Seit Januar 2019 gibt es offiziell drei Geschlechter
im Geburtenregister. Neben
männlich und weiblich gibt es nun eine weitere
Möglichkeit: divers. Divers dient dazu,
intergeschlechtlichen Menschen, die weder
eindeutig Frau noch Mann sind, eine Möglichkeit
zu bieten, ihr Geschlecht anzugeben.
Allerdings fasst dieses Konzept unterschiedliche
Gruppen zusammen, die nicht
gleich sind. Spielen Geschlechterbezeichnungen
überhaupt eine Rolle und welche Bedeutung
transportieren sie? Für Lann Hornscheidt,
tätig auf dem Gebiet der Linguistik
und Skandinavistik, ist der Fall klar: „Geschlechterbezeichnungen
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sind immer dann
nötig, wenn es um Diskriminierungsverhältnisse
geht und um politische Statements, in
denen antigenderistische Politiken eine Rolle
spielen.“
Im Herbst 2017 hat das Bundesverfassungsgericht
entschieden, dass die bis dato geltende
binäre Regelung gegen das Persönlichkeitsrecht
und das Diskriminierungsverbot verstoße.
Vorausgegangen war eine Klage der intergeschlechtlichen
Person Vanja, die sich weder als
Mann noch als Frau definiert. Der Grund dafür
ist, dass Vanja nur ein Chromosom hat, ein X.
In der Regel haben Frauen zwei X-Chromosomen
und Männer ein X- und ein Y-Chromosom.
Laut dem Deutschen Ethikrat gibt es 80.000 intersexuelle
Menschen in Deutschland. Genom,
Hormone und Körperteile von intergeschlechtlichen
Personen können Merkmale von sowohl
dem aufweisen, was dem weiblichen Geschlecht
zugeschrieben wird, als auch dem,
was als männlich gilt. Intersexualität hat ganz
unterschiedliche Formen, die nicht nur anatomisch,
sondern auch genetisch und hormonell
sein können. Auch muss nicht der Fall, wie bei
Vanja vorliegen, dass nur ein Chromosom vorhanden
ist, es besteht auch die Variante von
XXY-Chromosomen. Während der Schwangerschaft
entscheidet sich, ob Mensch mit männlichen
oder weiblichen Geschlechtsmerkmalen
geboren wird. Bis zur sechsten Woche sind
wir alle Zwitter. Erst ab diesem Zeitpunkt bilden
sich die Chromosomen-Paare und entscheiden
über unser Geschlecht. Bei Intersexuellen funktioniert
dieses Zusammenspiel nicht eindeutig
und Hormone und Enzyme lösen andere Folgen
aus. Nicht zu verwechseln ist Intersexualität mit
Transsexualität. Bei letzterer ist man von den
äußeren wie genetischen Geschlechtsmerkmalen
her zwar eindeutig männlich oder weiblich,
hat aber das Gefühl oder Bewusstsein, im Körper
des falschen Geschlechts zu stecken.
Der Gesetzgeber hatte infolge des Urteils des
Bundesverfassungsgerichtes bis Ende 2018
Zeit, das Personenstandsrecht dahingehend zu
ändern, dass er einen dritten Geschlechtseintrag
schafft oder gänzlich auf die Angabe verzichtet.
Seit Januar diesen Jahres besteht für intersexuelle
Menschen die Möglichkeit, ihr Geschlecht
als divers anzugeben. Diese Regelung
betrifft nur das Geburtenregister und betroffene
Personen können nachträglich eine Änderung
beantragen. Um den Eintrag im Register
ändern zu können, muss allerdings ein
ärztliches Attest vorliegen, um die Intersexualität
nachzuweisen. Besonders häufig sind Fälle,
in denen Kinder, die aufgrund von Mehrgeschlechtlichkeit
operiert wurden, um - meist auf
Elternwunsch - eher dem einen oder dem anderen
Geschlecht zu entsprechen. Laut einer Studie
der Universität Bochum wurden allein 2016
2.079 solcher kosmetischer Genitaloperationen
in Deutschland vorgenommen. Besonders problematisch
ist dies für das Kind, denn die Eltern
könnten das „falsche“ Geschlecht wählen und
das Kind somit belasten.
Zusammenhänge des
biologischen und
gesellschaftlich konstruierten
Geschlechts
Die wohl grundlegendste Funktion des menschlichen
Geschlechts ist die Fortpflanzung. Um einen
neuen Menschen zu zeugen, müssen sich
Mann und Frau paaren beziehungsweise deren
Keimzellen zusammengebracht werden. Das
erfordert also mindestens zwei Dinge: Ovarien
und Spermien. Während sich die Ovarien
im weiblichen Körper befinden, wird das Sperma
vom männlichen produziert. Soweit die Zeugung.
Die gesellschaftlich konstruierten Geschlechterrollen
sind historisch gewachsen und abhängig
vom historischen wie soziokulturellen
Umfeld, in welchem die Menschen leben. Entwickelt
aus den jeweiligen Rollen in der Stammesgeschichte
des Menschen, wirken diese
bis heute nach. Sie sind eng verbunden mit
der Physiologie der Geschlechter. In dem Buch
„Psychologie der Geschlechter: sexuelle Identität
in verschiedenen Lebensphasen“ schreibt
die amerikanische Psychologin Eleanor Maccoby:
„Die Tatsache, dass Frauen und nicht Männer
Kinder gebären und stillen, brachte für die
weibliche wie auch die männliche Rolle immer
gewisse Einschränkungen mit sich. Allerdings
sind diese Einschränkungen je nach Gesellschaft
sehr unterschiedlich. Deshalb dürfen wir
davon ausgehen, dass die inneren und äußeren
Zwänge, die mit den verschiedenartigen Fortpflanzungsfunktionen
der beiden Geschlechter
verbunden werden, an Rigidität verlieren, wenn
sich die Kulturen von den sozioökonomischen
Verbänden der Jäger und Sammler zu modernen
Formen der sozialen Organisation entwickeln.“
Im politischen Kontext wurden Männer und
Frauen auch in modernen Gesellschaften immer
wieder unterschieden. Beispiele: Die rein
männliche Wehrpflicht ist mittlerweile ein Relikt
aus dieser Vergangenheit. Bevor sie 2011 ausgesetzt
wurde, war die sie in Deutschland für alle
jungen Männer ab 18 Jahren bindend. Frauen
waren davon ausgenommen. Festgelegt wurde
das im Artikel 12a des Grundgesetzes. Interessanterweise
besagt der selbe Artikel auch, dass
im Verteidigungsfall sowohl Mann als auch Frau
das Militär unterstützen müssen. Allerdings geschieht
auch das in unterschiedlichen Rollen.
Denn während die Männer den Streitkräften
dienen müssen, sollen sich die Frauen in den
(m/w/d) Geschlecht und Identität