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Eine Studie der Universität Würzburg, die jährlich durchgeführt wird,
untersucht das Vertrauen von Deutschen in die Presse, den Rundfunk
und das Fernsehen. Die Ergebnisse zeigen, dass es 2015 einen
leichten Einbruch (45,7%) im Vergleich zum Vorjahr (46,9%) beim
Vertrauen in die Deutsche Presse gab. Laut Otto steht dieser Vertrauensverlust
im direkten Zusammenhang mit der Berichterstattung
während der Flüchtlingskrise. Er ist der Meinung, dass die unkritische
Auseinandersetzung mit der Flüchtlingspolitik der Regierung
die Wut einiger, die mit dem politischen Kurs nicht einverstanden
waren, befeuerte. Die Medien hatten sich aus Sicht der Asylpolitikkritiker
nicht an die Objektivitäts-Verpflichtung des Journalismus gehalten.
Sie hatten sich auf die Seite einer Sache gestellt, sich somit
im Diskurs positioniert und „die objektive Nachricht mit subjektiver
Meinung vermengt“, bemerkt Otto. Daher rührt letztlich auch die
größte Kritik an den Medien, die zu dem Vertrauenseinbruch führte.
Allerdings währte der nicht lang, denn im Jahr darauf stieg das Vertrauen
wieder auf satte 55,7% an. „Die Gründe dafür sind das gesteigerte
Interesse an der Pressefreiheit. Die Gesellschaft sieht an Beispielen
wie Erdogan oder Trump, wie wichtig die Presse als Kontrollinstanz
der Politik gegenüber ist“, erklärt Otto. Zu einem ähnlichen
Befund kommt auch die Langzeitstudie Medienvertrauen der Universität
Mainz: „Die Lügenpresse-Hysterie ebbt ab, Medienvertrauen
steigt, die Debatte um Fake News & Hasskommentare zeigt Wirkung“.
Zusätzlich verzeichnet die Studie einen Rückgang des Vertrauens
in das Internet.
Dennoch ist laut dem Statistik-Portal statista für die Befragten das
Internet (71%), neben Verwandten und Freunden (80,3%) die meistgenutzte
Informationsquelle. Auch wird diesem Medium von vielen
Vertrauen geschenkt, obwohl die Chance, an Falschaussagen zu geraten,
sehr hoch ist, wenn man sich fern von Homepages etablierter
Medienagenturen bewegt. Die sogenannten alternativen Fakten
sind hier zuhause – und gefallen sie nicht, sucht man sich eben andere
Fakten, die besser zum eigenen Weltbild passen. Das ist die
Crux der „Fakten“ im Internet: die Gefahr, in einer Filterblase zu landen,
steigt dabei exponentiell. Google, Facebook, Youtube und viele
andere Internet-Dienstleister sammeln permanent Daten, verfolgen
die Nutzer auf Schritt und Klick, um so eine personifizierte Vorauswahl
zu treffen, die jedem beim Surfen im Web maßgeschneiderte
Inhalte anbietet. Man ist überwiegend abgeschirmt von anderen Meinungen
– aber das ist nicht unbedingt ein Gewinn.
Blogs, Youtube-Kanäle und Social-Media-Profile sprießen wie Pilze
aus dem Boden, werfen den Leitmedien Meinungsmache vor und liefern
die vermeintlichen Fakten zur eigenen Meinungsbildung. Gleichzeitig
werden die großen Medienhäuser, Zeitschriften, Radio- und
Fernsehsender scharf angegriffen, da sie nicht die eigene Meinung
wiedergeben. Dieses Verhalten zeigen insbesondere Menschen, die
sich weit rechts außen positionieren. „Der große Teil der Presse ist
links-liberal eingestellt“, erklärt Otto. Damit sind Reibungen aufgrund
von Meinungsverschiedenheiten mit der extremen Rechten vorprogrammiert.
Sie werfen den seriösen Medien schlechten Journalismus
oder Meinungsmache vor, obwohl sie in ihren Filterblasen genau das,
was sie anprangern, freiwillig über sich selbst ergehen lassen. Anstatt
sich selbst kritisch zu hinterfragen, graben sie sich lieber so tief
in die Blase ein, dass jegliche Chance auf Überprüfung der eigenen
Position ebenso begraben wird.
