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Dreck ist gesund! Warum zu viel Hygiene Kindern schadet

Dreck ist gesund! Warum zu viel Hygiene Kindern schadet
(Foto: Christin Lola shutterstock.com)

Das Bewusstsein dafür, dass viele Mikroben für die menschliche Gesundheit absolut wichtig sind, ist angesichts der „Bedrohung durch Corona“ in den Hintergrund getreten. Gleichzeitig ist das Leben in den sogenannten zivilisierten Ländern heute so hygienisch wie nie. „Das hat schwerwiegende Konsequenzen für unser Mikrobiom – und unsere lebenslange Gesundheit,“ heißt es in dem Buch »Dreck ist gesund! Warum zu viel Hygiene Ihrem Kind schadet«.

Auch wenn die Forschung noch am Anfang steht, ist schon jetzt klar, dass einige der grundlegendsten Funktionen unseres Körpers nur mithilfe von Mikroben funktionieren: die Verdauung, das Bilden essentieller Vitamine und die Regulation und Unterstützung unseres Stoffwechsels, sowie das Ausbilden unseres Immunsystems. Doch nicht jedem mag bewusst sein, dass dies bedeutet, dass beispielsweise der Darm mit einer möglichst großen Vielzahl guter Mikroorganismen und Bakterien besiedelt sein muss und dass der Säureschutzmantel der Haut nur durch das Vorhandensein von Milchsäurebakterien und anderen Mikroorganismen intakt bleibt. Joghurt, Käse, Brot und Bier gäbe es beispielsweise gar nicht, wenn es bestimmte Mikroorganismen nicht gäbe.

Das Buch »Dreck ist gesund«, das von Prof. Dr. B. Brett Finlay, einem Professor für Mikrobiologie an der University of British Columbia und der Mikrobiologin Dr. Marie-Claire Arrieta geschrieben wurde, verweist auf zahlreiche wissenschaftliche Forschungen, die belegen, dass Mikroorganismen die Gesundheit von Kindern in noch viel größerem Umfang beeinflussen, als allgemein bekannt und dass dabei zum einen die ersten hundert Lebenstage von entscheidender Bedeutung sind und zum anderen auch die Reifung des Immunsystems in starker Abhängigkeit von der Exposition mit Mikroben in der Kindheit ist.

Gute und böse Mikroben

Alle Neugeborenen werden mit einem unreifen Immunsystem geboren und die Immunzellen benötigen den Kontakt mit Mikroorganismen, um zu lernen, welche gut für den Menschen sind und welche nicht. Erst in einem Altern von zwei bis drei Jahren ist das Immunsystem ausgebildet. Kommt das Kind in dieser Zeit nicht in Kontakt mit wichtigen Mikroorganismen und Bakterien, reift das Immunsystem nicht vollständig aus und es kann unter anderem häufiger zu Überreaktionen des Immunsystems (Allergien) kommen, da das Immunsystem mit extremer Abwehr auf unbekannte Mikroben reagiert, die eigentlich völlig harmlos sind.

Im Mutterleib ist die Umgebung für das Baby noch größtenteils steril, doch mit dem Moment der Geburt empfängt es eine riesige Menge Mikroorganismen, hauptsächlich von der Mutter. Vaginal geborene Kinder werden überzogen mit vaginalen und fäkalen Mikroben, während Säuglinge, die per Kaiserschnitt entbunden wurden, Mikroben von der Haut der Mütter aufnehmen. Babys, die zu Hause geboren werden, werden außerdem ganz anderen Mikroorganismen ausgesetzt als im Krankenhaus geborene. Auch die Vielfalt und Art der Nahrung beeinflusst die Zusammensetzung der Mikroben unseres Körpers und formt dadurch auch unsere individuelle Darmflora, die nach neuesten Forschungsergebnissen auch eine wesentliche Rolle in der neurologischen Entwicklung und sogar in der Gesunderhaltung unserer Blutgefäße spielt. Durch das Krabbeln und Spielen nehmen Kleinkinder unterschiedlichste Mikroben aus ihrer Umgebung auf, doch welche und wie vielfältig diese sind, ist abhängig von den Lebensgewohnheiten und dem Umfeld der Familien. Ein Kind, das auf dem Bauernhof in Kontakt mit den „Hinterlassenschaften“ von Kühen und Hühnern aufgewachsen ist, verfügt in der Regel über ein wesentlich vielfältigeres Mikrobiom und ist seltener krank als Kinder, die nur mit Sandkasten- und Stadt-Mikroben in Kontakt gekommen sind.

Die Gabe von Antibiotika wirkt außerdem so zerstörerisch auf das Mikrobiom, dass es nach einer entsprechenden Therapie nicht nur zu bekannten Folgen wie Durchfall, Blasenentzündungen und Scheidenpilzinfektionen kommen kann, sondern die negativen Veränderungen noch jahrelang im Mikrobiom des Patienten nachweisbar sind und ihm wesentliche Mikroorganismen fehlen. Das Problem an der Sache: je geringer die Vielfalt des Mikrobioms ist, desto höher ist das Risiko an chronischen Leiden, wie zum Beispiel Asthma, Allergien, Adipositas, Autismus, Reizdarmsyndrom und Zöliakie zu erkranken.

Das dreiteilige Buch basiert auf fundierten Erkenntnissen wissenschaftlicher Studien und liefert im ersten Teil wertvolles Hintergrundwissen zum Zusammenspiel zwischen Menschen und Mikroben. Im zweiten Teil erfahren die Leser Fakten zu diversen Themen wie Schwangerschaft, Geburt, Stillen, Ernährung und Antibiotika. Außerdem erhalten sie im Anschluss an jedes dieser Kapitel hilfreiche Tipps in Form von „Dos und Don’ts“. Der dritte Teil beschäftigt sich mit verschiedenen Krankheitsbildern und beschreibt den Einfluss des Mikrobioms auf ihr Entstehen. Das Spektrum umfasst dabei die Krankheiten Adipositas, Asthma, Diabetes, Darmkrankheiten, Verhaltens- und psychische Störungen genauso wie Autismus und eine Reihe anderer Krankheiten, von denen vor fünf Jahren noch keiner ahnte, dass Mikroorganismen eine Rolle spielen.

Der Schlüssel zu einer gesunden Entwicklung unserer Kinder liegt in einem ausgeglichenen Haushalt von Mikroben, den Eltern über ihr Hygieneverhalten beeinflussen können. Wie das in der Praxis aussehen könnte, kann man in diesem Buch erfahren.

Autor: Marianne Büsing

Quelle / Buchtipp

Dreck ist gesund
Die Autoren des Buches – Brett Finlay und Marie-Claire Arrieta – haben in ihrer Arbeit als Mikrobiologen erforscht, dass zu viel Hygiene den Aufbau eines intakten Immunsystems hemmt und den Weg für eine Vielzahl chronischer Krankheiten wie Diabetes, Asthma und Fettleibigkeit ebnen kann.

Prof. Dr. B. Brett Finlay ist Professor für Mikrobiologie an der University of British Columbia und forscht seit über dreißig Jahren zu den Auswirkungen von Mikroben auf unseren Körper.

Dr. Marie-Claire Arrieta ist Mikrobiologin und Expertin für die Verbindung von Mikroben und dem menschlichen Immunsystem.

ISBN: 978-3-442-17707-3

Lesetipp für Kinder

Mikroben: Superkleine Superhelden
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