Sprengstoff
in der Nordsee
Forscher untersuchen Weltkriegs-Altlasten
2017 wurden rund zwei Tonnen Munition bei
Bauarbeiten für Fahrrinnen, Pipelines und Seekabeln
in der Nordsee gefunden. Dabei handelt
es sich um verschiedene Munitionsarten
wie Pistolenpatronen, Panzerfäuste, Seeminen,
Sprengbomben, Brandbomben, Torpedos
und Giftgasgranaten. Die chemischen Kampfstoffe
sollten eigentlich vor nunmehr 70 Jahren
im Auftrag der Alliierten von Fischern im
Meer entsorgt werden. Allerdings kippten sie
die gefährliche Fracht früher ins Meer als es
vorgesehen war – vermutlich um Treibstoff zu
sparen. Somit befindet sich ein nicht unerheblicher
Anteil der Munition außerhalb der markierten
Munitionsgebiete, schreibt die Fraunhofer
Gesellschaft in einer Pressemitteilung.
„Auch deutsche Schiffseigner wurden von den
Sowjets beauftragt die Munition in die Verklappungsgebiete
nach Bornholm und Gotland
zu bringen. Da sie nach Ladung bezahlt wurden,
haben sie schon auf dem Weg angefangen
die Munition über Bord zu geben. Im Skagerrak,
zwischen Dänemark und Norwegen
haben die Amerikaner und Briten die Verklappungen
durchgeführt. Hier wurden Schiffe beschlagnahmt,
beladen und versenkt. In diesen
Fällen sind die Dokumentation und auch die finale
Position sehr klar und eindeutig. Anders
bei der konventionellen Munition. Hier gab es
zig Eintragspfade über Jahrzehnte, an denen
auch viele deutsche Stellen beteiligt waren.
Eintragspfade waren: Kriegshandlungen (Minengürtel),
Manöver, Forschung und Tests an
Schießständen, Entsorgung nicht mehr benötigter
Munition, Panikdumping kurz vor Einlaufen
in deutsche Häfen am Ende des Krieges,
Bombardements zum Beispiel von Peenemünde,
Blindgänger und der Abwurf von
Bomben zur Ballastreduzierung nach Bombardierung
deutscher Städte“, erklärt der Biologe
Dr. Matthias Brenner vom Alfred-Wegener-Institut.
Somit muss ein großer Teil der Altlasten
erst einmal ausfindig gemacht werden.
Das Projekt
North Sea Wrecks
Das von der EU geförderte und mit mehr als
vier Millionen Euro budgetierte Projekt North
Sea Wrecks – An Oppurtunity for Blue Growth:
Healthy Environment, Shipping, Energy Producion
and -transmission „…soll sich der wissenschaftlichen
Erforschung sowie der politischen
und historischen Aufarbeitung der
Problematik von Kriegswracks, verklappter
Munition und der daraus resultierenden Umweltverschmutzung
in der Nordsee widmen“,
sagt Dr. Phillipp Grassel vom Deutschen
Schifffahrtsmuseum. Ein Team des DSM koordiniert
das über vier Jahre laufende Forschungsprojekt
und wird dabei von circa 30
europäischen Partnern unterstützt.
Zunächst sollen die Standorte von Kriegswracks,
Ladung und Abfällen am Meeresboden
identifiziert, kartiert und bewertet werden.
Aber auch die wirtschaftlichen, ökologischen
und sicherheitsrelevanten Herausforderungen
sollen ins Bewusstsein gerückt werden. „Die
Forschungsergebnisse sollen für eine Sensibilisierungskampagne
genutzt werden. Das Thema
soll in der Gesellschaft sowie in der Politik
verankert und auf die Agenda der politischen
Entscheidungsträger gebracht werden. Ziel ist
es, mit den Forschungsergebnissen den Aus-
Fotomontage: jeschke GfK . | Originalfoto: christianthiel.net/shutterstock.com
Nach Schätzungen des Bund/Länder-Ausschusses Nord- und Ostsee BLANO befinden sich 1,6 Millionen Tonnen konventionelle und
220.000 Tonnen chemische Kampfmittel auf dem Meeresgrund der Nord- und Ostsee – ein gefährliches Erbe. Denn nicht nur unmittelbare
Gefahr durch mögliche Explosionen der Sprengkörper droht, sondern auch die längerfristige Verseuchung der Meere mit hochtoxischen
Stoffen. „Nach dem Zweiten Weltkrieg dachte man, das Meer sei eine Müllkippe. Jetzt holt uns die Vergangenheit wieder ein“,
sagt Prof. Dr. Sunhild Kleingärtner, Direktorin des Deutschen Schifffahrtsmuseums/-Leibniz-Institut für Maritime Geschichte in Bremerhaven.
Ein Forschungsprojekt unter Beteiligung des Deutschen Schifffahrtsmuseums soll sich dieser Problematik jetzt annehmen und
mögliche Lösungsansätze liefern.
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