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Politische Justiz am Bundesverfassungsgericht?

Politische Justiz am Bundesverfassungsgericht?
Foto: Jaz_Online/shutterstock.com

von Wolfgang Jeschke

Als das Bundesverfassungsgericht das Verbot der für Bremen angemeldeten Demonstration der Bürgerbewegung am 5. Dezember 2020 bestätigte, war das Entsetzen groß. Dass die Links-Links-Grüne Regierung der Hansestadt Bremen und ihre Landesgerichte die Proteste der Demokraten verhindern wollten, war anzunehmen. Die bremische Regierung positionierte sich schon früh gegen die Sicherung der demokratischen Grundrechtsausübung in der Lockdown-Krise. Auch waren die Maßnahmen der Bremer Linksregierung härter als im benachbarten Niedersachsen. Während der erste Lockdown in Niedersachsen früh gelockert wurde und dort schon wieder Sportanlagen und Gesundheitseinrichtungen geöffnet waren, mussten Unternehmer und Bürger in Bremen und Bremerhaven noch lange warten, bis sie wieder Gesundheitsangebote nutzen konnten.

Politisch motiviertes Demonstrationsverbot

Die Veranstalter der geplanten Demonstration hatten fest damit gerechnet, dass die Bremische Justiz die Grundrechtsdemonstration nicht gestatten würde. Sie waren aber davon ausgegangen, dass das Bundesverfassungsgericht hier der Verfassung zum Recht verhelfen muss, wie dies auch bei anderen Demonstrationen der Fall war, weil immer wieder die ablehnenden Argumente der Behörden nicht die Anforderungen des Grundgesetzes erfüllten.

Einerseits handelte es sich beim Bremer Demonstrationsverbot um ein politisches Papier, das in weiten Passagen darauf abzielt, politischen Positionen, die nicht der Haltung der aktuellen Landesregierung entsprechen, keinen Raum zu geben. Das hinterlegte Dokument belegt die politischen Motive der Verbotsverfügung, die dadurch zu einem Gesinnungspapier wird. Wer schließlich in Bremen anwesend war, stellte fest, dass die „Gefahr für die öffentliche Ordnung“ nicht von den Bürgerrechtlern ausging, sondern von den gewaltbereiten Gegendemonstraten der LINKEN und der „Antifa“. Interessanterweise attestieren auch Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt der Bürgerrechtsbewegung keine rechtsextremen Positionen, sondern sehen eher in der Gegenbewegung aus dem linksfaschistischen Lager eine Gefahr für die öffentliche Ordnung.

BKA: Die Gefahr kommt von Linksradikalen

Andererseits wurde die Infektions-Gefahr, welche durch die Demonstration entstehen könnte, nicht wissenschaftlich und damit juristisch nicht bewertet, was für eine verfassungsmäßige Entscheidung gegen die Ausübung der Grundrechte aus Artikel 8 GG erforderlich gewesen wäre. Ein erhöhtes Infektionsrisiko durch Demonstreationen hat sich in den letzten Monaten nirgendwo gezeigt. Auch die offiziellen Daten des RKIs sprechen gegen ein gesteigertes Risiko der Infektion an der frischen Luft.

Also gingen die Demonstrations-Anmelder vor das Bundesverfassunsgericht. Dieses bestätigte allerdings zum Erstaunen vieler Verfassungsjuristen die Verbotsverfügung der Hansestadt mit einer unglaublichen Begründung. Bürgerrechtsanwalt Rald Ludwig: „Wir hatten anhand von Zahlen des RKI und anhand von Erkenntnissen des RKI ausgeführt, dass bei einer Versammlung unter freiem Himmel keine größere Gefahr durch eine unerkannte, ansteckende Person besteht, als an jeder anderen Stelle, an der sich diese Person aufhält. Die für ein Versammlungsverbot bisher in Jahrzehnten immer erforderliche „fast Gewissheit des Eintritts eines Schadens“ ist aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht sagt somit eindeutig, dass ein demokratisches Rechtswesen und eine freiheitliche Staatsordnung weniger Wert seien, als ein nicht quantifizierbares abstraktes Gesundheitsrisiko Dritter.“

Unbewiesene Risiken wichtiger als Grundrechte?

Die Entscheidung des CDU-geführten Bundesverfassungsgerichtes – Stefan Harbarth war CDU-Vorstandsmitglied und Vizefraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag – könnte die Zukunft unseres Landes fundamental verändern. Ralf Ludwig: „Mit dieser Argumentation kann man auch nächstes Jahr die Bundestagswahl verschieben. Und alle Wahlkämpfe verbieten.“ Wenn Harbarth in einem Interview mit der NWZ zitiert wird mit den Worten: „Mir ist um die Zukunft des Rechtsstaates nicht bange“, kann es Demokraten im Winter 2020 kalt den Rücken herunterlaufen. Es ist offenbar ein Rechtsstaat der neuen Normalität, wo Grundrechte nach Belieben und ohne Prüfung der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden können. Die Karlsruher Entscheidung widerspricht der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichtes. Die lautet: „Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.“ Im Falle des Bremer Demonstrationsverbotes setzt das Gericht die fatale Entscheidungsgeschichte fort, in der die Juristen bundesweit nach wie vor darauf verzichten, belastbare Belege für die behaupteten Risiken einzufordern und zu prüfen. Der Verzicht darauf verhindert die notwendige Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Verordnungen und Grundrechtseinschränkungen.

