschaltet, wir werden von einer Notstandsregierung regiert, massiven Einschränkungen unterworfen und daran gehindert, uns als Souverän zu verhalten. Hypothetisch gab es zwei Instanzen unserer Demokratie, die in einer Phase von solch epochaler Bedeutung, die Vorgänge im Blick haben müssen: Die Presse und die Verfassungsgerichtsbarkeit. Denn alle anderen Instanzen sind ausgeschaltet.

Kritischer Journalismus ist eben nicht die unkritische Verlautbarungstätigkeit einer PR-Agentur oder eines Pressesprechers. Kritischer Journalismus hinterfragt die angebotenen Informationen. Um wissenschaftliche Informationen verstehen und interpretieren zu können, ist es unumgänglich, über tiefe Kenntnisse der jeweiligen Materie zu verfügen. Der Deutsche Fachjournalistenverband unterscheidet ganz klar zwischen Allround-Journalisten und Fachjournalisten. Während der Allround-Journalist nacherzählt, zusammenfasst und kommentiert, ist es die Aufgabe des Fachjournalisten, zu analysieren, zu beschreiben, zu erklären, zu interpretieren, zu beurteilen und zu bewerten. Darüber hinaus wird ein Fachjournalist im Wissenschaftsbereich stets auch Belege für seine Interpretationen liefern. Im Zuge der Corona-Berichterstattung treffen wir aber in erster Linie auf Informationswiedergabe und Kommentare sowie in größerer Zahl emotionale Erzählprosa, die das Schicksalhafte von individuellen Situationen dramaturgisch überhöhen und damit eine Flut von Unsachlichkeiten über das Land ergießen.

Wer kontrolliert die Notstandsregierung?

Ein zweites Phänomen, das sich in der Corona-Zeit offenbarte, ist der nahezu vollständige und offenbar freiwillige Verzicht der Medien auf die kritische Begleitung der Notstandsregierung. Die Presse ließ die Corona-Kabinette ohne demokratische Legitimation (!), weil ohne den parlamentarischen Diskurs, mit Dekreten unter Ausschaltung von Bundesrat und Bundestag und damit der Bürgerinnen und Bürger durchregieren. Als sei mit der Pandemie schlagartig die Presse gleichgeschaltet worden, verwandelte sich die journalistische Kritik in eine fortan staatstragende Propagandamaschine, deren Aufgabe es zu sein schien, „Abweichler“ auszumachen und publizistisch zu verfolgen, bis sie mundtot sind.

Die Medien haben ohne Not darauf verzichtet, die zahllosen Widersprüche zu behandeln, in die sich Kanzlerin Merkel, Gesundheitsminister Spahn, das RKI unter Prof. Wieler, Prof. Drosten und seine Kollegen verstrickten. Alles Drucken und Senden und Posten diente nur einer Sache: „Bleibt zu Hause! Nehmt den Verlust Eurer Freiheit hin, nehmt den Verlust Eurer Arbeit hin, nehmt den Verlust Eures Vermögens hin, nehmt hin, dass Eure Eltern vereinsamen, dass die geliebten Großeltern alleine sterben, dass die Kinder traumatisiert sind!“ Dabei boten die Unregelmäßigkeiten in den Erklärungen von Merkel, Spahn, RKI und Drosten Futter für hunderte gute Geschichten – doch war es offenkundig schöner, in die pandemischen Gesänge einzusteigen als der Welt den Spiegel hinzuhalten. Und so werden wir in der Rückschau einen gewaltigen Berg hochgradig eitler, selbstgefälliger, angstschürender, unsachlicher, falscher und nicht dokumentierter „Berichte“ lesen können und uns dann fragen, welche Wirkung sie auf die Ereignisse hatten.

Und damit auch noch die letzte Ecke der kommunikativen Freiheit gesäubert werden konnte, wurden sogenannte „Faktenchecker“ beauftragt, auch noch dort zu verunglimpfen, wo Menschen die letzte Enklave des Austauschs nutzten: Im Internet. Natürlich gibt es dort unfassbar viel Idiotie, Verschwörungstheorien und dümmliche politische Ansätze. Es ist aber auch der Ort der Recherche in wissenschaftlichen Foren und Datenbanken und der letzte Ort der Meinungsfreiheit. Schließlich wurde die Versammlungsfreiheit ausgeschaltet und die Presse ließ keine abweichenden Meinungen oder Fakten zu. Die Arbeit der vorgeblichen „Faktenchecker“ wie correctiv richtete sich aber gezielt gegen jene Informationsquellen, die auf der Basis von Sachargumenten darauf hinwiesen, dass die Maßnahmen der Regierungen möglicherweise nicht angemessen seien, weil die Gefahren falsch eingeschätzt wurden. Im Fokus standen immer jene, die besonders kluge und sachgerechte Anmerkungen machten und über den entsprechenden wissenschaftlichen Hintergrund verfügten. So machten sich die „Faktenchecker“ zu einer Art „Wahrheitsministerium“ im Internet. Dies auch im Auftrag von Facebook und anderen mehr.

