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Das Sexleben von Eltern
Die ganze Wahrheit
Viele Eltern haben kaum Sex – das ist die
Wahrheit. Und natürlich mag es Ausnahmen
geben. Eltern, die die Zeit und Kraft finden,
das Paarsein zu leben und neben Kindererziehung,
Hausaufgabenhilfe, Haushalt,
Garten, Kochen, Arbeit, Taxidienst, dem eigenen
Hobby und den Hobbys der Kinder noch
die Gelegenheiten finden, sich regelmäßig
auch körperlich zu lieben. Doch die Wahrheit
ist, dass unserer Erfahrung nach viele Eltern
nur noch auf ein oder zwei handvollmal Sex im
Jahr kommen.
Für Singles und Paare ohne Kinder ist das schier
unvorstellbar und ich muss zugeben, dass das
für uns früher auch unvorstellbar war. Denn
Sex war immer eine große, hervorragende Sache
www.basta-magazin.de Bilder: George Rudy shutterstock.com (Titelbild Füße), greenga shutterstock.com (Kussmund)
zwischen uns. Beide haben wir, miteinander
und vor unserer Beziehung, wilde Zeiten erlebt,
in denen wir unsere Sexualität voll ausgelebt
haben, neugierig diverse Sextechniken ausprobiert
und Bücher darüber verschlungen haben,
um noch bessere Liebhaber zu werden und noch
besseren Sex zu haben. Sex war etwas, das viel
Raum einnahm in unseren Gedanken und unserem
Handeln. Für uns war es nie nur die schönste
Nebensache der Welt – es war eine der schönsten
Hauptsachen und eingebettet in ein unbeschwertes
Leben, das aus einer Menge anderer
gemeinsamer Unternehmungen, Vergnügungen
und viel Spontaneität bestand. Wir beide
waren überzeugt davon, dass wir nicht zu denjenigen
gehören würden, bei denen die knisternde
Energie der Erotik und das Sexleben auf der
Strecke bleiben würden. Nein, uns könnte das
einfach nicht passieren. Doch erstens kommt es
anders und zweitens als man denkt.
Plötzlich war alles anders
Nach einer schweren, sehr langwierigen Geburt,
bei der ich voll auf meinen Mann zählen konnte,
war dann plötzlich alles anders. Ein neues Thema
war auf einmal die Hauptsache in unserem
Leben geworden: Unser Kind. Wunderschön, erfüllend,
nerven- und schlafraubend, verdrängte
diese wundervolle Hauptsache alle anderen,
die jemals da gewesen waren und machte
sich allumfassend breit in unserem Leben, was
wir auch genau richtig und gut fanden – denn
wir hatten ja bewusst auf diese Veränderung
hingearbeitet. Doch neben den üblichen Sexhemmnissen,
mit denen Frauen nach der Geburt
kämpfen müssen, wie einem veränderten
Körper, mit dem man sich selbst erst einmal anfreunden
muss, mit neuen Narben, Rallyestreifen,
schmerzenden Brüsten, einem gerissenem
und vernähten Damm sowie einer ebenso verletzten
Klitoris, verschandelten Schamlippen,
Krampfadern, Hämorriden und einem Hormonschub
sondergleichen, der die Frau voll auf Mutter
polt, kamen noch andere Dinge hinzu. Man
sieht den Partner nicht mehr nur als Ehemann
oder Ehefrau, besten Freund und Sexobjekt, sondern
auch als Vater bzw. Mutter und knüpft daran
ein bestimmtes Rollenbild, das man mit dem
Vater- oder Muttersein verbindet. Es entsteht eine
Erwartungshaltung, wie der Partner als Vater
oder Mutter zu sein und wie er sich zu verhalten
hat. Plötzlich fallen Kleinigkeiten, die nicht perfekt
sind am Partner und vorher völlig akzeptabel
waren, stärker ins Gewicht. Es gibt Ärger und
Frust darüber, wer dieses Mal dran ist mit Aufstehen
und dem Rumtragen des schreienden Kindes,
wer dieses Mal füttert, stinkende Winden
wechselt oder die Flaschen säubert. Besonders
wenn beide Eltern, wie bei uns der Fall, bereits
acht Wochen nach der Geburt wieder arbeiten,
tritt einem eine nicht klar geregelte Rollenverteilung
in den Allerwertesten und befördert einen
in eine besondere Hölle der Elternschaft.
Naja, ganz so schlimm war es bei uns nicht. Doch
wie bei allen Paaren, die Eltern werden, stieg
auch bei uns der Stresspegel, der Schlafentzug
nagte an den Nerven und die Lust auf Sex
war aus diversen Gründen etwas, was erst wieder
einmal in Schwung kommen musste, wenn
die Wunden der Geburt verheilt und jeder seine
Rolle in der frischgebackenen Familie gefunden
hatte.
Die Unzufriedenheit wächst
Dabei war es uns anfangs gar nicht so wichtig,
wie häufig wir Sex hatten. Liebe, Zuneigung,
Glück und Erotik in kleinen Berührungen, Gesten
und Blicken gehen nicht nur Hand in Hand
gesellschaft