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Tödlicher Raubbau – schmutzige Rohstoff-Geschäfte für unsere neuen E-Autos

Tödlicher Raubbau – schmutzige Rohstoff-Geschäfte für unsere neuen E-Autos
Foto: Sasha Lezhnev – Project Enough (CC BY-NC-ND 2.0

Für Elektro- und Brennstoffzellenautos benötigen die Hersteller große Mengen an knappen Ressourcen – allen voran Kobalt, Platin und Lithium. Die Rohstoffe kaufen die Konzerne im Ausland ein. Seinen Anfang nimmt die Lieferkette für Kobalt und Platin in Afrika. Dort graben die Menschen  – unter ihnen auch Kinder – in den Minen unter lebensgefährlichen Bedingungen nach den Rohstoffen. 

In Elektroautos werden aktuell fast ausschließlich Lithium-Ionen-Akkus verbaut. Neben Lithium ist Kobalt dabei einer der wichtigsten Rohstoffe. Kobalt fällt vorwiegend als Nebenprodukt bei der Kupfer- und Nickelproduktion an. Mehr als die Hälfte des weltweit abgebauten Kobalts stammt aus der Demokratischen Republik Kongo. Laut Berechnungen der Deutschen Rohstoffagentur wird sich die Nachfrage bis 2025 um mehr als zwei Drittel auf 155.000 Tonnen erhöhen. Die Minenbetreiber wittern angesichts der steigenden Kobaltpreise – an der Londoner Metallbörse (LME) lag der Preis pro Tonne am 1. Januar 2016 noch unter 24.000 US-Dollar, jetzt steht er bei circa 80.000 – das Geschäft ihres Lebens.

Die Zustände sind katastrophal

Für Sicherheitsstandards ist nach dem Bericht „Time to recharge“ von Amnesty International im Kongo nicht hinlänglich gesorgt, zudem würden viele Minen illegal betrieben. Mit bloßen Händen oder bestenfalls primitiven Werkzeugen graben die Minenarbeiter metertiefe Schächte in die Böden, in denen sie nach Kupfer und Kobalt suchen. In den Schächten ist es eng, dunkel, stickig und gefährlich. Die Zustände sind katastrophal. Nach Angaben von Amnesty International sind allein im Zeitraum zwischen September 2014 und Dezember 2015 mindestens 80 Bergleute bei der Arbeit ums Leben gekommen. Sie wurden schlichtweg in den eingestürzten Schächten begraben.

In den Minen setzen nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder ihr Leben aufs Spiel – bis zu zwölf Stunden täglich, für einen Hungerlohn von ein bis zwei US-Dollar am Tag. UNICEF schätzt die Zahl der Kinderarbeiter im südlichen Katanga, einer Provinz im Süden des Kongos, auf 40.000. Sie machen damit einen Drittel der gesamten Arbeitskräfte in dieser Region aus. Laut Amnesty International und African Resources Watch arbeiten dort sogar schon Kinder im Alter von sieben Jahren. Während die Kinder in Deutschland in diesem Alter in die zweite Klasse kommen, kämpfen ihre Altersgenossen einen erbitterten Überlebenskampf. Nach UNICEF-Angaben sind im Kongo zurzeit 400.000 Kinder vom Hungertod bedroht, 750.000 akut unterernährt. Das Land leidet noch immer unter den Nachwirkungen der drei Kongokriege sowie dem andauernden bewaffneten Konflikt im Ostkongo. 

Mehr Transparenz

Amnesty International nahm die Kobalt-Käufer bereits in die Pflicht. Die Organisation hat 29 Unternehmen auf die Einhaltung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht untersucht. Keine der Firmen erfülle seine Pflicht ausreichend, heißt es im Bericht „Time to recharge“. Die deutschen Hersteller Volkswagen, BMW und Daimler genauso wenig wie Fiat-Chrysler, General Motors, Renault und Tesla. Die Menschenrechtler fordern von den Käufern mehr Transparenz. So soll sichergestellt werden, dass sie ihrer menschenrechtlichen Verantwortung nach den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den Leitsätzen für Minerale der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) nachkommen.

Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte
Diese Leitprinzipien beruhen auf der Anerkennung
• der bestehenden Verpflichtungen der Staaten, die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu achten, zu schützen und zu gewährleisten;
• der Rolle von Wirtschaftsunternehmen als spezialisierte Organe der Gesellschaft, die spezialisierte Aufgaben wahrnehmen, und als solche dem gesamten geltenden Recht Folge zu leisten und dieMenschenrechte zu achten haben; 
• der Notwendigkeit, Rechten und Verpflichtungen im Fall ihrer Verletzung angemessene und wirksame Abhilfemaßnahmen gegenüberzustellen.