Die Idee, Fake-News aufzudecken, ist an sich eine sehr gute. Nur müssten die Anforderungen an die „Entlarver der Unwahrheiten“ erheblich über jedem anderen Standard liegen, weil sie für sich etwas beanspruchen, das nur schwer erreicht werden kann: Den Besitz der Wahrheit. In zwei Aspekten haben die selbsternannten und fremdbeauftragten Faktenchecker wie correctiv dann allerdings immer wieder schwere Nachlässigkeiten begangen. Die erste: Wer andere der Unwahrheit bezichtigt, kommt nicht umhin, seine Behauptung beweisen zu müssen. Wenn also eine nicht wissenschaftlich ausgebildete Faktencheckerin von correctiv erfahrenen Epidemiologen, Fachärzten, Statistikern und anderen mehr Unwahrheiten attestieren möchte, sollte sie die journalistische Sorgfalt an den Tag legen, die hier geboten ist. Ein guter Journalist sucht das Gespräch und analysiert dann die zusammengetragenen Informationen. Einerseits sind also die kritisierten Wissenschaftler erst direkt anzusprechen und mit den Entgegnungen zu konfrontieren. Damit würde sich die Faktencheckerin selbst auch die Chance zu geben, die Position des anderen nachzuvollziehen und die eigene Bewertung zu korrigieren oder zu ergänzen. Andererseits muss der „Besserwisser“ die Quellen des „Ertappten“ detailliert analysieren und auf ihre Konsistenz hin überprüfen. Und schließlich sind belastbare Belege für die eigene Position beizubringen, anhand derer sich wiederum die „wahrheitsnahe“ Gegenbehauptung überprüfen lässt. Nur durch die Gegenüberstellung der Aussagen und das Sammeln und Belegen der Fakten entsteht Transparenz und schafft man die Voraussetzungen, um sich eine Meinung auf der Basis von substanziell geprüften Informationen zu bilden.

Das Ministerium für Wahrheiten

Den Selbstverpflichtungen von correcitv blieb das Unternehmen in weiten Teilen untreu, denn es liefert in seinen Faktenchecks selbst oftmals keine belastbaren Materialien, die die Zweifel begründen können. In der nunmehr möglichen Rückschau auf die „Faktenchecks“, mit denen correctiv sich in den ersten Corona-Wochen der Besserwisserei gerühmt hat, zeigt sich, dass die Einwände von correctiv überwiegend falsch waren und die diffamierten Wissenschaftler überwiegend richtig lagen. correctiv macht im Übrigen die gleichen Fehler wie die Autoren der meisten Verlage: Sie hinterfragen nicht die Grundlagen der statistischen Bewertungen und die Qualität der erfassten Daten. Auch der bekannte Arzt Dr. Michael Spitzbart musste sich von der correctiv-Wahrheitspolizei maßregeln lassen. Die Entgegnungen auf die Aussagen von Spitzbart brachen in der Folge der Entwicklung überwiegend zusammen. Er hatte bestritten, dass SARS-CoV-2 die alleinige Ursache für die hohen Todesfallzahlen in Norditalien sei und führte auch andere Ursachen an. Ebenso hatte er hinsichtlich der Mortalität ziemlich genau jene Zahlen genannt, die sich dann im Laufe der Entwicklung auch bewahrheiteten. Problematisch an der Arbeit der „Wahrheitspolizei“ ist, dass sie im Nachhinein keine Korrekturen an der eigenen Darstellung vornimmt.

Mit dem Koma, in das Merkel und Spahn unser Land versetzten, endete auch der demokratische Diskurs. Es war Schluss mit der Suche nach der besten Lösung, nach dem Wettbewerb der Ideen, nach einem Konsens der Bewertungen. Es gab plötzlich eine Zentralmacht, die – ohne sich erneut die demokratische Legitimation von den Parlamenten abzuholen (Bundestag und Bundesrat) – weiterregiert und dabei auf ein eigens ausgewähltes Meinungskonsortium zurückgreift, mit dem die Regierungsentscheidungen entwickelt wurden. Der Bürger wurde ein- und zugleich ausgeschlossen, ebenso die Parlamentarier ihrer Rechte beraubt. Die Parteien verstummten mit den Parlamenten. Keine Abgeordneten waren da, um die Freiheit zu verteidigen oder das Grundgesetz oder die Alten oder die Kinder. Plötzlich gab es nur noch ein Richtig. Ein Lied der Wahrheit. Das kam aus Berlin, es wurde in den Bundesländern nachgesungen und in den Kommunen zum Teil mit Polizeigewalt durchgesetzt.

Man durfte plötzlich nicht am Deich langgehen, auf einer Parkbank sitzen, Sport machen, arbeiten, Mutter im Heim besuchen, Freunde besuchen, Einkaufen, überm Gartenzaun hängen und ein Bier zischen, musste Abstand halten, Sitz, Platz, Maske! Wir wurden von „guten“ Mitbürgern angeschnauzt, die überreizt waren und dachten, man hätte in ihre Richtung geatmet. Die Polizei wurde benachrichtigt, wenn drei Jungs auf dem Dorfplatz ein Bier tranken oder die Freunde aus Brandenburg zum Wochenendbesuch vorbeischauten. Das verhängte Kriegsrecht erzeugte eine Totalität, in der unsere Freunde, Nachbarn, Brüder und Onkel bei der Polizei plötzlich Dinge tun mussten, die wir nur aus dem Fernsehen in Berichten über totalitäre Staaten kannten. „Sie können hier nicht stehen!“ „Sie können hier nicht sitzen!“ „Sie sind zu dicht beieinander!“ Wir erleben zehntausendfache Ordnungswidrigkeits- und Strafverfahren gegen die Mitmenschlichkeit. Wir opfern unser Vertrauen in die Welt und in unser Gegenüber, weil die Regierung beschlossen hat, die aus Sicht der Regierung richtigen Maßnahmen nur durchsetzen zu können, wenn die gesamte Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt wurde.