„Mir ist um die Zukunft des Rechtsstaates nicht bange“

Das Bundesverfassungsgericht ist der letzte Schutzwall des Volkes vor staatlichen Übergriffen. Die zunehmend politische Besetzung des Gerichtes scheint Kritikern recht zu geben. Neben CDU-Mann Harbarth unterzeichnete Gabriele Britz die Eilentscheidung zur Bremen-Demonstration. Über Frau Britz und die Besetzungsverfahren für Verfassungsrichter schrieb die taz: „Die parteilose Juristin wurde von der SPD vorgeschlagen. Im Gegenzug sagte die Partei zu, bei der voraussichtlich nächsten Richterwahl Ende 2011 den saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) zum Verfassungsrichter zu wählen. Müller würde dann im Zweiten Senat auf Udo Di Fabio folgen. Dieses Paket hatten die Unterhändler Jens Böhrnsen, SPD-Bürgermeister von Bremen, und Stefan Mappus, CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, ausgehandelt.“

Der Dritte Mitunterzeichner der Eilverfügung ist Henning Radke, welcher von der CDU/CSU-Fraktion nominiert wurde. Dass Parteien bei der Nominierung „ihrer“ Favoriten für die Verfassungsgerichte darauf auchten, welche Überzeugungen und Positionen ihr Abgesandter vertritt, ist nachvollziehbar und dient der Ausweitung der eigenen EInflusssphäre. Während bei Besetzungen der Gerichte in den USA durch Donald Trump stets große Proteststürme in den deutschen Medien ausbrechen, ist das politische Besetzungsverfahren in Deutschland kein Grund für eine kritische Würdigung. Doch auch hier gilt: Die Regierungsparteien können mit der Besetzung des Bundesverfassungsgerichtes langfristig EInfluss auf die verfassungsmäßige Ordnung im Land nehmen – ohne die Verfassung ändern zu müssen. Es reicht, dass das Bundesverfassungsgericht als „letzte Instanz“ der Volkssouveränität die Verfassung anders interpretiert.

Inzidenzwerte: der Irrtum ist leicht zu durchschauen

Die Verbotsverfügungen basieren einerseits auf der Unterdrückung der Meinung Andersdenkender und ist damit in sich schon ein Widerspruch gegen die Demonstrationsfreiheit des Artilel 8 GG. Diese Norm soll ja gerade die Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Bevölkerung schützen – unabhängig von den jeweils geäußerten Meinungen und politischen Positionen. Als „Totschalgargument“ dient aber in der aktuellenn Situation das vermeintliche Gesundheitsrisiko. Trotz einer Untersterblichkeit in Deutschland und trotz der Tatsache, dass das Durchschnittslter der mutmaßlich an COVID-19 verstorbenen Menschen über der durchschnittlichen Lebenserwartung liegt, wird noch immer die Angst geschürt.

Die Lockdowns und Demonstrationsverbote beruhen auf den „Inzidenzwerten“, die keine sind und auch keine objekte Grundlage haben. und deren Zustandekommen nicht dokumentiert ist. Das können auch medizinische Laien in den Gerichten schnell überprüfen und nachvollziehen.

  1. positive PCR-Testergebnisse sind keine Infektionen im Sinne des § 2 Zifffer 2 des IfSG,
  2. es werden auch keine Inzidenzwerte erfasst. Denn im epidemiologischen Sinn beschreibt die Inzidenz die Ausbreitung einer Krankheit, nicht die Ausbreitung der Testergebnisse,
  3. Krankheit ist nicht definiert als positiver PCR-Test, sondern laut BZgA: „Krankheit ist im engeren medizinischen Sinn Behandlungs- und/oder Pflegebedürftigkeit.“

Das Infektionsschutzgesetz, welches die Grundlage aller Maßnahmen und Grundrechtseinschränkungen liefert, dürfte in der aktuellen Situation nicht engewendet werden, weil seine eigenen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Dies nicht zu beachten, weckt den Verdacht, dass nunmehr auch das Bundesverfassungsgericht Teil einer politisch gelenkten Justiz zu werden beginnt.

Hier das Demonstrationsverbot des Bremer Ordnungsamtes.

Hier die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Hier die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes.

Die Bewertung der Bürgerrechtsbewegung durch das BKA.

Hier das Interview der NWZ mit Stefan Harbarth im Mai 2020.

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