E-llusion – Per Elektroauto in die Abhängigkeit
Die Automobilbranche befindet sich im Wandel vom Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität. Nach Tesla und den asiatischen Automobilherstellern ziehen aktuell die anderen Produzenten nach. Elektroautos sollen nachhaltiger sein und die Abhängigkeit von Erdöl beenden. Die Akkus schaffen jedoch Probleme, anstatt sie zu lösen: Bei der Produktion wird nicht nur tonnenweise CO2 freigesetzt, es werden auch noch seltene Rohstoffe benötigt. Die gesamte Branche steuert auf eine noch stärkere Rohstoff-Abhängigkeit zu: In den Akkus werden Lithium und Kobalt verbaut, die auf dem Markt weitaus umkämpfter sind als Erdöl.
Die deutsche Autobranche hängt nahezu vollständig am Verbrennungsmotor. Ein Blick auf die Anteilseigner zweier großer Automobilhersteller in Deutschland zeigt die Verflechtung mit der Erdölindustrie: Das Emirat Katar hält mit seiner staatlichen Aktiengesellschaft namens Qatar Holding LLC 14,6 % der Anteile an Volkswagen, was 17 % der Stimmanteile entspricht. Im 20-köpfigen Aufsichtsrat des Wolfsburger Konzerns sitzen mit Dr. Hussain Ali Al Abdulla und Dr. Hessa Sultan Al Jaber zwei Vertreter des Staates Katar. Auch Daimler hat im Staat Kuwait seit 1974 einen großen Ankeraktionär am Persischen Golf. Das Emirat hält mit der Kuwait Investment Authority 6,8 % der Anteile am Automobilhersteller aus Stuttgart und stellt mit Bader Mohammad Al Saad seit Anfang letzten Jahres ein Aufsichtsratsmitglied. Mit dem Einsatz von Verbrennungsmotoren stehen und fallen vermutlich auch die Investitionen der Ölstaaten.
Erst der durch die Klimadiskussion entstandene politische Druck hat hierzulande den Anstoß für eine Öffnung gegenüber der Elektromobilität geliefert. Eine vorgegebene Zulassungsquote wie beispielsweise in China gibt es aber noch nicht. Dort wurde bereits eine Quote für Elektroautos eingeführt. Ab 2019 müssen Hersteller, die über 30.000 Autos im Jahr verkaufen, 10 % ihrer Autos mit elektrischem Antrieb ausstatten. Die Europäische Kommission spielt ebenfalls mit dem Gedanken einer gesetzlichen Quote. Derzeit sieht eine EU-Regelung vor, dass die gesamte Fahrzeugflotte eines Herstellers ab 2021 nur noch einen durchschnittlichen CO2-Ausstoß von maximal 95 g/km haben darf. Vor diesem Hintergrund sind sämtliche Automobilhersteller daran gehalten, Elektroautos auf den Markt zu bringen, um ihre Schadstoffbilanzen aufzubessern.
Die Diskussion um CO2 und Stickstoffe in den Abgasen der Verbrennungsmotoren kratzte an ihrem Image. Als umweltfreundliche Vision eines neuen Individualverkehrs wird nun die Elektromobilität angepriesen. „Emissionsfrei fahren: Mit Elektroautos kann diese Vision Realität werden“, wirbt Volkswagen. Bei Renault heißt es: „Fahrspaß ohne Emissionen“. Hyundais Slogan lautet: „Emotion pur. Emission null“. Die gesamte Branche behauptet eine lupenreine Nachhaltigkeit und versucht, die fatalen Umweltauswirkungen der Produktion unter den Teppich zu kehren. Dabei sind diese offensichtlich.
Elektroautos werden mit Lithium-Ionen-Akkumulatoren betrieben. Wie eine Untersuchung des schwedischen Umweltforschungsinstituts (IVL) ergab, entstehen bei der Produktion einer Kilowattstunde (kWh) in etwa 150 bis 200 Kilogramm Kohlendioxid. Die gängigen Elektroauto-Modelle sind mit einer Akkukapazität zwischen 30 kWh und 100 kWh ausgestattet. Nimmt man den Mittelwert von 175 Kilogramm pro kWh, werden in der Akkuproduktion für ein Auto zwischen 5,25 und 17,5 Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen. Dabei sind die anderen Produktionsabläufe bis zur Fertigstellung nicht berücksichtigt.
Um diese Zahlen einzuordnen: Der neue Tesla Model S mit 100 kWh verzeichnet alleine für die Akkuherstellung einen CO2-Ausstoß von 17,5 Tonnen. Ein Mittelklassewagen mit Dieselmotor stößt bei einem Verbrauch von 6,8 Litern auf 100 Kilometer nach Angaben der DEKRA 180 g/km aus. Man müsste über 97.000 Kilometer fahren, um auf die Emission zu kommen, die bei der Akkuproduktion für ein Elektroauto entsteht. In Deutschland würde es bei der durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung von knapp 14.000 Kilometern sieben Jahre dauern, bis der Diesel den Ausstoß überschreitet. Sieben Jahre – das entspräche der durchschnittlichen Besitzdauer eines Autos. Die Ökobilanz kann damit nicht aufgebessert werden.
