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IM DILEMMA: Ärzte als Betrüger
Milliardenschäden durch Gefälligkeitsatteste
Das Internet ist voll von Ratschlägen dazu,
wie man sich ein Attest beim Arzt
erschleichen kann. Ob für den Urlaub auf
Krankenschein, die Stornierung einer Reise,
die Kündigung von Fitnessverträgen –
das offizielle Dokument verspricht Bereicherung
auf Kosten anderer. Die Schäden
gehen in die Milliarden. Und immer wieder
spielen Ärzte freiwillig mit. Dass sie sich
dabei strafbar machen, ist den wenigsten
bewusst.
Ärzte genießen als Helfer in der Not ein hohes
Ansehen in der Bevölkerung. Sie sind wichtige
Instanzen in unserem Leben, das immer wieder
von Krankheiten und den Folgen von Unfällen
betroffen sein kann. Eine ganz besondere
Funktion haben sie für die Gesellschaft als Gutachter.
Das sind sie nämlich immer dann, wenn
sie Atteste und Gesundheitszeugnisse ausstellen.
Ärztliche Gutachten und Bescheinigungen
haben eine große Bedeutung für Wirtschaft und
Gesellschaft. Der massenhafte Missbrauch von
ärztlichen Attesten verursacht jedes Jahr Schäden
in Milliardenhöhe.
Die Verwendung ärztlicher Gutachten zur Umgehung
eigener Pflichten ist längst zur Normalität
geworden. Studenten verschieben ihre
Prüfungen, Eltern nehmen ihre Kinder vor den
Sommerferien früher aus der Schule, Freizeitsportler
kündigen damit „aus wichtigem Grund“
Verträge mit ihren Fitnessstudios, Beschäftigte
beurlauben sich selbst und so weiter und so
fort. Interessant ist dabei, dass die Täterinnen
und Täter keinerlei Unrechtsbewusstsein haben
und das offenbar auch bei zahlreichen Ärzten
der Fall ist. Das Internet ist voll von Hinweisen
darauf, wie man mit Attesten sein Leben besser
gestalten kann. Ob Selbstbeurlaubung oder
Vertragsbruch: Mit Hilfe des Arztes lassen sich
unliebsame Verpflichtungen beenden oder unterbrechen.
Nicht immer wissen die Ärzte, dass sie sich mit
falschen Attesten möglicherweise strafbar machen.
Die Regelung in der Berufsordnung der
Ärzte ist jedoch eindeutig. Der § 25 der Berufsordnung
verlangt vom Arzt bei der Ausstellung
von Gutachten und Zeugnissen die notwendige
Sorgfalt nach bestem Wissen auf der Grundlage
seines ärztlichen Wissens. Wunsch- oder
Gefälligkeitsbescheinigungen dürfen schon danach
nicht ausgestellt werden.
Gefälligkeitszeugnisse sind dennoch an der
Tagesordnung. Am häufigsten werden sie zur
Selbstbeurlaubung durch Beschäftigte angefordert.
Sei es Arbeitsunlust, der Wunsch
nach etwas mehr Freizeit oder dringende Angelegenheiten,
für die man keinen Urlaub opfern
will: Der Arzt verschafft den Beschäftigten
mehr Freizeit auf Attest. Symptomatisch
ist der Einsatz von Attesten nach Kündigung
eines Beschäftigungsverhältnisses. Der Gang
zum Arzt ist typisch für die letzten Wochen eines
Beschäftigungsverhältnisses und stellt einen
Lohnfortzahlungsbetrug dar.
Den Schaden erleiden hier Unternehmen und
Versicherer. Unternehmen finanzieren die ersten
sechs Krankheitswochen vollständig aus ihren
direkten Mitteln. Danach übernehmen die
Krankenkassen die Zahlungen in einem verringerten
Umfang – allerdings auch aus den Lohnfortzahlungsfonts,
die die Arbeitgeber anfüllen.
Stellt ein Arzt ein falsches Gesundheitszeugnis
aus, verursacht er so einen Schaden bei den Arbeitgebern
und Aufwände bei den Krankenkassen.
In § 278 ist das Strafmaß hierfür mit bis zu
zwei Jahren Haft angesetzt. In jedem Fall aber
muss ein Arzt mit einer Vorstrafe und erheblichen
Strafzahlungen rechnen, wenn er falsche
Atteste ausstellt.
„Von der Unrichtigkeit eines Gesundheitszeugnisses
ist auszugehen, wenn wesentliche
Feststellungen nicht im Einklang mit
den Tatsachen stehen oder nicht mit dem
allgemein anerkannten Stand der medizinischen
Wissenschaft in Einklang zu bringen
sind. Einzelne Teile eines Gesundheitszeugnisses
können unrichtig sein, wenn auch die
Gesamtbeurteilung des Patienten zutreffend
ist. Wird ein Befund bescheinigt, ohne dass
der Arzt überhaupt eine Untersuchung vorgenommen
hat, ist ebenfalls von der Unrichtigkeit
auszugehen.“
Dr. jur. Hermann Fenger im Deutschen Ärzteblatt
(Dtsch Arztebl 2009; 106(30): A 1506–8)
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