Der Papst mit Bauchgefühl – Christian der Erste
Anfangs war er der Mann, der das Virus kennt, der Experte aus dem Labor der Charité. Dann mutierte er zum Chefberater der Bundesregierung in Sachen SARS-CoV-2. Von Tag zu Tag nahm seine Bedeutung zu. Wie schon bei der Schweinegrippe 2009 warnt und mahnt Christian Drosten und malt die furchtbarsten Szenarien an den Himmel einer pandemischen Zukunft. Wie übrigens sonst nur Matthias an der Heide vom RKI, dessen Entvölkerungsfantasien mit bis zu 1.500.000 Toten bereits durch die RKI-Statistik widerlegt waren, als sie dennoch zum Fundament der Corona-Strategie der Bundesregierung wurden (was aber irgendwie niemanden interessierte). Und je mehr Drosten mit seiner ruhigen Stimme das Mantra der Gefahr herunterbetete und sich dabei als Wissenschaftler positionierte, der vorgeblich nur den Fakten folge (wie schon 2009!), desto größer wurde seine Bedeutung für die Erlösungssuchenden in Politik, Presse und Gesellschaft. Er avancierte zum Star der Virologie und erlangte eine mediale Präsenz, wie sie vor ihm noch keinem Virologen zuteil geworden war. Radio, Zeitungen, TV – kein Tag verging mehr, ohne dass uns von Herrn Drosten seine Warnungen eingeimpft wurden und wir ertragen mussten, wie er der Regierung soufflierte – gleichgültig wie wenig seine Prognosen eintraten, unabhängig davon, dass wir zu keinem bisherigen Zeitpunkt ausreichende Informationen über das Virus, seiner Wirkung und Verbreitung hatten. Drostens Messen zu Gefahr und Niedergang eroberten die Gehirne der Massen und Entscheider und überfluteten auch die Presselandschaft. Als sei die Lust am Untergang und die Sehnsucht nach Hohepriestern und Führer-Gestalten uns allen eigen, so dass wir auf das eigene Denken verzichten und uns wohlig schauernd in der pandemischen Weltkirche gruseln können – froh darüber, dass die zunehmenden Söders in der Spahndemie drakonische Maßnahmen ergreifen und damit auch noch für Wählerstimmen sorgen. Dessen nicht genug, mutieren wir zu Denunzianten und fordern sogar noch mehr Einschränkungen, als sei der Verzicht auf Grundrechte und Demokratie der neue deutsche Heilsweg oder die Bereitschaft zum Erdulden von Einschränkungen eine Art Ablasshandel mit dem bösen Virus – nach dem Motto: „Geißel mich, aber töte mich nicht!“ Wen wunderte es da, dass sich alsbald Drostens Laborkittel in eine coronische Soutane verwandelte. Es fehlten nur noch das Scheitelkäppchen und der Hirtenstab und die Inszenierung wären der Vollkommenheit nah. Denn gesalbte Worte findet Drosten, der erst vom Virologen zum Epidemiologen mutierte, um alsbald Kinderpsychologe, Hygieniker, Verhaltenspsychologe, Staatsmann, Wirtschaftsanalyst und der wichtigsteMannfürsogutwiealleFrageninderKrise wurde, schon seit langem. Wer nicht genau hinhört, genießt den mittlerweile vertrauten Klang seiner Stimme, wie jenen der guten Mutter, die uns zur Nacht eine Geschichte vorliest. Andere mögen zwischendurch verstört aufhorchen, ob der Widersprüchlichkeiten der Worte des Herrn. Doch schließlich wirft Papst Christian auch den letzten Ballast an Wissenschaft ab, und deklamiert in einer NDR-Messe über das richtige Einschränken von Kindern und entwickelt – quasi aus dem Stehgreif – eine heilige Lösung für ein sicheres Miteinander in den Schulen und auf den Spielplätzen – so aus dem „Bauchgefühl“ heraus, wie er seiner Gemeinde mitteilt. Wir ungläubigen Satiriker mögen solche Heilsgestalten gerne, bieten Sie uns doch Anlässe in Hülle und Fülle, um uns über sie und ihre Fehlbarkeiten lustig zu machen. Aber wir bedrohen Menschen nicht, die ihre Meinung sagen. Also ihr Spinner: lasst Papst Christian in Ruhe! Er gehört den Satirikern und der Bewertung durch die Geschichte.