BMI-Papier offenbart: Der Staat verbreitet Angst und Schrecken

Angst und Schrecken waren das erklärte Ziel der Regierung, wie aus einer Verschlusssache des Bundesministeriums des Inneren hervorgeht. Basierend auf Modellrechnungen des RKI-Mitarbeiters Matthias an der Heiden et al. wurde ein Szenario entworfen, bei dem bis zu über 1.000.000 Menschen in Deutschland den Tod finden könnten. Schaut man in die Modellrechnung von an der Heiden, zeigt sich, dass seine Annahmen bei der Formulierung der Risikoberechnung bereits überholt waren, als er die Modellierung vornahm. Er rechnete mit einem viel höheren Ansteckungsfaktor als es die echten Zahlen hergaben. Dennoch ließ die Bundesregierung das Maßnahmenpaket vom Stapel und damit auch die Kommunikationsstrategie, deren Kern sich in Sätzen wie diesem wiederfindet: „Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden: 1) Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen, und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause….“ Es sollten dramatische Bilder sein. Die Menschen im ganzen Land sollten in Angst und Schrecken verfallen, damit sie klaglos die umfassende Zerstörung ihrer Normalität und den Verlust an Grundrechten hinnehmen würden.

Die Menschen sollten mit Angst gefügig gemacht werden. In der Modellierung durch an der Heiden ging der Autor von Folgendem aus: „Wir nehmen für diese Modellierung eine Basisreproduktionsrate R0 = 2 an.“ Die vom RKI wenige Tage vor dem Modellierungszeitraum gemeldete Reproduktionsrate lag zu diesem Zeitpunkt schon unter 1. Seine Schlussfolgerungen erwiesen sich sämtlich als falsch. Selbst bei einem günstigen Verlauf lagen seine Prognosen für Infektionen und Todesfälle in unerreichbaren Höhen von 200.000. Hier zeigt sich die Perversion der Modellrechnungen. Sie werden zur Grundlage von Verfügungen, die geeignet sind, ganze Gesellschaften sozial und wirtschaftlich zu ruinieren. Gleichzeitig wird die Erfahrung zahlloser Wissenschaftler ignoriert und den absurden Ergebnissen der Rechenspiele mehr Glauben geschenkt, als der Evidenz der Wirklichkeit. Nie hat sich die scherzhafte Informatiker-Weisheit mehr bewahrheitet als in der Corona-Vorhersage: Garbage in – garbage out. Die falschen Annahmen und damit Rechenwerte führten zu den falschen Ergebnissen.

Die Manipulatoren in der Corona-Krise hatten zurecht erkannt, dass bei vernunftgetragener Betrachtung der Daten, Fakten und Ereignisse nur einige wenige Menschen im Lande bereit gewesen wären, die Maßnahmen der Regierung zu dulden. Zur Erinnerung: Bereits Mitte März war klar, dass sich die Prognosen der Pandemiker nicht bewahrheiteten. Die Verdopplungszeit der Infektionen und die Reproduktionszahl lagen vielfach günstiger als es Kanzlerin Merkel für eine Aufhebung des Lockdowns festgelegt hatte. Die Entwicklung der Pandemie lieferte nicht die Begründung für die beschlossenen Maßnahmen und so waren diese im Verfassungssinn unverhältnismäßig. Das erkannten in diesen Tagen auch erste Verfassungsgerichte. Das Urteil des Saarländischen Verfassungsgericht ist ermutigend, bezieht es doch die tatsächlichen Ereignisse und Entwicklungen in die Bewertung der Grundrechtseinschränkungen mit ein und attestiert den Maßnahmen eine Verfassungswidrigkeit. Nachdem nun klar wird, dass die Pandemie nicht annähernd die Ausmaße annehmen wird, welche Grundlage der Maßnahmen sein sollten, beginnen die Gerichte damit, die Begründungen der Eingriffe in die Grundrechte zu überprüfen. Zuvor war die Allmacht der Unabsehbarkeit offenbar für die meisten Verfassungsjuristen ein Prüfungshindernis. Eilanträge beim Bundesverfassungsgericht wurden durchweg abgewiesen. Schon Anfang Mai zeigte sich in der Rückschau, dass nahezu alle Begründungen der Verfassungsbeschwerden zutreffend waren, weil keine Gefahr bestand.

