Stimmen der Vernunft
Weltweit wächst der Widerstand der Mediziner, Virologen und Epidemiologen
von Wolfgang Jeschke
Die Entwicklung der Situation in der Welt zeigt auch im zweiten Lockdown: Je härter die Einschränkungen der Menschen durch die staatlich angeordneten Kontakt- und Bewegungsbeschränkungen, desto verheerender entwickeln sich die Zahlen. Überall dort, wo Regierungen mit besonders harter Hand die Bevölkerung einsperrten und das öffentliche Leben zum Erliegen brachten, sind die Zahlen explodiert. Das gilt insbesondere für Spanien, Frankreich und Großbritannien – diese Länder hatten die härtesten Lockdowns und die höchsten Fallzahlen. Das gilt aber innerhalb Deutschlands auch für Bayern, wo Ministerpräsident Markus Söder mit größtmöglicher Härte in die Grundrechte eingriff und auf allen Ebenen die schlechtesten Ergebnisse realisieren muss: die meisten Toten und den schnellsten Anstieg der Arbeitslosigkeit.
Seit Anfang der Corona-Krise erhoben sich Stimmen aus der Wissenschaft, die davor warnten, die Ausbreitung und das Risiko, das mit dem Coronavirus verbunden ist, falsch zu interpretieren. Sie warnten und warnen immer lauter vor den Folgen der Lockdowns, die sowohl die Gesundheit als auch die ökonomischen Lebensgrundlagen der Menschen beschädigen, wie kein Ereignis seit dem Zweiten Weltkrieg.
Einer der führenden Wissenschaftler der Welt ist John Ioannidis von der Stanford-University. Der griechisch-amerikanische Gesundheitswissenschaftler und Statistiker ist Professor für Medizin und Professor für Epidemiologie und Bevölkerungsgesundheit an der Stanford University School of Medicine, sowie professor by courtesy für biomedizinische Datenwissenschaft an der Stanford University School of Medicine, professor by courtesy für Statistik an der Stanford University School of Humanities and Sciences, und Kodirektor des Innovationszentrum für Meta-Forschung in Stanford, ebenfalls Stanford University School of Medicine. Er gilt als der führende Wissenschaftler der Welt in der Bewertung von Studien und Meta-Analysen.
Er sprach schon im März von einem „Evidenz-Fiasko“, weil von Anfang an keine Belege dafür gegeben waren, dass die Ausbreitung von SARS-CoV-2 tatsächlich mit einem im Vorjahresvergleich überdurchschnittlichen Risiko für die Menschen verbunden sei. Er erstellte verschiedene Studien, um die Risikoabschätzung vorzunehmen. Sie belegten, dass die mit COVID-19 einhergehenden Risiken irgendwo im Bereich einer Influenza liegen, mit Unterschieden bei der Altersverteilung der Gesundheitsereignisse. Seine jüngste, geprüfte, Studie (1) veröffentlichte auch die WHO. Darin hatte Ioannidis 61 Studien zu COVID-19 ausgewertet und kommt zu dem Schluss, dass die Pandemie sich nicht wesentlich von anderen saisonalen Erregersituationen unterscheidet. Nach der Auswertung der Studien kommt Ioannidis zum Ergebnis, dass durchschnittlich 0,23 Prozent der Menschen sterben, die sich mit Sars-CoV-2 infiziert haben. Bei Menschen unter 70 Jahren sind es nur 0,05 Prozent. Und er schätzt auch, dass wahrscheinlich die Infektionssterblichkeitsrate an den meisten Orten weniger als 0,2 Prozent beträgt (heißt: von tatsächlich Infizierten sterben 0,2 Prozent). Gleichzeitig sieht Ioannidis in der Auswertung der Studien Hinweise auf Ursachen für lokal kurzfristig erhöhte Sterberaten. Eine höhere Altersstruktur, nosokomiale Infektionen und überforderte Krankenhäuser könnten Ioannidis zufolge die hohe Zahl der Todesfälle an bestimmten Orten Italiens, in New York und anderen Regionen erklären.
Prof. Ioannidis gilt als einer der klügsten Köpfe unserer Zeit und ist einer der am häufigsten zitierten Wissenschaftler der Welt. Und er ist nicht allein. Während Deutschland sich vor allem auf den Rat von Christian Drosten verlässt, der bereit 2009/2010 einer der maßgeblichen Treiber der Schweinegrippe war, die sich dann als „Flop“ herausstellte, bieten sich weltweit erheblich kompetentere Medizinerinnen und Mediziner, Statistiker und Grundlagenforscher als Partner für die Bewertung der Ereignisse an. Deutschland aber bleibt bei Drosten und einer Handvoll ausgewählter BeraterInnen – eine beispiellose Dummheit mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung – für die 99,99 Prozent der Gesunden, ebenso wie für die bis heute nicht geschützten Risikogruppen.
In der ganzen Welt haben sich Zehntausende Wissenschaftler gegen die Lockdowns und für einen anderen entspannteren Umgang mit der aktuellen Erreger-Saison ausgesprochen. In Deutschland waren es noch am Tag vor der Verhängung des zweiten Lockdowns durch das Corona-Kabinett viele Ärzte- und Therapeutenverbände, die unter der Führung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gemeinsam ihre Stimme erhoben und einen Lockdown strikt ablehnten (2).
