Die Anonymität im Netz senkt die Hemmschwelle
Cybermobbing
Psychoterror im Netz:
Wie man betroffenen Kinder helfen kann
Peinliche Fotos und Videos werden verbreitet, Gerüchte gestreut,
Menschen im Netz beschimpft, beleidigt und bedroht -
Cybermobbing hat viele Gesichter. „Sobald digitale Medienkanäle
genutzt werden und wenn jemand systematisch und über
Bilder: Kylie Walls shutterstock.com (Mädchen am Computer), Brian A Jackson shutterstock.com ( Junge mit Handy), GoodStudio shutterstock.com (Grafiken) www.basta-magazin.de
einen längeren Zeitraum hinweg regelrecht fertiggemacht
wird, handelt es sich um »Cybermobbing«", erklärt Kristin Langer,
Mediencoach der Initiative »SCHAU HIN! Was Dein Kind mit
Medien macht«, mit der die AOK kooperiert.
Psychoterror im Netz ist weit verbreitet. Einer Befragung des Bündnisses
gegen Cybermobbing (www.buendnis-gegen-cybermobbing.
de) zufolge sind etwa 13 Prozent der Schülerinnen und Schüler
in Deutschland bereits Opfer solcher Attacken geworden. Das
kritischste Alter liegt zwischen zwölf und 15 Jahren. Verbreitet werden
Beschimpfungen, Beleidigungen, Gerüchte und Verleumdungen
meist in sozialen Netzwerken. Die Befragung von mehr als
3000 Schülern, Eltern und Lehrern ergab auch, dass mehr als 13
Prozent der Befragten bereits Täter von Cybermobbing-Attacken
waren. Bemerkenswert hierbei ist: Täter und Opferrolle gehen
manchmal fließend ineinander über: jeder fünfte Täter war selbst
schon einmal Opfer von Cybermobbing.
Anonymität senkt die Hemmschwelle Im Vergleich zu direktem
Psychoterror im Klassenzimmer oder auf dem Schulhof unterscheidet
sich Cybermobbing durch einige wesentliche Punkte:
Anonymität: Die Betroffenen wissen nicht, wer sie bloßstellt oder
beleidigt. Die Mobber können unerkannt bleiben. Das senkt die
Hemmschwelle, jemanden in modernen Medien zu diffamieren.
Reichweite: Die Attacken können das Opfer rund um die Uhr
und in verschiedenen Medien erreichen. Die Zahl derjenigen, die
davon erfahren, ist groß und unüberschaubar. Auch die Zahl der
"Mitläufer", die etwa peinliche Fotos gut finden und weiterverbreiten,
ist höher als bei direktem Mobbing in der Schule.
Zeitliche Dauer: Es ist schwierig, Inhalte vollständig aus dem
Netz zu löschen. Auch wenn beleidigende Kommentare in einer
Community entfernt sind, können sie später an anderer Stelle wieder
auftauchen.
„Dieser Dauerbelastung kann ein einzelner Mensch kaum standhalten“,
weiß "SCHAU HIN!"-Medienpädagogin Langer. „Gerade
Kinder und Jugendliche werden dadurch tief verunsichert.“ Viele
schämen sich und ziehen sich zurück, manche reagieren aggressiv.
Auswirkungen des Psychoterrors können auch sein, dass Kinder und
Jugendliche über Kopf- oder Bauchschmerzen klagen und nicht
mehr zur Schule gehen wollen. Im schlimmsten Fall macht Psychoterror
krank. Nach Langers Erfahrung ist jeder Fall von Cybermobbing
anders. „Manchmal beginnt alles mit einem Missverständnis,
das nicht persönlich geklärt wird, und schaukelt sich immer weiter
hoch“, sagt sie. Viele Jugendliche hielten es auch für einen Spaß, beispielsweise
Fotos von anderen zu verfremden und ins Netz zu stellen,
und wüssten gar nicht, was sie damit anrichten könnten. Den
meisten sei zudem nicht klar, dass man erst das Einverständnis des
Abgebildeten einholen muss, bevor man ein Bild veröffentlicht.
Um Cybermobbing vorzubeugen, empfiehlt Langer Schülern, persönliche
Daten und Fotos für sich zu behalten und nicht jedem alles
von sich preiszugeben. Ratsam sei es auch, geschützte Chaträume
wie die in den Portalen Seitenstark.de oder Kindersache.de
zu nutzen, in denen man Beleidigungen melden kann. Generell sei
es sinnvoll, Störer zu ignorieren und zu blockieren. Die Medienpädagogin
appelliert zugleich an Schüler, sich im Netz auch selbst
respektvoll zu verhalten. Sie sollten nicht bei fiesen Attacken gegen
andere mitmachen und auch nicht unüberlegt zurückbeleidigen,
sondern Konflikte lieber persönlich klären. Bei massiven Beleidigungen
sollten sie sich nicht scheuen, Hilfe zu holen, indem sie
ihre Eltern oder Lehrer informierten.
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