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SUPERPFLANZEN – Hyperakkumulatoren reinigen Böden und ernten Rohstoffe

SUPERPFLANZEN – Hyperakkumulatoren reinigen Böden und ernten Rohstoffe
Foto: ifong/shutterstock.com

Kaum zu glauben, aber es gibt sie wirklich: Superpflanzen. Ihr Name ist alles andere als eine Übertreibung. Sie ziehen giftige Schwermetalle aus dem Boden, ohne selbst zu sterben. Sie schützen verseuchte Böden vor Erosion, in dem ihre Wurzeln die Böden festigen. Und sie können sogar wertvolle Rohstoffe ernten.

Bei Lebewesen, die quasi auf Kommando ertragreiche Abfallprodukte abwerfen, fühlt man sich direkt in die Märchenwelt der Brüder Grimm versetzt. Etwa in „Tischlein deck dich, Esel streck dich und Knüppel aus dem Sack“, wo dem Esel bei der Aufforderung „Bricklebit!“ aus seiner vorderen und hinteren Körperöffnung Goldstücke fallen. Oder in „Aschenputtel“, als die Protagonistin ruft „Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich! Wirf Gold und Silber über mich!“ und ein Vogel ihr daraufhin ein goldenes und silbernes Kleid herunterwirft. In der Realität ist so etwas unvorstellbar – und doch vorhanden. Es gibt Pflanzen, die wertvolle Metalle in sich tragen.

In den letzten 20 Jahren ist ein neues Verfahren entstanden. Es heißt „Phytomining“ (zu Deutsch: pflanzlicher Rohstoffabbau) und ist noch weitgehend unbekannt. Phytomining geht auf das Prinzip der Phytoextraktion zurück, einem Boden-Sanierungsverfahren, bei dem Pflanzen zum Einsatz kommen, die Schadstoffe aus den Böden saugen. Die Schadstoffe reichern sich folglich von den Wurzeln bis zu den Blättern in der Biomasse an. Durch diesen Prozess kann beispielsweise in der Landwirtschaft verunreinigtes Ackerland gesäubert und renaturiert werden.

Selbst Gold kann gewonnen werden

Diese Eigenschaft der Extraktion machen sich Phytominer zu Nutze. Germanium, Zink, Cadmium, Nickel, selbst Gold und Platin kann in geringen Mengen durch Phytomining gewonnen werden. Für ein möglichst ertragreiches Mining werden sogenannte Energiepflanzen verwendet, die viel Biomasse bilden. Die Pflanzen müssen außerdem zur Gattung der Hyperakkumulatoren gehören, d.h. auf Böden mit hoher Metallkonzentration wachsen können. Für die meisten Pflanzen wirkt diese toxisch – nicht für die Superpflanzen.

Der kleine Kreis der etwa 500 bekannten Hyperakkumulatoren hat durch die Evolution typische Mechanismen modifiziert und sich zu Nutze gemacht. So benötigt jede Pflanze zum Überleben neben der Fotosynthese auch Nährstoffe, die sie sich aus dem Boden zieht. Diesen Mechanismus haben Hyperakkumulatoren auf Schadstoffe übertragen. Die Pflanzen benötigen die Schwermetalle nicht etwa als Nahrung, sondern vermutlich zum Schutz vor Fressfeinden oder infizierenden Mikroorganismen. Deshalb können sie hohe Konzentrationen an Giftstoffen in ihrer Biomasse anreichern, ohne davon selbst benachteiligt zu werden. 

Nickel-Gewinnung durch Phytomining

Derzeit wird Phytomining fast ausschließlich zur Gewinnung von Nickel betrieben. Der Bedarf an Nickel ist in der Industrie enorm. Es kommt unter anderem bei der Produktion von nichtrostenden Stählen, Legierungen und Akkumulatoren zum Einsatz. In Albanien wird Phytomining bereits wirtschaftlich eingesetzt – am Ohridsee an der Grenze zu Mazedonien. In dieser Region sind die Böden so stark verunreinigt, dass sich keine Landwirtschaft betreiben lässt. Deshalb gilt die Region in Ostalbanien als eine der ärmsten Europas. Das einzige, was auf den dortigen Serpentinböden wächst, ist das gelb blühende Mauer-Steinkraut (Alyssum murale). Von den Einwohnern der Region wurde es lange Zeit als nutzloses Unkraut abgestempelt. Und genau in diesem Unkraut soll jetzt der Schlüssel für einen wirtschaftlichen Aufschwung liegen.