DIE FILTERBLASE
Die Filterblase (englisch filter bubble) oder Informationsblase ist
ein Begriff der Medienwissenschaft, der vom Internetaktivisten
Eli Pariser in seinem gleichnamigen Buch von 2011 verwendet
wird. Laut Pariser entstehe die Filterblase, weil Webseiten
versuchen, algorithmisch vorauszusagen, welche Informationen der
Benutzer auffinden möchte – dies basierend auf den verfügbaren
Informationen über den Benutzer (beispielsweise Standort des
Benutzers, Suchhistorie und Klickverhalten). Daraus resultiere eine
Isolation gegenüber Informationen, die nicht dem Standpunkt des
Benutzers entsprechen.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Filterblase
Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt!
Der ehemalige Bundesminister für Justiz und für Verbraucherschutz
Heiko Maas warnte in einer Rede zum Thema „Zusammenleben in
der digitalen Gesellschaft – Teilhabe ermöglichen, Sicherheit gewährleisten,
Freiheit bewahren“ am 03. Juli 2017 in Berlin vor den sogenannten
Filterblasen, in denen „wir oftmals nur noch auf Positionen
treffen, die uns in der eigenen Meinung bestärken“. Im Umkehrschluss
würden andere Positionen, die von der eigenen Meinung
abweichen, gemieden werden. Die Filterblasen und ihre Algorithmen
sind also die Übeltäter? Nicht ganz: eine Studie von der Universität
Amsterdam kommt zu dem Schluss, „dass es derzeit nur wenige
empirische Belege gibt, die Sorgen um Filterblasen rechtfertigen“.
Trotzdem wird davor gewarnt, „dass wenn die Entwicklung von
personifizierter Technologie weiter voranschreitet und personifizierte
Nachrichten die Hauptquelle von Informationen der Leute sind, es
durchaus problematisch für eine Demokratie sein kann.“ Somit sind
vorerst nicht die Filterblasen das Problem, sondern die Menschen,
die nicht bereit dazu sind, die Blase zu verlassen und über den Tellerrand
zu schauen. Aber können wir anders?
Eine Studie aus den 90ern des Briten Andrew Wakefield bringt die
Impfungen von Masern, Röteln und Mumps mit dem Aufkommen von
Autismus bei Kindern in Verbindung. Doch obwohl die Studie später
als Auftragsarbeit und Fälschung entlarvt wurde, argumentieren viele
Impfgegner immer noch damit. Auch der deutsche Psychologe Prof.
Dr. Tobias Greitemeyer setzt sich in einer Studie mit dem Thema auseinander.
Der Forscher legte seinen Probanden eine Studie vor, die
besagte, dass die physische Größe eines Menschen prosoziales Verhalten,
also zum Beispiel soziales Engagement fördere. Diese Studie
wurde allerdings ziemlich schnell von der Fachwelt in Frage gestellt
und bewiesenermaßen für falsch erklärt, da der Autor Lawrence Sanna
sich seine Forschungsergebnisse lediglich ausgedacht hatte. Das
teilte Greitemeyer auch den Probanden mit. Doch als er sie fragte,
ob wirklich was an der Studie dran sein könnte, bekam er erschreckender
Weise zum größten Teil positive Antworten. Die Probanden
gingen sogar soweit, dass sie sich Gründe ausdachten, die für den
Zusammenhang von Körpergröße und Philanthropie sprechen könnten.
Die Meinung ist also wie ein Filter, an dem sich Fakten messen
müssen, die, sobald sie dem Filterkriterium widersprechen, meistens
abgeschmettert werden.
Das Problem des Vertrauensmangels gegenüber den Medien bleibt
ein sehr persönliches. Die eigene Meinung ist wichtiger Bestandteil
einer demokratischen Gesellschaft. Im Idealfall beruht sie auf einem
fundierten Faktenwissen. Das erlangt nur, wer sich mit anderen
Denkweisen und Argumenten offen und so kritisch wie selbstkritisch
auseinandersetzt. Björn Gerken