In der Not der in Deutschland ausbleibenden besonderen Situation im Hinblick auf SARS-CoV-2, verwiesen Politik und Medien mantraartig auf Hotspots im Ausland: „Wollt Ihr diese Zustände auch bei uns?“ Angesichts der schlechten Datenlage und der großen Unterschiede der Meldesysteme, erweisen sich diese Vergleiche als unsinnig. Dies insbesondere, weil schon vor Einführung der Corona-Reglementierungen in Deutschland die Ausbreitung rückläufig war – wie es die vielfach kritisierten Experten außerhalb der Corona-Notstandsregierung vorhergesagt hatten. SARS-CoV-2 verhielt sich in seinem Ausbreitungsverhalten wie jeder andere Corona-Typ. Und ob und wie SARS-CoV-2 Menschen krank macht und tötet, ist bis heute nicht bekannt. Auch das RKI hat keine Informationen darüber, was der Erreger im menschlichen Körper anrichtet. Auf unsere Anfrage hin verwies uns das RKI an das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg, namentlich an Herrn Prof. Püschel, Chefarzt der Pathologie am UKE. Seine Befunde sind eindeutig und wurden wiederholt von ihm auf Anfrage bestätigt: Die von ihm obduzierten Menschen waren in überwiegender Zahl moribund – das heißt, sie befanden sich in der präfinalen Phase ihres Lebens. Ob und inwieweit ein Infekt mit SARS-CoV-2 hier den Tod früher eintreten lässt, wird noch überprüft. Fest steht nach Auffassung der Pathologen, die Leichenöffnungen bei Verstorbenen positiv getesteten vorgenommen haben: SARS-CoV-2 tötet keine gesunden Menschen.

Als die Zahlen des RKI belegten, dass die Ausbreitung des Erregers schon vor Einführung der reglementierenden Maßnahmen deutlich zurückgingen, war die Antwort auf diese Tatsachen nicht das Überdenken des Lockdowns, sondern die Behauptung, dass die positive Entwicklung die Folge des freiwilligen social distancings und des Verbotes von Großveranstaltungen sei. Das Ausmaß des freiwilligen Abstandhaltens ist nicht messbar. Die Behauptung, der Verzicht auf Konzerte und Partys habe die Epidemie beendet, ist mindestens kurios. Denn zum einen würde es dann ja offenbar reichen, einfache Hygiene und Rücksicht sowie den Verzicht auf große Menschenansammlungen als ausklingende Maßnahmen jetzt festzulegen – so wie es die Schweden taten, die sogar Veranstaltungen mit bis zu 50 Personen zuließen. Doch selbst diese Maßnahmen scheinen unsinnig, wenn man sich vor Augen hält, dass in jeder Phase der Corona-Krise nur Vorerkrankte und Sterbende betroffen waren. Diese haben vermutlich keine Rockkonzerte oder Raves besucht. Ebensowenig werden sie in großer Zahl von infizierten Fußball- oder Rockfans angesteckt worden sein. Die Erfahrungen der letzten Wochen – insbesondere aus Norditalien und New York legen den Schluss nah, dass die SARS-CoV-2 Ausbreitung vor allem in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen besonders hoch ist. Auch Prof. John Ioannidis von der Standford University sagt, dass „Krankenhäuser nicht der richtige Ort sind, um den Krieg gegen einen Erreger zu führen.“ Wer mit Erkältungssymptomen in die Notaufnahme gehe, stecke dort unweigerlich das medizinische Personal an. Und da in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen vornehmlich kranke Menschen anzutreffen sind, kann ein Erreger, der für gesunde Menschen harmlos ist, möglicherweise den Krankheits- oder Sterbeverlauf beeinflussen.

Im Strategiepapier des Bundesinnenministeriums, dessen Grundannahmen bereits kurz nach seiner Erstellung als falsch erweisen, findet sich eine groteske Formel. Sie lautet: 2019 = 1919 + 1929. „Man braucht sich nur die oben dargestellten Zahlen zu veranschaulichen bezüglich der anzunehmenden Sterblichkeitsrate (mehr als 1% bei optimaler Gesundheitsversorgung, also weit über 3% durch Überlastung bei Durchseuchung), im Vergleich zu 2% bei der Spanischen Grippe, und bezüglich der zu erwartenden Wirtschaftskrise bei Scheitern der Eindämmung, dann wird diese Formel jedem einleuchten.“    

Diese Prognosen sind in jeder Hinsicht falsch gewesen. Die Sterblichkeitsrate liegt derzeit bei Werten, wie wir sie von anderen saisonalen Epidemien und Pandemien kennen. Das Wissen um die tatsächlichen Sterblichkeitsraten war schon im März verfügbar. Trotzdem hat die Bundesregierung den Seuchennotstand ausgerufen. Da eben nicht die gesundheitlichen Folgen der Spanischen Grippe zu erwarten sind, sondern, über das Gesamtjahr betrachtet, eine normale Sterb lichkeit vorliegen wird, bleibt von der perversen Formel nur noch 1929 übrig. Anders als 1929 ist die heutige Wirtschaftskrise nicht die Folge eines Börsencrashes. Sie wurde verursacht durch die Bundesregierung, die Landesregierungen und ihre Berater, die im Angesicht der erwarteten Pandemie Gesellschaft und Wirtschaft zum Stillstand brachten und gleichzeitig an die Wand fuhren.

Manipulation: moralische Maulkörbe und intellektuelle Denkverbote

Weil vornehmlich schwer kranke und sehr alte Menschen möglicherweise unter einem Infekt leiden würden (wie das jedes Jahr mit allen Erkältungsviren und auch Bakterien der Fall ist), wurde die Diskussion gezielt auf die vermeintliche Abwägung zweier Güter gerichtet: Das Leben der Alten gegen die „Wirtschaft“. Damit konnte die Diskussion von Lockerungsforderungen unterbunden werden. Wer schließlich die „Menschen verachtende“ Position vertrat, dass der Erreger für 99,5 % der Gesellschaft ungefährlich sei und wir deshalb die Risikogruppen schützen und den Lockdown beenden sollten, wollte ja in Kauf nehmen, dass die Alten alle sterben. Er erlitt einen Shitstorm, wurde augenblicklich zum Mörder, fand sich in die Nazi-Ecke getrieben und musste sich schwere Vorwürfe hinsichtlich seiner ethischen Grundhaltung machen lassen.