Eine Brücke zur Nachhaltigkeit kann in der E-Mobilität nur mit Hybriden geschlagen werden. In Hybriden wird entweder während der Fahrt durch den Energieüberschuss oder bei Stillstand über einen Stecker (Plug-in-Hybrid) ein kleiner Akku aufgeladen. Im neuen Toyota Prius ist er beispielsweise 8,8 kWh stark. Im reinen Elektromodus kommt man mit einem solchen Akku etwa 50 Kilometer weit. Wenn die Autos im innerstädtischen Nahverkehr vom Verbrennungsmotor auf den Elektrobetrieb umgeschaltet werden, können dadurch die lokalen Emissionswerte verringert werden. Damit ist in Städten emissionsfreies Fahren möglich.
Für den Langstreckeneinsatz sind rein akkubetriebene Fahrzeuge zum einen wegen der geringen Reichweiten ungeeignet, zum anderen wegen der großen Akkus stark umweltschädlich. Trotzdem scheint die Marschroute klar. Die deutschen Automobilhersteller setzen in Zukunft voll auf die akkubetriebenen Elektroautos: Daimler will bis 2022 knapp 10 Modelle auf den Markt bringen, BMW kündigte 25 Modelle bis 2025 an. Volkswagen plant am größten – bis 2025 sollen mehr als 80 Elektroauto-Modelle auf dem Markt sein. Dafür will der Konzern 20 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Die gesamte Entwicklung geschieht unter der Doktrin einer vorgeblichen Nachhaltigkeitsoffensive.
Drohende Rohstoffknappheit und umkämpfte Märkte
Der Trend könnte sich schon bald als E-llusion offenbaren. „Tesla hat kürzlich einen Truck auf den Markt gebracht, bei dem alleine die Akkus neun Tonnen wiegen. Das kann doch nicht unsere Zukunft sein. Man muss bedenken, dass die Rohstoffe für die Herstellung der Akkus endlich sind“, kritisiert Michael Labetzke vom Bremerhavener Verein H2BX. Mehrere Untersuchungen bestätigen Labetzkes Worte. Mangelnde Rohstoffe könnten den Autoherstellern in Kürze zum Verhängnis werden. Eine im Fachmagazin für erneuerbare Energien „Joule“ publizierte amerikanische Studie warnt vor drohenden Engpässen bei der Akkuproduktion, da der Bedarf an Lithium-Ionen-Akkus von 2010 bis 2014 rasant um 73 % wuchs, während die Produktion wegen des begrenzten Rohstoffvorkommens nur um 28 % anstieg. Bei diesem Ungleichgewicht gehen die Forscher von einer Knappheit in bereits 15 Jahren aus.
Auf dem Fluchtweg hinaus aus der Abhängigkeit vom Erdöl steuern die Autohersteller schnurstracks auf eine stärkere Abhängigkeit zu – von Lithium, Kobalt und Seltenen Erden. Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) warnte bereits davor. Wer den Öl-Markt durch die Kontrolle der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) für konzentriert halte, habe sich noch nicht mit Märkten wie dem für Lithium beschäftigt, so DERA-Leiter Peter Buchholz. Ein Blick auf die Statistiken genügt: 70 % des weltweiten Vorkommens liegen allein im sogenannten Lithium-Dreieck zwischen Chile, Argentinien und Bolivien.
Noch problematischer sieht es auf dem Kobalt-Markt aus, wo 60 % des Fördervorkommens in der Demokratischen Republik Kongo generiert werden. Ein Großteil davon wird bereits von den Chinesen beansprucht, die Kobalt für ihre eigene staatliche Elektroauto-Offensive benötigen und sich die langfristige Versorgung gesichert haben. Das hat auch Volkswagen versucht. Die Wolfsburger sollen übereinstimmenden Medienberichten zu Folge vergeblich nach einem Produzenten für einen Großauftrag für 80.000 bis 130.000 Tonnen Kobalt suchen. Ein schwieriges Unterfangen, zumal die Jahresproduktionsmenge 2015 laut einem Bericht der DERA bei 90.000 Tonnen lag. Die Nachfrage soll bis 2025 auf 155.000 Tonnen ansteigen.
Die Rohstofflieferanten halten gegenüber den Autoherstellern die Strippen in den Händen. Das ist sicherlich einer der Gründe dafür, weshalb selbst in den Führungsetagen der Automobilhersteller die Zweifel an der Elektromobilität wachsen. Wie eine anonyme Umfrage der Unternehmensberatung KPMG unter 907 Top-Managern der weltweit größten Konzerne ergab, sind 54 % der Befragten der Meinung, dass die Technologie zum Scheitern verurteilt ist. 78 % von ihnen sehen nicht etwa im Lithium-Ionen-Akku den Energieträger der Zukunft, sondern in Wasserstoff. (sl)
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