Diskriminierender „Journalismus“
Die Hetze gegen Ungeimpfte breitet sich weiter aus, der Ton wird zunehmend übergriffiger.
von Marcus Klöckner
Stimmungsmache gegen Ungeimpfte: Christian Schlüter, Journalist bei der Berliner Zeitung, zeigt in einem aktuellen Kommentar (1) auf, welch ein Ton mittlerweile vorherrscht, wenn Medien sich gegen Menschen und Bürger positionieren, die die „Corona-Impfung“ ablehnen. „Hey, ihr Impfunwilligen: Macht euren Mist alleine!“, lautet die Überschrift des Kommentars, der mit viel Geraune, dafür umso weniger Substanz ein Beispiel dafür abgibt, was seit geraumer Zeit immer wieder auffällt: Nicht wenige Journalisten legen ein sehr „eigenwilliges“ Demokratieverständnis an den Tag. Ein Kommentar von Marcus Klöckner, Autor des Buchs „Zombie-Journalismus“.
„Hey, ihr Impfunwilligen: Macht euren Mist alleine!“ Mit dieser Überschrift ist der Ton gesetzt. Dann folgt ein Kommentar, der im journalistischen, rechtsstaatlichen und demokratischen Sinne als erbärmlich wahrgenommen werden darf. Nicht erst seit Beginn der Pandemie, aber seit der Pandemie in einem Ausmaß, das seinesgleichen sucht, legen so manche Journalisten ein Verständnis von Demokratie, Pluralismus und Meinungsfreiheit an den Tag, das besser in einer Diktatur aufgehoben wäre. Getreu dem Motto: Willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein. Aber sorry: So funktioniert Demokratie gewiss nicht.
Dummerweise scheint genau diese Haltung der Grundboden zu sein, auf dem der Kommentar aus der Berliner Zeitung einzuordnen ist.
Wir kennen die Laier: Freiheit ist ein hohes Gut, Freiheit ist etwas Wunderbares, aber Freiheit findet ihre Einschränkungen, wenn Gefahr für andere beginnt. Zu dieser bahnbrechenden Aussage stelle man sich noch die bedeutungsschwangere Miene vor, die so mancher Journalist beim Aussprechen solcher Worte gerne aufsetzt.
Was will man zu solchen Ergüssen sagen? Ja, stimmt. Und weiter? Und jetzt? Das Wasser ist nass, die Sonne heiß, Freiheit hat in einer Gesellschaft gewisse Grenzen. Der 8-jährige „Conan der Barbar“ von nebenan hat das schon verstanden. Wenn der angehende Weltenretter gerne die Freiheit hätte, mit seiner Axt den heimischen Wohnzimmertisch zu zerteilen, dann werden Mama und Papa sagen: Hier endet deine Freiheit!
Dieses Konzept lässt sich auch auf unsere Gesellschaft und unser demokratisch-freiheitlich verfasstes Gemeinwesen übertragen.
Der ein oder andere Leser mag sich nun fragen, was die Ausführungen sollen. Ja, und er mag sich über das Niveau beschweren. Zu Recht! Die Ausführungen sind so banal, dass ich geradezu um Verzeihung bitten möchte, die Zeit der Leser mit solchen Gedanken zu verschwenden.
Aber: Das ist das Niveau, auf dem sich viele unserer Qualitätsmedien heute bewegen. Nicht wenige Journalisten sind offensichtlich der festen Überzeugung, sie müssten aufgrund der Skepsis gegenüber der „Covid-Impfung“ Bürgern das Freiheitskonzept unserer Gesellschaft erklären — wohl ganz so, wie der Ostbeauftragte vor Kurzem meinte, den ostdeutschen Mitbürgern Hilfestellung in Sachen Demokratieverständnis geben zu müssen.
Erstens: Die Ostdeutschen haben die Demokratie ziemlich gut verstanden. Zweitens: Den Bürgern, die sich nicht impfen lassen wollen oder können, muss man nicht erklären, wie Freiheit in unserer Gesellschaft zu verstehen ist.