Quelle: Auszug auf den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (Global Compact)

Das Massaker von Marikana

Auch in Brennstoffzellen sind seltene Rohstoffe verbaut. Platin ist für die Funktion aktuell der wichtigste Rohstoff und kommt im Auto als Katalysator zum Einsatz. Das Edelmetall ist nicht nur extrem teuer und selten, es wird auch noch unter gefährlichen Bedingungen abgebaut. Mehr als die Hälfte des Platins stammt aus Südafrika. Im August 2012 demonstrierten in Marikana Minenarbeiter des britischen Bergbaukonzerns Lonmin gegen die niedrigen Löhne und die schlechten Arbeitsbedingungen. Der Protest wurde von der Polizei zerschlagen, dabei erschoss sie 34 Bergarbeiter. Lonmin steht seitdem in der Kritik von Amnesty International. Die Menschenrechtsorganisation warf dem Unternehmen im letzten Jahr in ihrem Bericht „Fünf Jahre danach: Keine Gerechtigkeit für Opfer von Marikana“ vor, sich nicht an den Sozial- und Arbeitsplan zu halten. Der Vorwurf fußt auf einer Analyse der South African Human Rights Commission, die feststellte, dass Lonmin von den von 2007 bis 2011 geplanten 5.500 neuen Häusern für Bergleute bis 2012 lediglich drei errichtet hatte. 

Neue Brennstoffzellen ohne Platin
Bislang kommen in den Brennstoffzellenautos ausschließlich platinbasierte Katalysatoren zum Einsatz. Vor zwei Jahren hat eine Forschergruppe unter Beteiligung der Bremer Jacobs University einen Katalysator für Brennstoffzellen entwickelt, der ohne Platin auskommt und in der Produktion wesentlich günstiger ist. Stattdessen ist das Material „Graphen“ enthalten, das aus wabenförmig angeordneten Kohlenstoffatomen besteht. „Es war ein Volltreffer! Die Effizienz unseres Katalysators war sogar noch höher als die eines Platinkatalysators. Und er funktionierte auch noch nach tausend Versuchen“, erklärte der Bremer Chemie-Professor Ulrich Kortz in einer Pressemitteilung. Mit dem Einsatz graphenbasierter Katalysatoren könnte in Zukunft in der Mobilität gänzlich auf Platin verzichtet und damit die Rohstoffproblematik gelöst werden.

Quelle: www.jacobs-university.de

Zu den Kunden von Lonmin zählt auch der deutsche Chemieriese BASF. Trotz des Vorfalls wurden die Geschäftsbeziehungen bislang nicht abgebrochen. Die Kritik an einer Mitschuld am Massaker wies der Konzern Ende 2016 zurück und lehnte Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen der Opfer ab. „BASF ist für die gewaltsame Auseinandersetzung in Marikana weder verantwortlich noch war sie daran beteiligt. Wir sind jedoch auch erfreut, dass die südafrikanische Regierung vor kurzem bekanntgegeben hat, dass sie bereit sei, Entschädigungen an die betroffenen Familien von Marikana zu zahlen“, wird BASF-Manager Dr. Thomas Droege in einem Interview auf der Homepage des Konzerns zitiert. An die OECD-Richtlinien wird sich nicht gehalten, obwohl sich Deutschland als Mitglied dazu verpflichtet hat, dass seine Wirtschaft weder „grausame, unmenschliche und herabwürdige Behandlung“ der Arbeiter hinnimmt noch Kinderarbeit sowie andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen toleriert. Belangt werden können die Unternehmen dafür nicht, denn es handelt sich um freiwillige Leitsätze, nicht um Gesetze.

Eine rechtlich verbindliche Regelung wurde von der EU erst Mitte letzten Jahres durch die Einführung der Konfliktmineralien-Verordnung geschaffen. Die Käufer müssen ab 2021 verpflichtend die Verantwortung für ihre Rohstofflieferketten übernehmen. Die Anforderungen stimmen weitestgehend mit den OECD-Leitsätzen überein, betreffen jedoch nur vier Rohstoffe: Zinn, Tantal, Wolfram und Gold. Allein die Arbeitsbedingungen beim Kobalt- und Platinabbau im Kongo und in Südafrika zeigen, dass die Liste bei weitem nicht vollständig ist. (sl)

Leitsätze für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht
Während der Beschaffung aus oder der Tätigkeit in Konflikt- und Hochrisikogebieten werden wir unter keinen Umständen folgende, von irgendeiner Seite durchgeführten Handlungen hinnehmen, daraus Gewinn schlagen, daran mitwirken, dabei behilflich oder unterstützend tätig sein:

• jede Form von Folter bzw. grausamer, unmenschlicher oder herabwürdigender Behandlung;
• jede Form von Zwangsarbeit; dazu zählen auch Aufgaben oder Dienstleistungen, zu denen eine Person unter Androhung einer Strafe gegen ihren Willen gezwungen wird;
• schlimmste Formen der Kinderarbeit;
• andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und -missstände, wie zum Beispiel das weitverbreitete Auftreten sexueller Gewalt;
• Kriegsverbrechen oder andere schwerwiegende Verletzungen des humanitären Völkerrechts, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord.

Quelle: Auszug aus den OECD-Leitsätzen für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht (deutsche Übersetzung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie)

Weitere Informationen:

www.amnesty.de 
www.alternative-rohstoffwoche.de
www.unicef.de 
www.globalcompact.de 
www.bmwi.de

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