„Die Unterzeichner fordern die Politik auf, sich auf eine Auswahl von Maßnahmen zu konzentrieren, die möglichst direkt und spezifisch den Schutz der Bevölkerungsgruppen in den Mittelpunkt stellen, für die ein hohes Risiko schwerer Krankheitsverläufe besteht.“
Im angelsächsischen Raum hat die „Great Barrington Erklärung“ (3) Tausende Ärzte und Beschäftigte im Gesundheitssystem hinter sich, die – ähnlich wie bei uns – einen Strategiewechsel fordern. In einigen Details unterscheiden sich die Ideen der Mediziner und Epidemiologen, im Kern aber sagen sie alle dasselbe: Sie fordern eine Aufhebung der Lockdowns, die selbst ein viel höheres Erkrankungsrisiko erzeugen. Gleichzeitig fordern sie, endlich mit dem Schutz der „Risikogruppen“ zu beginnen.
Ziel der Strategie ist die Erreichung einer Herdenimmunität, wie dies den bis in den Sommer hinein viel gescholtenen Schweden gelungen ist. Die Great Barrington-Unterzeichner fordern: „Diejenigen, die nicht schutzbedürftig sind, sollten sofort wieder ein normales Leben führen dürfen. Einfache Hygienemaßnahmen wie Händewaschen und der Aufenthalt zu Hause im Krankheitsfall sollten von allen praktiziert werden, um den Schwellenwert für die Herdenimmunität zu senken. Schulen und Universitäten sollten für den Präsenzunterricht geöffnet sein. Außerschulische Aktivitäten, wie z. B. Sport, sollten wieder aufgenommen werden. Junge Erwachsene mit geringem Risiko sollten normal und nicht von zu Hause aus arbeiten. Restaurants und andere Geschäfte sollten öffnen können. Kunst, Musik, Sport und andere kulturelle Aktivitäten sollten wieder aufgenommen werden. Menschen, die stärker gefährdet sind, können teilnehmen, wenn sie dies wünschen, während die Gesellschaft als Ganzes den Schutz genießt, der den Schwachen durch diejenigen gewährt wird, die Herdenimmunität aufgebaut haben.“
Uneinig sind sich viele Mediziner im Hinblick auf den Einsatz eines Impfstoffes. Während die einen ihn für die Risikogruppen empfehlen, verneinen andere dies strikt: Sie gehen davon aus, dass der Erreger ohnehin so schnell mutiert, dass eine Impfung nur in den seltensten Fällen funktionieren wird und zudem die schädliche Nebenwirkungsrate möglicherweise den Nutzen übersteigt und der Nutzen bnislang nicht beweisen wurde. Selbst Impfhersteller wie Moderna bezweifeln öffentlich, ob ihr Impfstoff überhaupt schützen kann.
Die Unterzeichner des Positionspapieres der Deutschen Ärzteschaft:
Beteiligte
– Kassenärztliche Bundesvereinigung
– Prof. Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie der Universität Bonn
– Prof. Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Abteilung
– Arbovirologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg
Unterstützer
– Ärzteverband Deutscher Allergologen e.V. (AeDA)
– Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC)
– Berufsverband der Deutschen Dermatologen e.V.(BVDD)
– Berufsverband der Deutschen Hämostaseologen e.V. (BDDH e.V)
– Berufsverband der Deutschen Radiologen e.V.(BDR)
– Berufsverband der Kinder-und Jugendärzte e. V. (BVKJ)
– Berufsverband derniedergelassenen Kinderchirurgen
– Deutschlands e.V. (BNKD) Bundesverband der Niedergelassenen Diabetologen in Deutschland (BVND)
– Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)
– Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)
– Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT)
– Deutsche PsychotherapeutenVereinigunge.V. (DPtV)
– Deutscher Hausärzteverband e.V.
– Freie Ärzteschaft e. V.
– Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland e.V. (GAÄD)
– Hufelandgesellschaft – Ärztlicher Dachverband für Naturheilkunde, komplementäre und integrative Medizin
– Interessengemeinschaft Medizin (IG Med e.V.)
– Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV)
– NAV-Virchow-Bund, Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. (NAV)
– Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (vertritt 29 Mitgliedsverbände)
– Spitzenverband ZNS (SPiZ), dieser vertritt: Berufsverband ärztlicher Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker in der – Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT)
– Berufsverband der Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Deutschlands (BPM)
– Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN)
– Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN)
– Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP)
– Berufsverband für Kinder-und Jugendlichen-Psychiatrie und -Psychotherapie (BKJPP)
– Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V.
– Verband Deutsche Nierenzentren e.V. (DN)
– Vereinigung Analytischer Kinder-und Jugendlichen-Psychotherapeuten in Deutschland e.V (VAKJP)
– Vereinigung psychotherapeutisch und psychosomatisch tätiger Kassenärzte e.V. (VPK)
– Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (ZI)
Quellen:
(1) https://www.who.int/bulletin/online_first/BLT.20.265892.pdf
(2) https://www.kbv.de/media/sp/KBV-Positionspapier_Wissenschaft_Aerzteschaft_COVID-19.pdf
(3) https://gbdeclaration.org/die-great-barrington-declaration/