Aus dem Mauer-Steinkraut (Alyssum murale) wird in Albanien kommerziell Nickel geerntet. Foto: Vlad Zaytsev/shutterstock.com

Das französische Start-up Econick baut in dieser Region in Zusammenarbeit mit den ansässigen Bauern gezielt Mauer-Steinkraut als Metallquelle an. Das Kraut wird geerntet, von der Sonne getrocknet und schließlich verbrannt. Die Asche besteht zu bis zu 20 % aus Nickel. Der Wert pro Tonne liegt bei circa 70 Euro. Aus der Asche gewinnen die Forscher von Econick spezielle Nickelsalze, die in der Industrie zur Behandlung von Oberflächen als Korrosionsschutz eingesetzt werden. In 20 Jahren könnte das Nickel in den Böden am Ohridsee so stark abgebaut sein, dass wieder Gemüse angebaut werden kann. Damit schlagen die Bauern drei Fliegen mit einer Klappe: Sie werden den Schadstoff Nickel nicht nur los, sie bekommen auch noch Geld und saubere Böden dafür.

Die Technik steht noch ganz am Anfang

Anderweitig wird Phytomining als Geschäftsmodell noch nicht praktiziert. Auch wenn es eine wesentlich umweltfreundlichere Alternative zum konventionellen Bergbau darstellt, ist letzterer weiterhin wirtschaftlicher und daher für die Industrie interessanter. Phytomining könnte dann eine Rolle spielen, wenn die Rohstoffe seltener und damit teurer werden. Die Technik steht zudem noch ganz am Anfang. Das liegt insbesondere daran, dass das amerikanische Unternehmen Viridian Environmental sie 1995 hat patentieren lassen. So durfte das Verfahren nicht kommerziell verwendet und keine zugehörigen Technologien hergestellt werden – bis Juni 2015, dann waren die Patentrechte abgelaufen. Weil auch die Patentinhaber die Technik nicht verwendet haben, steckt das Verfahren noch in den Kinderschuhen. Aber es wird wieder mit Hochdruck geforscht. Auch in Deutschland.

Phytomining mit Schaumkresse
Die Hallersche Schaumkresse (Arabidopsis halleri) zieht giftige Schwermetalle aus dem Boden. Foto: HermannSchachner (Wikimedia Commons)

An der Ruhr-Universität in Bochum beschäftigt sich ein Forschungsteam um Prof. Ute Krämer wissenschaftlich mit der Hallerschen Schaumkresse (Arabidopsis halleri), die in Mitteleuropa auf mit den Schwermetallen Cadmium, Blei, Zink und Kupfer verseuchten Böden wächst. Die Forscher haben insgesamt rund 2000 Exemplare an 165 Standorten in Europa untersucht und festgestellt, dass die Pflanze je nach Standort über unterschiedliche Eigenschaften verfügt. So können die Pflanzen an der deutsch-tschechischen Grenze beispielsweise wesentlich besser Cadmium anreichern als in Norditalien. Daraus schließen die Forscher, dass die Hallersche Schaumkresse sich an die lokalen ökologischen Bedingungen anpassen kann. Die Forschungsarbeit soll nicht der Wirtschaft, sondern dem Ziel der Entwicklung nachhaltiger pflanzenbasierter Zukunftstechnologien zur Dekontaminierung verseuchter Böden dienen. Allein in Deutschland sind nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 271.000 Flächen als altlastverdächtig erfasst. Über die genaue Flächengröße machte das Ministerium auf Nachfrage keine Angabe. Dennoch scheint klar, dass ein riesiger Sanierungsbedarf herrscht. (sl)

Gibt es wirklich Goldgräber-Pflanzen?
Es existieren tatsächlich Pflanzen, die Gold in ihrer Biomasse ansammeln können. Eine Forschergruppe um den Wissenschaftler Christopher Anderson von der Massey University in Neuseeland stellte diese Eigenschaften in Versuchen mit indischem Senf (Brassica juncea) und Mais (Zea mays) fest. Laut den Forschern von Econick sind die Erträge bislang gering, die Forschung steht aber noch ganz am Anfang.

Bei den Rohstoffen Platin, Palladium und Kobalt ist man schon einen Schritt weiter. Die südafrikanische Superpflanze „Berkheya coddii“ reichert neben Nickel auch die drei heiß begehrten Metalle an. Anhand von Feldversuchen soll geprüft werden, ob das Phytomining mit dieser Superpflanze nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll ist.

Weitere Informationen
www.pflanzenforschung.de
www.ruhr-uni-bochum.de

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