Leben und Wirtschaft sind eben nicht gegeneinander abzuwägen. Dem entgegnete bereits Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble mit einem Hinweis darauf, dass das höchste Gut die Würde des Menschen sei. Der Coup, die Diskussion mit einem Totschlagargument zu beenden, gelang trotzdem. Dabei geht es hier um eine ganz andere Güterabwägung. „Wirtschaft“ (s. oben) sind eben nicht das böse Kapital oder die Konzerne. Wirtschaft ist die Vernetzung der Millionen Menschen in der Erwerbstätigkeit, die der Schaffung ihrer Lebensgrundlage dient und zugleich als Tätigkeit sinnstiftend ist. Die Zerstörung von Wirtschaft hat immer soziale, ökonomische und gesundheitliche Folgen. Nach validierten Untersuchungen führt eine Steigerung der Arbeitslosigkeit um 1 % zu einem Zuwachs von 1 % bei den Selbsttötungen. In der letzten Woche gingen Statistiker davon aus, dass in den USA 25.000.000 Arbeitslose zu erwarten seien, weltweit 250.000.000. Wenn dies geschähe, würden wir eine Zunahme bei den Selbsttötungen in großer Zahl verzeichnen müssen.

Die Heuchelei der Pandemiker: „Lass nicht die Alten Sterben!“

Das medial verordnete Verbot der Diskussion über das Rechtsgut Leben hatte keine ethische Grundlage. Es ging nur darum, zu verhindern, dass bei einer niedrigen Fallzahl die Notwendigkeit der Maßnahmen in Frage gestellt würde. So steht es im Strategiepapier des Bundesinnenministeriums: „Wir müssen wegkommen von einer Kommunikation, die auf die Fallsterblichkeitsrate zentriert ist. Bei einer prozentual unerheblich klingenden Fallsterblichkeitsrate, die vor allem die Älteren betrifft, denken sich viele dann unbewusst und uneingestanden: „Naja, so werden wir die Alten los, die unsere Wirtschaft nach unten ziehen, wir sind sowieso schon zu viele auf der Erde, und mit ein bisschen Glück erbe ich so schon ein bisschen früher“. Diese Mechanismen haben in der Vergangenheit sicher zur Verharmlosung der Epidemie beigetragen.“

Auch hier irren die Autoren. Die Unterstellung einer solchen Haltung der Menschen zu ihren älteren Mitbürgern und Verwandten belegt eher die fragwürdige Selbstwahrnehmung der Autoren als die Haltung in der Bevölkerung. Halten wir uns vor Augen und lassen wir es einfach mal zu, diesen Satz wirken zu lassen: Es sterben immer hochbetagte und schwerkranke Menschen. Immer, jeden Tag, jede Woche, jeden Monat, jedes Jahr. In den letzten 15 Jahren waren das in Deutschland rund 14.000.000 Menschen. Auch in der Corona-Krise sterben nach wie vor die hochbetagten und schwerkranken Menschen, also jene Menschen, deren Leben bereits in die terminale Phase eingetreten ist – natürlich ergänzt um Opfer von Straftaten und Unfällen.

Die Behauptung, ohne Lockdown würden wir in großer Zahl die älteren Menschen dem Tode überantworten, ist falsch. Ebenso wie die Behauptung, dass die Kapazitäten unseres Gesundheitssystems nicht ausreichen könnten, um mit einer vorübergehenden Erhöhung der Zahl der Erkrankten fertig zu werden. Die verfügbaren Zahlen des DIVI Intensivregisters (Im DIVI-Intensivregister melden alle Krankenhaus-Standorte in Deutschland, die intensivmedizinische Behandlungskapazitäten vorhalten, differenziert in low-care, high-care und ECMO Versorgung, ihre Kapazitäten). sprechen hier eine eindeutige Sprache – und das schon seit Mitte März.

Die Diskussion um die Güterabwägung ist substanziell hypokritisch. Die Heuchelei liegt darin begründet, dass wir als Gesellschaft permanent darüber entscheiden, wer leben oder sterben soll, welche Toten wir akzeptieren, welche nicht. Nehmen wir die 9.000.000 Hungertoten, die jedes Jahr zu beklagen sind. Wir könnten sie mit Wasser und Brot und ein wenig Bildung retten. Tun wir nicht. Denken wir an die zehntausenden Menschen, die vor den Küsten Europas ertrinken oder in den Lagern dahin vegetieren. Wir könnten sie retten, sie ausbilden und ihnen ermöglichen, ein wenig Bildung und Einkommen in ihre Länder zu transferieren. Tun wir nicht. Stattdessen profitieren wir nach wie vor davon, dass in anderen Ländern Menschen unter unwürdigen und krankmachenden Bedingungen unsere Kleidung herstellen oder die Rohstoffe für unseren hippen E-Autos aus der Erde holen. Wir haben hunderttausende Tote in unserem Land und akzeptieren sie als sozialadäquat – als unentrinnbare Folgen der Entscheidung der Gesellschaft für oder gegen ein Tun oder eine Technologie. Beispielsweise die 3.000-4.000 Toten im Straßenverkehr, die 74.000 Alkoholtoten, die Unfalltoten durch risikoreiche Sportarten, die Toten durch ärztliche Kunstfehler, die durch in Kliniken erworbene Infektionen etc. und natürlich in noch höherem Maß die Zahl der Verletzten und Erkrankten, die millionenfach die Krankenhäuser und Arztpraxen besuchen.