Und dennoch bedarf es tatsächlich reichlich an Aufklärung. Nur: Die Adressaten der Aufklärung in Sachen Demokratie und Freiheit sollten wohl eher Journalisten sein.
Christian Schlüter stellt in seinem Kommentar die unveräußerlichen Grundrechte zur Disposition. Die Impfung, das heißt dieser schwerwiegende Eingriff in die körperliche Integrität des Einzelnen, wird zur Bedingung für die Verfügung über Grundrechte gemacht. Ein körperliches Merkmal, das heißt die körperlichen Auswirkungen, die sich aus dem Impfstoff ergeben, sollen darüber entscheiden, wer auf welchem Stuhl Platz nehmen darf und wer nicht, wer ein Restaurant betreten darf und wer draußen bleiben muss — wie ein Hund!
Deutschland, September 2021: Das ist tatsächlich die Realität.
Und dann kommt Schlüter und meint, dass derjenige, der sich „willentlich außerhalb der Gemeinschaft stellt“, die Konsequenzen zu tragen habe. Derjenige müsse dann „eben draußen bleiben“. Auch das, so Schlüter weiter, „ist Freiheit“.
Da hat wohl jemand Freiheit mit Diskriminierung verwechselt! Man muss sich die Formulierung „außerhalb der Gemeinschaft stellen“ auf der Zunge zergehen lassen. Die unveräußerlichen Grund- und Menschenrechte gelten für alle.
Es gibt keinen Passus in unserem Grundgesetz, der regelt, dass Ungeimpfte zu Menschen zweiter Klasse werden — allerdings würde ich mittlerweile nicht mehr ausschließen, dass wir noch genau dahin, auch mit tatkräftiger Unterstützung von Journalisten, kommen. Außerhalb der Gemeinschaft stehen nicht die Ungeimpften. Außerhalb der demokratischen Gemeinschaft stehen jene, die Menschenrechte als Verhandlungsmasse betrachten. Wenn Bürger einen neuartigen Impfstoff ablehnen, von dem keiner definitiv ausschließen kann, dass er negative Langzeitfolgen haben wird, dann ist das ihr gutes Recht.
Das muss eine demokratische Gesellschaft, die die Würde des Menschen achtet und den Geist der Freiheit atmet und versteht, aushalten — ganz ohne Zweiteilung der Grundrechte. Dass das geht, zeigen viele Länder, unter anderem Schweden. Dass die Ungeimpften den Kollaps des medizinischen Versorgungssystems in Deutschland herbeiführen würden, entbehrt als Argument jeder Grundlage und ist längst empirisch widerlegt: Das System hat seit Beginn der Pandemie über 80 Millionen ungeimpfte Bürger getragen. Aber wer sich als Journalist auf Wahnsinnsprognosen versteift, der sieht den drohenden Kollaps wahrscheinlich trotzdem als allgegenwärtig.
Jedenfalls: Was eine demokratische Gesellschaft nicht auszuhalten braucht, sind Journalisten, die meinen, sie müssten ihre autoritären Fantasien in der Öffentlichkeit verbreiten. Was eine demokratische Gesellschaft nicht auszuhalten braucht, sind Journalisten, die Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, unter abwertenden Begriffen zusammenpferchen. Schlüter schreibt:
„Ihr Trittbrettfahrer, hört endlich auf zu jammern: Es ist bestenfalls eine Kindergartenillusion, dass unsere Freiheit nur für euch da sei. Werdet erwachsen!“
„Ihr Trittbrettfahrer“ — so sieht Stimmungsmache aus.
Dem „Kollegen“ will man angesichts dieser Worte raten: Dann achten Sie halt darauf, dass die FFP-2-Maske richtig sitzt, lassen Sie sich impfen, schalten Sie meinetwegen auch noch den „Impfturbo“ ein, holen Sie sich die „Booster-Impfung“ ab. Und ansonsten lautet die Empfehlung: Einfach in Ruhe in sich gehen und über Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit nachdenken. Der Kommentar lässt davon jedenfalls nichts erkennen.
