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Das Schweigen der Brummer – Insektensterben hat weitreichende Folgen

Das Schweigen der Brummer – Insektensterben hat weitreichende Folgen
Foto: kosolovskyy/shutterstock.com

Jeder kennt die Berichte von Autofahrern, dass seit einigen Jahren nach einer langen Fahrt, im Sommer auf der Autobahn, kaum noch Insektenreste von der Windschutzscheibe zu kratzen sind. Die gewagte Schlussfolgerung aus dieser Beobachtung, dass sie den Rückgang der Insektenpopulation beschreibt, wird jetzt auch durch die Wissenschaft bestätigt. Denn laut des australischen Ökologen Francisco Sánchez-Bayo vom Institute of Agriculture in Sidney, der mit seinem Team 73 Studien zu dem Thema auswertete, geht das Aufkommen vieler Insektenarten weltweit drastisch zurück. Auch der Autor und Unternehmer Lars Jaeger beschäftigt sich in seinem Essay „Noch eine Öko-Krise  – und keiner merkt es“ mit dem Phänomen und seinen Konsequenzen: „Das Insektensterben birgt ein großes Gefahrenpotential für das natürliche Gleichgewicht, da Ökosysteme ein Sammelsurium von Abhängigkeiten und Bedingtheiten darstellen, bei dem das Herausfallen einzelner Elemente schwere Folgen für die Umwelt haben kann.“

Laut dem BUND sind in den letzten drei Jahrzehnten in Deutschland 75 Prozent der Biomasse von Insekten verschwunden. Hochgerechnet würden sie in den nächsten 100 Jahren komplett ausgerottet sein. Besonders betroffen sind Schmetterlinge, Bienen, Wespen und Dungkäfer. Das hat dramatische Folgen für die Umwelt und selbstverständlich auch für den Menschen. Denn die kleinen Helfer erfüllen wichtige Funktionen in der Natur. „Insekten haben viele Aufgaben, sie sind Nahrung für andere Tiere wie zum Beispiel Vögel und Amphibien, sind Bestäuber von verschiedenen Pflanzen und zersetzen wie eine natürliche Müllabfuhr Kot und tote Tiere“, erklärt Jaeger. Auch der Mensch ist direkt betroffen, denn „fünf bis acht Prozent der aktuellen Nahrungspflanzenproduktion beginnt mit der Bestäubung durch Insekten“, so Jaeger. Viele weitere Pflanzen- und Tierarten würden ohne Insekten verschwinden und mit ihnen andere Lebewesen, die von ihnen abhängig sind. Eine Art Dominoeffekt wäre die Folge, an deren Ende ganze Ökosysteme zusammenbrechen könnten. „Ein massiver Eingriff in diese Kausalketten hat somit auch massive Konsequenzen“, fasst er zusammen.

Die Ursachen für dieses Artensterben sind vielfältig. Der Klimawandel stellt beispielsweise ein großes Problem für Insekten in tropischen Gebieten dar, da sie eh schon an der Belastbarkeitsgrenze stehen und ein leichter Temperaturanstieg das Aus für die kleinen Organismen bedeuten kann. In gemäßigten Klimazonen sind die Insekten davon nicht unbedingt betroffen. Eine besonders wichtige Rolle beim Insektensterben weltweit spielt auch der Verlust von Lebensraum durch die Bebauung weiter Flächen, wobei nicht nur der Lebensraum zerstört wird, sondern zusätzlich ehemals zusammenhängende Biotope durch Straßen oder Siedlungen voneinander getrennt werden. So entstehen tödliche Schneisen, die für die Insekten unüberbrückbar sind. Die Folge ist, dass die Tiere sich nur noch untereinander vermehren können und diese Inzucht macht die Tiere anfällig für Krankheiten, an denen sie schlussendlich sterben.