Wir lassen Abermillionen Menschen sterben, die nicht sterben müssten und betrachten das Geschehen mit Gleichgültigkeit. Aber wir lassen uns in der Corona-Krise einen vermeintlich ethischen Maulkorb umbinden. Ja, jeder Verlust ist schlimm. Und jede Stunde mehr mit Oma oder Opa ist ein Gewinn. Aber wenn ein alter oder kranker Mensch schon mit dem Tode ringt, ist es nicht der Egoismus der jungen Generationen, der die Alten tötet. Es sind das Alter und die Krankheit. Die Diskussion hier bewusst zu manipulieren, hatte nur den einen und einzigen Zweck, die Bevölkerungsmehrheit auch bei minimalen Sterblichkeitsraten zu disziplinieren.

Eine ähnliche Funktion hat die „Alltagsmaske“ – deren Unwirksamkeit vielfach beschrieben ist und die im Kern nur einem Zweck dient, welchen die Notstandsregierung und ihre Berater unverhohlen offenbarten. Das Magazin Fokus schrieb in einem Artikel über die Positionen von Prof. Drosten zur Verwendung der Masken: „Dabei gibt es in der Forschungsliteratur „keine oder fast keine Evidenz“, dass ein Mundschutz tatsächlich wirksam vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützt. (…) Zudem könne diese Maske noch einen zweiten psychologischen Effekt haben – nämlich den einer Selbstdisziplinierung. Man werde ständig an die Gefahr einer Ansteckung erinnert und verhindert somit, dass man sich unbewusst auch weiterhin ins Gesicht fasst, die Augen reibt oder den Mund berührt. Jedoch müsse man gleichzeitig aufpassen, dass man durch den vermeintlichen Schutz nicht zu sorglos wird und andere Hygiene-Maßnahmen wie das Händewaschen schleifen lässt.“

Sitz, Platz, Maske! Nutzlos – aber als Angstfaktor wirkungsvoll

Trotz überwiegender Nutzlosigkeit wurde die Maskenpflicht erlassen. Der Kassenärztliche Bundesverband KBV wies am 30.04. auf die Problematik im Umgang mit den Masken hin und auch auf den Umstand, dass ihr Nutzen wenn überhaupt nur begrenzt sei, sich aber bei der festzustellenden Verwendung durch die Bevölkerung als völlig illusorisch erweist. Ebenso wurde darauf verwiesen, dass die meisten Stoffe nicht für einen Mund-Nasen-Schutz geeignet seien. Was also ist die Maske? Sie ist in vielfacher Weise das Symbol der Unterwerfung unter die Verfügungen der Notstandsregierung. Wer sie nicht trägt, ist ein sichtbarer Abweichler und wird bestraft. Nochmal ganz deutlich zur Fakten- und Rechtslage: Wenn ich eine völlig, komplett und total ungeeignete und vollgerotzte Maske oder einen Seidenschal als Mund-Nasenschutz trage, verhalte ich mich korrekt. Wenn ich auf meine Hygiene achte und Abstand halte, aber keine Maske trage, werde ich vom Staat verfolgt. Behalten wir im Hinterkopf, dass wir derzeit (Anfang Mai) ein nahezu vollständiges Abklingen der Verbreitung von SARS-CoV-2 verzeichnen. Wenn uns dann noch Menschen im Auto oder auf dem Fahrrad am Deich mit einer Maske begegnen, wird klar, was die Corona-Krise in den Köpfen der Menschen angerichtet hat. Was das in den Köpfen und Seelen der Kinder ausgelöst hat, ist kaum zu erahnen. Sie erleben die Welt als Ort der Unsicherheit, die Eltern als beunruhigte Fürsorger und lernen, dass in der Welt Dinge auf sie lauern, die sie selbst töten können oder noch schlimmer, die sie zu den Mördern von Oma und Opa machen.

Derweil sitzen Oma und Opa in ihrer Residenz oder liegen im Pflegeheim, können weder Kinder noch Enkel sehen. Dafür sehen sie sich der größten Infektionsgefahr ausgesetzt, die eben nicht von den Angehörigen kommt, sondern von Pflegepersonal und Ärzten. Nirgends sonst ist die Infektionsquote so hoch wie in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Das liegt in der Natur dieser Orte, nicht an der Schlamperei der Beschäftigten. Wird ein Pfleger positiv getestet, müssen alle Beschäftigten in Quarantäne. Ersatzpersonal gibt es nicht und die schwereren Pflegefälle werden in Krankenhäuser gebracht, wo es ja derzeit ausreichende Kapazitäten gibt. Die Pflegeethik Initiative Deutschland e.V. appellierte an die Bundesregierung die Besuchsregelung zu lockern, weil die Menschen in den Einrichtungen furchtbar zu leiden hatten.

