JUMP! Tandem-Skydive über Norddeutschland
„Bei 80 hast du gleich die bessere Anströmung“, sagt René im Gespräch mit dem Piloten. Er möchte gerne bei höherer Geschwindigkeit aussteigen. „Unter 70 Meilen hast du viel weniger Halt in der Luft, das dauert dann einen Moment, bis du die Fallgeschwindigkeit erreicht hast. Dann erst kannst du viel besser mit dem Luftwiderstand spielen und steuern.“ Die Fallgeschwindigkeit beträgt rund 220 Kilometer in der Stunde. Den ersten Sekunden im freien Fall folgt bei 1.500 Metern die Öffnung des Fallschirms und eine ausgedehnte und stille Fahrt über die norddeutsche Landschaft.
Wir starten in Hüttenbusch bei Bremen. Einer der fünf Flugplätze, auf denen René und sein Bruder Dennis Baars das Fallschirmspringen im Tandem anbieten – „Tandem Skydive“ nennt sich das, was sie tun und so heißt auch die Firma der beiden. René ist leidenschaftlicher Fallschirmspringer und Tandemmaster – ausgebildet, um Passagiere am großen Tandemfallschirm mitzunehmen. Über 4.000 Sprünge hat er schon absolviert. Normalerweise verbringt er den hiesigen Sommer in Norddeutschland und den australischen Sommer während des Winters auf der Nordhalbkugel eben Down Under, wo er eine zweite Fallschirmsaison nutzen kann. „In diesem Winter wird das vermutlich nicht klappen“, sagt René. „Australien hält wegen Corona die Grenzen geschlossen.“
Wann wird gesprungen? Von April bis November an den Wochenenden sowie an den meisten Feier- und Brückentagen. In den Sommermonaten zusätzlich auch an Wochentagen.
Gibt es eine Alters- oder Gewichtsbeschränkung? Eine gesetzliche Altersbeschränkung gibt es nicht. Mindestgröße: 1,40 m. Gewichtslimit für Tandemgäste in der Regel 90 kg. Nach Rücksprache und entsprechenden Voraussetzungen ist auch ein höheres Gewicht möglich.
Welche Bekleidung? Festes Schuhwerk (Sneakers/Turnschuhe o.ä.), bequeme Kleidung und gute Laune! Tandemgäste erhalten eine bequeme Kombi, die über der Alltagskleidung getragen wird.
Tandemsprünge auf fünf Flugplätzen
Nachdem auch den Sky-Divern durch den Corona-Lock-Down ein Berufsverbot auferlegt worden war, ist nun der Wegfall der Wintersaison eine weitere Belastung. René und Dennis hoffen nun auf gutes Wetter bis in den Oktober hinein, um möglichst vielen Menschen einen Sprung zu ermöglichen. Während René für die Themen rund um das Fallschirmspringen zuständig ist, kümmert sich Dennis als Pilot mit allen erforderlichen Lizenzen um Flugzeug, Technik und Flughafenleitung. Dennis ist Ingenieur, lebt in Hamburg und arbeitet im Sommer etwas weniger bei seinem Hauptarbeitgeber, um mit seinem Bruder an den Wochenenden Tandem-Skydive Deutschland noch vorne zu bringen.
Die Vorbereitungen für den ersten Sprung sind abgeschlossen. Der Overall sitzt, die Kopfbedeckung passt und die Schutzbrille für die Augen liegt bereit. Das Gurtzeug, mit dem der Tandemmaster und Passagier miteinander verbunden werden, ist festgezogen und doppelt überprüft. Alles, was wegfliegen kann, bleibt am Boden: Telefon, Kamera, Portemonnaie oder ähnliches mehr. Nun geht es zur kleinen Cessna 182, einem Hochdecker mit Spezialtür, die nach oben aufgeht und nicht zur Seite. Die Maschine ist extra für das Absetzen von Fallschirmspringern umgebaut worden und bietet Platz für den Piloten und zwei Tandem-Duos.