Auch die intensive Landwirtschaft ist eine Gefahr für die Insekten. Monokulturen schwächen die Pflanzen und begünstigen Schädlinge, die wiederum den Einsatz von Pestiziden erfordern. Pestizide wie Neonicotinoide, dabei handelt es sich um ein starkes Nervengift, sind dabei besonders gefährlich, da ihre Wirkung nicht nur auf vermeintliche Schädlinge beschränkt ist, sondern auch andere Insekten und Tiere angreift. Auch Herbizide wie Glyphosat rauben den Tieren ihre Lebensgrundlage, indem sie alle natürlichen, also genetisch-unbehandelten Pflanzen töten. Der BUND macht außerdem auf die Gefahr der Fernwirkung aufmerksam, da die Stoffe über das Grundwasser und verschiedene Tiere an andere Orte wie Naturschutzgebiete, fern von den eigentlichen Landwirtschaftsflächen, gelangen können.

Was kann man tun?

Jaeger schlägt vor, dass Felder insektenfreundlicher gestaltet werden müssen: „Blühstreifen und Hecken an den Rändern und ein sparsamer Einsatz von Pestiziden und Dünger würde helfen, den Lebensraum der Insekten zu schützen.“ Aber die Verantwortung sei nicht nur bei den Landwirten zu suchen, da sie der Wettbewerb regelrecht zu solchen schädlichen aber kostengünstigen Methoden nötigt. „Die Politik muss Anreize schaffen und Maßnahmen ergreifen, um die Landwirte zu unterstützen“, fordert Jaeger. Auch der BUND fordert die Politik zum handeln auf – und das ist dringend nötig, denn Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat jüngst 18 Unkraut- und Insektengifte zugelassen und sich dabei über das Veto des Umweltbundesamts hinweggesetzt. Mit der Kampagne „Lass brummen! Eine Zukunft für Insekten“ möchte der BUND nun Menschen mobilisieren, um dem massiven Insektensterben entgegenzuwirken. Die Forderungen sind klar: Auf zehn Prozent der deutschen Agrarflächen sollen Lebensräume für Insekten geschaffen werden. Die Umweltauswirkungen, wie die Gefährlichkeit für Insekten, sollen bei der Zulassung von Pestiziden künftig stärker berücksichtigt werden und es wird ein schrittweiser Glyphosat-Ausstieg bis 2021 angestrebt.

Eine weitere erfolgreiche Initiative, um dem Insektensterben entgegenzuwirken, ist das „Volksbegehren Artenvielfalt“ in Bayern, das mittlerweile 1,8 Millionen Unterstützer zählt. Viele der Forderungen überschneiden sich mit den oben genannten, aber die Initiative erweitert diese. Sie fordern mehr Transparenz von der Politik. Die Landesregierung soll jährlich einen Bericht veröffentlichen, der in Erfahrung bringt, wie es um das ökologische Gleichgewicht und die Artenvielfalt bestellt ist und ob die eingeforderten Aufgaben des Naturschutzgesetzes auch umgesetzt wurden. Des Weiteren sollen Biotopverbünde geschaffen werden, um der Gefahr von isolierten Lebensräumen und somit Inzest entgegenzuwirken. Auch die Landwirtschaft soll Artenvielfalt fördern und dem Insektensterben entgegenwirken. Laut der Initiative werden derzeit 10 Prozent der Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet. Bis 2030 soll dieser Anteil auf 30 Prozent ansteigen. Bioprodukte werden überwiegend aus dem Ausland importiert. Eine ökologische und nachhaltige Landwirtschaft würde diesen Import überflüssig machen. Eine der wichtigsten Forderungen ist, dass die Politik die Grundlage für nachhaltige Ausbildungen schafft, damit zukünftige Landwirte über das nötige Know-how verfügen. Damit sie die ganzheitlichen Kreisläufe verstehen, um mit der Natur und nicht gegen sie zu arbeiten. (bg)

Aktionsbündnisse & weitere Informationen auf:

www.aktion.bund.net/lass-brummen

www.volksbegehren-artenvielfalt.de

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