Alle Erdlinge sind gleich – Bewegende Begegnungen ermöglichen neue Sichtweisen
Immer mehr Menschen beteiligen sich an der Entwicklung einer Lebensweise, die auch den Interessen der Tiere gerecht wird. Zuletzt berichteten wir über regionale Initiativen, dieses Mal aber über ein Projekt aus dem Süden Deutschlands. Sein Name war es, der uns aufmerksam machte, weil sich darin das Konzept und die Haltung der Menschen zeigt, die den „Erdlingshof“ betreiben: er Menschen und Tiere als eine Gemeinschaft von gleichberechtigten Erdlingen betrachtet, überwindet den Speziesismus – jene Haltung, die es uns ermöglicht, über die Bedürfnisse der Tiere hinwegzuschauen und sie allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer anderen Art zu quälen, auszubeuten und als Rohstofflieferanten zu missbrauchen.
Der Erdlingshof bietet in Not geratenen Tieren Zuflucht. Seit 2014 finden hier Tiere ein neues Zuhause auf Lebenszeit, wo sie einfach sie selbst sein dürfen, ohne irgendeinen Nutzen für den Menschen erbringen zu müssen. Inzwischen sind es über 100 Schützlinge, die auf dem Hof in friedlichem Miteinander leben – Rinder, Pferde und Esel, Schweine, Ziegen, Schafe, Hirsche, aber auch kleinere Tiere wie Hühner, Gänse, Puten, Kaninchen, Hunde und Katzen tummeln sich auf dem Erdlingshof. Der Schwerpunkt liegt auf den sogenannten Nutztieren, denn sie haben die kleinste Lobby bei den Menschen. Auf dem Erdlingshof sind sie keine Nutztiere mehr, sondern fühlende Lebewesen, die das gleiche Lebensrecht haben wie ein Hund oder eine Katze. Jeder von ihnen hat einen anderen Charakter, bestimmte Vorlieben und Eigenarten, aber eines haben sie alle gemeinsam: Niemand von ihnen möchte sterben, um zu Schnitzel oder Gulasch verarbeitet zu werden.
Dieses Schicksal war auch für den knapp ein Jahr alten Rinderjungen Ferdinand vorgesehen, der seit Kurzem auf dem Erdlingshof wohnt. Er wurde Ende März zum Schlachthof transportiert und sollte noch am gleichen Tag getötet werden. Doch Ferdinand wollte nicht sterben und hat um sein Leben gekämpft. Er hat sich gewehrt und er hat geschafft, was eigentlich nicht möglich ist: Ferdinand konnte sich aus der Tötungsbox befreien und aus dem Schlachthof in einen Wald flüchten. In einer ziemlich aufwendigen Suchaktion konnten Johannes und seine Helfer Ferdinand im Wald aufspüren und zum Glück auch sichern und auf den Erdlingshof bringen. Ferdinands Leben war auch im Wald nicht sicher, denn er wurde als gefährlich und panisch abgestempelt und wenn der Erdlingshof ihn nicht in Sicherheit gebracht hätte, wäre er zum Abschuss frei gegeben worden. Ferdinand hat schnell Vertrauen zu den Menschen auf dem Erdlingshof gefasst, als schien er zu spüren, dass ihm hier nichts mehr passieren würde. Er ist ein aufgeweckter, verschmuster und noch ziemlich kleiner Rinderjunge, der noch zwanzig Jahre seines Lebens vor sich hat.
Der Erdlingshof ist ein Lebenstraum und Herzensprojekt von Birgit Schulze und Johannes Jung. Sie betreiben den Hof mit viel Herzblut und sind Tag und Nacht für die Tiere da. Inzwischen schaffen sie es aber nicht mehr allein, die über 100 Tiere zu versorgen, die oft eine schlimme Vergangenheit haben und besondere Pflege und Zuwendung bedürfen. Daher werden sie durch tierliebe Menschen unterstützt, die auf dem Hof in Teilzeit oder Vollzeit mitarbeiten. Seit August 2019 gibt es auch einen Auszubildenden, der den Beruf „Tierpfleger“ lernt. Neben der Versorgung der Tiere ist es Birgit und Johannes wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten und den Menschen Tiere wie beispielsweise Ferdinand näher zu bringen und aufzuzeigen, dass sie alle liebenswerte und schützenswerte Persönlichkeiten sind.
Johannes und Birgit leben vegan, Johannes schon seit seinem 13. Lebensjahr. Für die Beiden nicht anders denkbar, denn in der heutigen Zeit müsse niemand mehr Tierprodukte konsumieren, um sich gesund und lecker zu ernähren.
Finanziert wird der Erdlingshof über Spenden und Tierpatenschaften. Besonders wichtig sind die regelmäßigen Einnahmen aus den Patenschaften, die Planungssicherheit geben. Tierliebe Menschen können sich durch eine symbolische Patenschaft für ein Tier an den Kosten für den Hof beteiligen. Die Einnahmen kommen natürlich allen Tieren zu Gute.
Menschen, die den Erdlingshof besucht haben, sagen oft, dass man wie in einer anderen Welt sei, sobald man den Hof betrete. Die friedliche Stimmung der Tiere und der tolle Ausblick machen den Besuch zu einem besonderen Erlebnis. Besuchen kann man den Erdlingshof übrigens an festen Sonntagen. Die Termine sind auf der Webseite zu finden.
SPENDEN:
GLS Gemeinschaftsbank eG
Kontoinhaber: Erdlingshof e. V.
IBAN: DE56 4306 0967 4056 4302 00
WWW.ERDLINGSHOF.DE