„Die der Bevölkerung vorgeführten Szenarien, ja die gesamte Zahlenstatistik beruht auf der Annahme, dass ein bestimmter Prozentsatz der Erkrankten am Ende auf einer Intensivstation liegen wird und beatmet werden muss. Dabei wird nicht bedacht, dass bei den überwiegend betroffenen, alten und kranken Menschen, allenfalls eine palliative Behandlung angezeigt wäre. Die Vorstellung, dass Menschen, die mehr tot als lebendig, oft jahrelang dahinsiechen, auf Intensivstationen vor dem Versterben an einer Pneumonie gerettet werden sollen, ist doch völlig absurd und auch aus ethischer Sicht nicht vertretbar. Inzwischen häufen sich sogar Meldungen, in denen Intensivmediziner auf die Gefahren der Beatmung hinweisen. Ältere Menschen, die eine Beatmung ablehnten, hatten in einer Klinik bessere Überlebenschancen als diejenigen, die beatmet wurden.“  

Doch war die Regierung nicht zu erweichen. Unsere älteren Mitmenschen sterben weiter allein in ihrer Einrichtung. Die zentrale Forderung der Pflege-Ethiker gilt nach wie vor: „Das Gebot der Menschlichkeit. Jeder Mensch muss das Recht haben, einem kranken oder gar sterbenden Angehörigen beizustehen und sich von diesem zu verabschieden. Einem Kranken/Sterbenden, sowie dessen nächsten Angehörigen diese so wichtige Nähe zu verwehren, ist unmenschlich.“

Die umfassende Unmenschlichkeit der Corona-Maßnahmen wird sich erst in den kommenden Monaten in ihrer Gänze zeigen. Wenn wir belastbare Zahlen zu Gewalttaten im häuslichen Umfeld haben, wenn die Suizidraten erfasst werden, wenn die langfristigen Folgen der Arbeitslosigkeit und Volksverarmung sichtbar werden, wenn das Ausmaß des psychischen Traumas registriert wird, das Millionen Menschen betrifft.

Eine Zahl wird uns alle sicher besonders treffen: Die erhöhte Sterblichkeit an chronischen und akuten Erkrankungen, die nichts mit einer saisonalen Infektionswelle zu tun haben. Die eigentliche „zweite Welle“, vor der wir gewarnt wurden, weil die erste Welle nicht eingetreten war, wird uns mit ganz anderen Krankheitsbildern „überraschen“.

Die zweite Welle wird furchtbar werden!

Auf ihrer Pressekonferenz vom 30. April wiesen der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV Dr. Andreas Gassen und sein Stellvertreter Dr. Stephan Hofmeister auf das mögliche Szenario im Herbst hin. Ende April waren die Krankenhäuser in Deutschland leer und immer weniger Patienten besuchten die Praxen der niedergelassenen Ärzte. Die Corona-Angst hielt sie davon ab, auch notwendige Untersuchungen und Therapien vornehmen zu lassen. Die Folgen dieser Vermeidung gesundheitlich notwendiger Maßnahmen können sich schon in den kommenden Monaten rächen.

Um die Risiken zu verstehen, welche die KBV sieht, muss man sich die Dimensionen vor Augen führen. Anfang Mai waren 40.000 Menschen in Deutschland SARS-CoV-2 positiv getestet, eine unbekannte Anzahl von ihnen erkrankt. Von diesen wurden 1.979 intensiv behandelt, knapp 1.400 beatmet. Gleichzeitig leiden in Deutschland 2.100.000 Menschen unter der Atemwegserkrankung COPD, 2.500.000 Menschen unter Herzinsuffizienz, 7.000.000 Menschen unter Diabetes Mellitus und 19.000.000 Menschen unter Bluthochdruck. Bei allen diesen Erkrankungen ist ein gutes Monitoring sowie eine genaue medikamentöse Einstellung der Patienten unerlässlich – auch um schwere Verläufe und Komplikationen zu vermeiden, die zum Teil irreversible Schäden und auch Todesfolgen haben können.  

Allein diese über 30.000.000 chronisch kranken Menschen werden in großer Zahl aufgrund unterlassener Arzt- und Klinikbesuche erkranken, zahlreiche werden sterben. Schon im April zeigten Statistiken aus England eine Übersterblichkeit (Übersterblichkeit: die erhöhte Zahl von Sterbefällen während einer bestimmten Zeitspanne, verglichen mit der zur selben Jahreszeit normalerweise erwarteten) bei Krankheiten, die nicht mit COVID19 assoziiert sind. Eine Studie in Österreich wies nach, dass sich immer weniger Menschen mit akuten Herzerkrankungen in Kliniken und bei den niedergelassenen Ärzten vorstellten. Auch in Deutschland gehen die Zahlen von Herzinfarkten und Schlaganfällen scheinbar zurück. Es gibt aber nicht plötzlich weniger Fälle. Die Menschen gehen nur nicht zum Arzt. Die KBV-Vorsitzenden sind besorgt: Bei vielen akuten Erkrankungen ist die sofortige Erkennung und Behandlung angezeigt. Herzinfarkte und Schlaganfälle gehören dazu. Aber auch das Verschieben von notwendigen Untersuchungen, Operationen und Therapien wird die Zahl der Todesfälle, die im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Saison auftreten könnten um ein Vielfaches übersteigen. Geschwüre, die in Anfangsstadien erkannt werden könnten und leicht zu entfernen sind, können sich Wochen und Monate später zu Karzinomen auswachsen. Aus einer Bagatellerkrankung wird ein potenziell tödlicher Verlauf. Nach der Corona-Krise, so die Sorge der KBV, könnten die Gesundheitseinrichtungen überfüllt sein, weil immer mehr akute Fälle und Komplikationen auftreten und überdies das Versäumte nachgeholt werden muss. Dann hätte die Corona-Panik die Voraussetzungen dafür geschaffen, was vermieden werden sollte: Das Gesundheitssystem zu überlasten.