Freifall aus 3.000 Metern Höhe
Der Tandemmaster und sein Passagier üben noch vor dem Start den Bewegungsablauf für den Ausstieg. Der Passagier muss nicht viel tun. Einmal mit dem Tandemmaster verbunden, kümmert der sich um alles Weitere. Mit dem Passagier auf dem Schoß geht es auf dem Hosenboden zum Ausstieg. Bei 80 Meilen in der Stunde erfolgt dann der Sprung. Heute sind es etwas über 3.000 Höhenmeter. Klare Sicht, Sonnenschein – man kann bis weit hinter Bremen gucken.
Schon der Aufstieg mit dem Flugzeug ist die ganze Reise wert: In großen Kreisen schraubt sich der Flieger in die Höhe und es eröffnen sich wunderschöne Aussichten über das grüne Land, man sieht die silbern glänzenden Läufe der Wümme und kleinerer Flüsschen und Gräben. Normalerweise wird im Doppelpack gestartet – zwei Tandemmaster und zwei Gäste. Wir machen den letzten Sprung des Tages und Einzelspringerin Dörte Handke nutzt die Chance, mitzufliegen. Über Dörte gibt es auch etwas zu berichten – steht gleich im Artikel nebenan.
Grandiose Aussichten
Nach der grandiosen Aussicht folgt endlich der Sprung. Hinaus und hinab mit rasender Geschwindigkeit, die Luft zerrt an den Wangen und es wird klar, wieso wir in dieser Phase die Hände mit den Daumen an den Brustgurten festmachen sollen. Der Tandemmaster öffnet bei 1.500 Metern den Schirm und das Tosen ist im selben Augenblick vorbei. Es ist ganz still hier oben und wir gleiten in sanften Bögen minutenlang durch die Abendsonne, ein wunderbares Gefühl von Freiheit und Ruhe, dazu die außergewöhnliche Aussicht – ein beeindruckendes Erlebnis. Es endet nach sanfter Landung auf der Wiese. Auch beim Landen kümmert sich der Tandemmaster um alles – der Gast muss nur seine Beine in die Waagerechte bringen, dann gleitet das Duo sanft über die Wiese.
René Baars ist zufrieden. „Alle hatten wieder richtig viel Spaß, unser Pilot war klasse, das Wetter stimmt, was wollen wir mehr?“ Bruder Dennis war heute zugleich Flugleiter in Hüttenbusch, begleitet die letzte Maschine bei der Landung, bevor auch er Feierabend hat. Bedingten Feierabend. Morgen geht es nach Karlshöfen bei Gnarrenburg. Es sind noch die Protokolle durchzugehen, Papierkram zu erledigen und der kommende Tag wird geplant. Das Flugzeug wurde schon gecheckt und betankt und dann nach Karlshöfen geflogen, wo es morgen wieder Tandemspringer in die Höhe bringen wird.
Tandemsprünge machen süchtig
Auch die Fallschirme werden geprüft und sorgfältig gepackt. Ein Fallschirm kostet übrigens fast 20.000 Euro. Hinzu kommt das Chartern des Flugzeugs, die Tandempiloten, der Flugzeugpilot. Es gibt so viel zu tun zwischen den Sprüngen, dass René nur noch selten einspringt, falls einer seiner Tandemmaster im Stau steht oder krank ist. Und auch Dennis besteigt nur selten das Cockpit. „Wenn uns ein Pilot fehlt, natürlich. Aber wir achten darauf, dass immer nur einer von uns Brüdern in der Luft ist und der andere hier unten alles im Fluss hält.“
Den Baars-Brüdern macht ihr Job sichtlich Spaß. Von wem sie die Leidenschaft fürs Fliegen und Springen geerbt haben, wird zum Feierabend offenbart. Toni Baars, der Vater der Sky-Diver, ist selbst passionierter Pilot und Fallschirmspringer mit vielen Tausend Sprüngen. Während die letzten Handgriffe des Tages erledigt werden, lassen die drei den Tag Revue passieren, und verlieren sich dann in allerhand Fachgesprächen, über Luft, Höhe, Druck, Geschwindigkeit, Motoren, die zu warm oder zu kalt sein können, und wir stecken unsere losen Kleinteile wieder in die Hosentasche und fahren nach Hause – noch immer mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Das machen wir noch mal. (vc)
Weitere Infos, auch für Eventsprünge bei Hochzeiten, Sportveranstaltungen sowie zu Firmen-Events mit Tandemsprüngen sowie die Terminbuchung gibt es unter: www.tandem-skydive.de