gesundheit 41
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sen schlimm sei, dass die Menschen, nach Ewigkeiten des Egoismus
und der mangelnden Nächstenliebe alles bisher Gegebene überdenken
und ihr Verhalten so stark ändern, als müssten sie ihre Seele
mit guten Taten auf das kurz bevorstehende Ende der Welt vorbereiten.
Was macht die Angst oder Aggression von Eltern mit
der Psyche ihrer Kinder?
Wie sich Kinder in dieser Situation fühlen, wie sie damit umgehen
und wie sie die verordneten Restriktionen aufnehmen, ist sehr individuell
und hängt zum einen mit dem Alter der Kinder zusammen
und zum anderen damit, wie ihre Eltern selbst auf diese reagieren.
Doch die Meinung, dass Säuglinge und Kleinkinder noch gar nichts
davon mitbekämen, ist schon seit langem widerlegt. Marion Sonnenmoser
schreibt 2009 im Deutschen Ärzteblatt: „Noch vor knapp
20 Jahren vertraten die meisten Experten die Meinung, dass Kinder
(…) nichts oder kaum etwas mitbekommen. Ihre kognitiven und
psychischen Strukturen seien noch nicht ausgereift, um zu reflektieren
und das Geschehene in all seinen Dimensionen bewusst zu
begreifen. Auch nahm man an, dass sich nach den meisten traumatischen
Ereignissen keine oder nur minimale und vorübergehende
Störungen entwickelten.“ Heute wisse man, dass Kinder schon vom
ersten Lebensjahr an psychische Erkrankungen infolge von stresshaften
Erfahrungen entwickeln können.
Das Verhalten der Eltern prägt das Verhalten der Kinder
Die Rahmenbedingungen, in denen Kinder diese Ausnahmesituation
erleben, sind sehr unterschiedlich. In manchen Familien sind
eher negative Gefühle präsent. Stress, Traurigkeit, Angst und Tod
sind die vorherrschenden Themen und verstärken das Gefühl der
Unsicherheit und des Ausgeliefertseins. Diese Familien leiden möglicherweise
vermehrt unter logistischen Problemen, weil sie nicht
zu Hause bleiben können aber auch keine Betreuungsmöglichkeiten
für ihre Kinder haben. Manche haben Existenzängste aufgrund
einer schwierigen Arbeitssituation oder beengte Wohnverhältnisse
ohne Rückzugsmöglichkeiten. Viele Eltern sind darüber hinaus mit
dem Homeschooling überfordert – oder auch einfach nur mit der
Tatsache, nun rund um die Uhr mit Ihren Kindern zusammenleben
zu müssen. In anderen Familien herrscht eine eher positive Energie,
ein Gefühl der Geborgenheit. Diese Eltern haben vielleicht eher die
Möglichkeit, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, sich ihnen
zuzuwenden und die Zeit sinnstiftend zu nutzen. Eventuell ist das
Wohnen weniger beengt oder es gibt sogar einen Garten, in dem
man sich an der frischen Luft im geschützten Bereich austoben und
auch mal aus dem Weg gehen kann.
Wenn Eltern Kindern nun aber vorleben, dass man in Krisenzeiten
vor Angst erstarrt, sich emotional einigelt und mit Medien ablenkt
oder Alkohol betäubt, kann die vorgelebte destruktive Hilflosigkeit
dazu führen, dass die Kinder dieses Angstverhalten erlernen –
es kopieren, abspeichern und so auf Angst konditioniert werden.
Daraus können emotionale Störungen wie Aggression, Resignation,
Apathie, Depression und Lernstörungen resultieren. Prägend ist
aber nicht nur was die Eltern tun und sagen oder wie sie sich verhalten
– auch die Körpersprache und Mimik wird von Kindern sehr
genau interpretiert und prägt sich als Verhaltensmuster ein. Denn
laut dem Lexikon für Psychologie und Pädagogik „(Gibt es) für das
Gehirn keinen Unterschied, ob ein Mensch vor etwas selbst Angst
hat oder nur einen Menschen in einer angstvollen Situation beobachtet.“
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Die Situation in der Grundschule
Im Gegensatz zu den Jugendlichen in den Abschlussklassen der höheren
Stufen ist die Situation der Grundschüler besonders problematisch.