Abgerechnet wird zum Schluss!

Wie bei jedem Ereignis von enormer historischer, sozialer und wirtschaftlicher Tragweite, wird im Rückblick festzustellen sein, „wie es denn nun wirklich war“. Ob sich daran die Journalisten beteiligen werden, die maßgeblich die Entwicklung mitbestimmt haben und noch immer mitbestimmen, scheint fraglich. Es werden vermutlich Juristen, Wissenschaftler und zivile Organisationen sein, die die Fakten sortieren, die entscheidenden Irrtümer herausarbeiten und Verantwortlichkeiten benennen. Abgerechnet wird zum Schluss.  
 
Das wird auch die Dimensionen der angerichteten Schäden betreffen: Eine traumatisierte Gesellschaft, eine zerstörte Wirtschaft und der Verlust des Vertrauens in die Demokratie werden zu bewerten sein. Die reinen Kosten in Euro und Cent sind im Moment nicht abzuschätzen. Die Summen, die derzeit im Raum stehen, übersteigen jedes Vorstellungsvermögen. Wir werden also abwarten und in den kommenden Jahren nachrechnen, was uns diese Monate gekostet haben werden. Die Corona-Krise wirft viele Fragen auf. Die nach dem Schutz der Verfassung vor dem staatlichen Eingriff und die der Haftung von Politikern, die innerhalb weniger Wochen das Volk um seine Rechte, seine Gesundheit und seinen Wohlstand gebracht haben. Es werden auch die Gesetzgebungswünsche von Gesundheitsminister Spahn unter die Lupe zu nehmen sein, die weitreichende Ermächtigungen des Gesundheitsministeriums und viele Drangsalierungen der Menschen ermöglichen sollen. Auch eine Diskussion über die Politikerhaftung könnte durch die Corona-Krise neuen Auftrieb erhalten.

Bundestagsabgeordnete und damit auch die aus ihren Reihen ernannten Regierungsmitglieder sind durch den Artikel 38 vor Haftungsrisiken geschützt. Sie können also Milliarden und Billionen Euro aus dem Volksvermögen pulverisieren und müssen sich um die eigene Altersvorsorge oder das eigene Vermögen oder gar die juristische Verfolgung keine Gedanken machen. Zu den Juristen, die das ändern wollen, zählt Carlos A. Gebauer. Seine Idee ist einfach aber überzeugend. Er möchte die Haftungsregeln, die schon heute für Vorstände großer Unternehmen gelten, auch für politische Mandatsträger anwenden. Dies nicht, um die Politiker in Not und Armut zu treiben.

Wer soll das bezahlen?

Das Haftungsrecht ist für Gebauer in erster Linie ein Regelungsbereich, der darauf abzielt, dass Verantwortungsträger sich verantwortungsvoll verhalten und auf die Qualität ihrer Entscheidungen achten. „Hinter der Schadensersatzverpflichtung eines jeden Beauftragten verbirgt sich – auf ersten Blick meist übersehen – der wesentliche Kern des Haftpflichtgedankens: Das Prinzip der Qualitätssicherung!“ schreibt Gebauer. „Schadensersatzverpflichtungen schützen nämlich nicht nur repressiv, indem entstandene Schäden ersetzt werden müssen. Sie schützen in weit größerem Ausmaß noch präventiv, indem drohende Schäden erst gar nicht entstehen. Denn jeder, der handelt, verhält sich in diesem Falle schon von vornherein vorsichtiger, sorgfältiger und umsichtiger, weil er sich selbst vor Rückgriffansprüchen schützen will.“

Gebauer hat eine Novellierung des Artikel 38, Absatz 1 des Grundgesetzes vorgeschlagen: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und sie haben bei ihrer Parlamentsarbeit die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Mandatsträgers anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn der Abgeordnete bei einer politischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle des Volkes zu handeln. Abgeordnete, die ihre Pflichten verletzen, sind den Geschädigten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Mandatsträgers angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. Schließt der Abgeordnete eine Versicherung zur Absicherung gegen Risiken aus seiner beruflichen Tätigkeit ab, ist ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen seiner festen jährlichen Abgeordnetendiäten vorzusehen. Für die Dauer seiner Zugehörigkeit zum Bundestag gilt jeder Abgeordnete als Amtsträger im staatshaftungsrechtlichen Sinne.“
 
Wie wären die Ereignisse wohl verlaufen, hätte es solch eine Regelung schon vor „Corona“ gegeben? Mit wie viel Sorgfalt würden die Politiker mit unserem Geld, unserer Natur, unserer Gesellschaft umgehen? Man stelle sich vor – Politiker müssten sich für ihre Handlungen verantworten. Eine schöne Utopie.

HINWEIS:
Ab 15. Mai finden Sie die Quellenübersicht zum Prüfen und Recherchieren hier in der Dokumentation.

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