Übrigens: Die Ausschließung einer Gruppe aus „dem Universum allgemeiner Verbindlichkeiten“ ist „die zentrale Voraussetzung genozidialer Prozesse“. Das schreibt Harald Welzer in dem Buch „Täter — Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder wurden“.
„Diesen Totalausfall der Medien und Journalisten in der sogenannten Corona-Pandemie nimmt Klöckner zum Anlass, sich selbige ‚zur Brust‘ zu nehmen. Nach seinem Buch ‚Sabotierte Wirklichkeit: Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird‘ aus dem Jahr 2019 zerlegt Klöckner in seinem neuen Buch die gesamte Medienbranche und ihre journalistischen Zombies. Er präsentiert sie uns als bösartige Propaganda-Maschinerie wider Anstand und Fairness, bar jeder journalistischen Profession. (…) Ihre Hauptkompetenz liege darin, im Schulterschluss mit der Regierung Angst zu schüren. (…) Indem sie jede kritische Analyse scheuen wie der Teufel das Weihwasser seien sie selbst zu einer grundlegenden Gefahr für die Demokratie geworden. (…) Das Politik- und Medienkartell kann nur noch als integrale Verbrechensform begriffen werden, wobei die Medien nicht selten die Politik vor sich hertreiben beziehungsweise der Politik als Verstärker ihrer kriminellen Machenschaften zugunsten der Kapitalfraktionen dienen. Die Medien sind daher nichts anderes als Kombattanten im laufenden ‚information warfare‘ gegen die Zivilgesellschaften. Sie sind kriegführende Partei. Die gesamte Mainstream-Medienindustrie begreift Klöckner völlig richtig als nicht mehr reformierbar.“
Ullrich Mies, Autor und Publizist
„Der Kampf gegen das gleichgeschaltete, regierungskonforme Medienkartell hat gerade erst begonnen. Wer immer noch meint, es ginge um eine innergesellschaftliche Diskussion, hat nicht begriffen, dass es Regierung und angeschlossener Bewusstseinsindustrie ausschließlich darum geht, die Definitionshoheit mit allen perfiden Mitteln zu erhalten. Kollabiert die Definitionshoheit, kollabiert die Macht des herrschenden kriminellen politischen Regimes. Zombie-Journalisten sind mitverantwortlich dafür, dass wir in faschistische Verhältnisse abgleiten. Obwohl in weiten Teilen des Buches anklingt, wie sehr Klöckner die derzeitige Journaille verachtet, gelingt es ihm dennoch, Leserinnen und Leser immer wieder zum herzhaften Lachen zu bringen.“
Annette van Gessel, Pharmazeutin und Lektorin
„Marcus Klöckner liefert (…) jetzt all die Beweise, die bei meiner Draufsicht aus dem Blick geraten sind. Textanalyse vom Feinsten, geschöpft aus dem Fundus der Fehlleistungen, die wir seit anderthalb Jahren beobachtet haben. Nena und #allesdichtmachen. Das WDR-Interview mit Jan Josef Liefers. Die Kampagnen gegen ‚Impfvordrängler‘, ‚Schwurbler‘, ‚Maskenverweigerer‘.“
Michael Meyen, Professor für Kommunikationswissenschaft
Im August erschien das neue Buch von Marcus Klöckner. Hier können Sie das Buch bestellen: als Taschenbuch oder E-Book.
Quellen und Anmerkungen:
Marcus Klöckner studierte Soziologie, Medienwissenschaften und Amerikanistik. Herrschafts- und Medienkritik kennzeichnen seine Arbeit als Autor und Journalist. Zuletzt erschienen von ihm „Medienkritik: Zu den Verwerfungen im journalistischen Feld“, „Wie Eliten Macht organisieren“ und „Sabotierte Wirklichkeit: Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird“.
Dieses Werk ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten und vervielfältigen. Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt der LAUFPASS diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass der Rubikon wie viele andere freie Medien auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht.
Trackbacks / Pingbacks