Kinder in diesem Altern leben ihre sozialen Kontakte instinktiv
und mit sehr viel körperlicher Nähe aus. Anderen Kindern
oder den Lehrern mit einer kontrollierten, räumlichen Distanz zu
begegnen, ist ihnen schier unmöglich. Der Spieltrieb und das Nähebedürfnis
sind viel zu stark ausgeprägt, die Selbstkontrolle aber
kaum. Diese Altersgruppe muss den ehemaligen Schutzraum Schule
nun als eine Art Gefängnis oder Kaserne erleben, die mit der
Schule, wie sie sie bisher kannten, nur noch wenig zu tun hat.
Die Schüler werden ihrem gewohnten Klassenverband entrissen, in
Kleingruppen aufgeteilt, müssen isoliert an einem Tisch sitzen. Die
Laufwege sind vorgegeben, der Gang zum Klo rationiert und ständig
muss desinfiziert werden. Selbst in den Pausen dürfen sie sich
auf dem Schulhof nicht frei bewegen und spielen, weil es sonst unmöglich
wäre, dass die Kinder den gebotenen Abstand zueinander
eingehalten würden. Jeder hat auf seinem kleinen Fleckchen
Schulhof auf der Stelle zu treten und darf keinem der Freunde zu
nahekommen. Auf Schritt und Tritt stehen die Schüler unter einer
strengen Kontrolle. Und selbst den Lieblingslehrern dürfen sich die
Kinder nicht mehr nähern. Die, die sonst der sichere Hafen waren,
ihnen zur Seite standen und auf die sie zählen konnten, distanzieren
sich nun von ihnen und entziehen sich ihnen körperlich und
räumlich. Bindungsforscher Grossmann: „Bei Kindern gibt es keine
engagierte Bildung ohne persönliche Bindung (…). Wenn man Bildung
will, muss man sich auf Bindungen einlassen.“2 Eine gute Lehrer
Schüler-Bindung fördert das Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl
der Schüler, löst die Angst vor Unbekanntem und fördert die
Neugierde. Doch gerade diese enge Bindung, die Kinder in diesem
Alter benötigen, um gut lernen zu können, wird ihnen in der Corona
Schulsituation vehement verwehrt.
Welchen Schaden Kinder als Folge all dieser Erlebnisse nehmen,
wird sich erst noch zeigen müssen. Klar ist, dass die Auswirkungen
in ihrem Umfang nicht vorhersehbar sind, sich aber bereits
deutlich abzeichnet, dass unsere Gesellschaft nicht nur mit fatalen
wirtschaftlichen, sondern auch mit ebensolchen emotionalen
und psychologischen Umbrüchen konfrontiert werden wird. Gerade
in Phasen, die von Unsicherheit geprägt sind, brauchen Kinder
Zuversicht, Sicherheit und Zuwendung. Die politisch Verantwortlichen
entschieden sich aber für das genaue Gegenteil. Obwohl gerade
hinsichtlich der Kinder die Wissenschaft einig zu sein scheint,
dass sie als Überträger oder potenziell Erkrankte keine Rolle spielen,
werden Kinder auf die furchtbarste Weise traumatisiert: es wird
ihnen das Grundvertrauen in die Welt entzogen. Und ihre erwachsenen
Begleiter werden entgegen jeder pädagogischen, psychologischen
und empathischen Notwendigkeit gezwungen, ihnen
das vorzuenthalten, was sie am dringendsten benötigen: Nähe.
Marianne Büsing
2 (Die Bedeutung der Bindungstheorie für die Schule und den Unterricht Autor: Claus Koch, 2016), www.paedagogisches-institut-berlin.de (2020-04-27)
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