
essen befasst – den Interessen des Tieres und
den Interessen des Menschen. Die verschiedenen
Denkmodelle führen auf ähnlichen, aber in
den Details durchaus verschiedenen, Wegen zu
einer ethischen Herleitung von Bewertungen,
die einen völlig anderen Umgang mit Tieren und
der belebten Natur insgesamt fordern lassen.
Die Arbeiten der Philosophen Peter Singer, Tom
Regan, Elisabeth Anderson, Mary Midgley – um
nur einige zu nennen, deren Denkmodelle bereits
vor Jahrzehnten entwickelt wurden – bestimmen
auch heute die Diskussion.
Peter Singer, australischer Philosoph, prägte
den Begriff des Speziesismus. Speziesismus
ist die Begründung für Ausbeutung und Diskriminierung
von Lebewesen aufgrund der Tatsache,
dass sie nicht zur menschlichen Spezies
gehören. Wie sein Kollege Tom Regan zählt Peter
Singer zu den Philosophen, die in ihrer Argumentation
keinen Rückgriff auf Gefühle nehmen:
Empathie, Fürsorge, Mitleid spielen in ihren
Betrachtungen keine Rolle. Das tun die
Philosophen ganz bewusst. Denn sie leiten die
Rechte der Tiere aus den Interessen der Tiere
selbst ab – und nicht aus der Gefühlswelt
der Menschen, die mit dem Tierleid konfrontiert
sind. Damit erschaffen sie eine nicht „gefühlsduselige“
Argumentation auf der Grundlage von
Interessen und Bedürfnissen unserer Mitwesen.
In der Philosophiegeschichte wurde Frauen und
nicht weißen Menschen lange Zeit Vernunft abgesprochen.
So wie sie lange auch den Tieren
abgesprochen wurde. Doch weiß die Menschheit
seit Langem um die kognitiven, sozialen
und intellektuellen Fähigkeiten von Tieren –
und zwar aller Arten: Landlebewesen, Wassertiere
und Vögel. Sie kennen Fürsorge, Partnerschaft,
gegenseitige Hilfe, haben ein Bewusstsein
von sich und der Welt und sind in der Lage,
die Möglichkeiten des Lebens als positives Ganzes
anzunehmen und zu „genießen“. Und selbst
bei „niederen“ Tieren wie Insekten entdecken
wir soziale Funktionen und Interaktionsprinzipien,
die für unsere Bewertung von Bedeutung
sind. Bei aller Schwierigkeit, mit menschlichen
Begriffswelten die Innenwelt der Tiere zu beschreiben,
belegt die Forschung immer wieder
die soziale Komplexität des Verhaltens von Tieren
und ihre Fähigkeit zur Interaktion miteinander,
mit anderen Arten und der Umwelt. Zwar
sind wir geneigt, eher jenen Tieren mit mehr
Respekt zu begegnen, deren komplexe kognitive
und soziale Leistungen uns zugänglich (weil
uns ähnlicher) sind. Andere Arten bezeichnen
wir als „einfach“, denken darüber nach, mehr
Insekten zu essen, Schnecken, Muscheln, Krill
oder derlei „minderwertiges Getier“ zu verwerten.
Dies ist ein immer wieder aufscheinender
Beleg dafür, dass auch in unserer beginnenden
Selbstaufklärung die erlernte Diskriminierungsratio
stets wirksam ist. Dennoch ist die Wahrnehmung
der Ähnlichkeit, welche Tiere mit uns
haben, ihrer Empfindsamkeit, ihrer Freude und
ihrer Angst ein guter Einstieg in eine Selbstüberprüfung.
Die Empathie bringt viele Menschen
Totschläger ist, wer vorsätzlich einen Menschen
tötet. Im Strafrecht für Menschen wird aus einem
„einfachen“ Totschlag (§212 STGB) dann
ein Mord (§211 STGB), wenn bestimmte Merkmale
hinzukommen: „Mörder ist, wer aus Mordlust,
zur Befriedigung des Geschlechtstriebs,
aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit
gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere
Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen
dazu, darüber nachzudenken, inwieweit
sie Teil des Massenmordens sein wollen. Und
auch wenn die Höllenorte des Massenmordes
vor uns verborgen werden, so wissen wir um
sie und können sie nicht leugnen. „Wir haben
es nicht gewusst“, ist keine haltbare Position in
Anbetracht der Aufklärung, welche Tierschützer
weltweit leisten.
Der französische Philosoph Jacques Derrida
(1830-1904) näherte sich der Thematik ganz
anders als Singer und Regan. Er zeigte auf,
dass bereits das Begriffspaar „Mensch – Tier“
in der Entgegensetzung eine Abwertung der
Tiere beinhaltet. Die definitorische Abgrenzung
von den Tieren dient uns Menschen als Selbstbestimmung
und erlaubt erst die Diskriminierung
und Ausbeutung der Tiere, die per Definition
das unterlegene, das nichtmenschliche
Andere sind. Derridas Dekonstruktion der Begriffe
ist auch heute eine Hilfe beim Verständnis
der historischen Entwicklung der Trennung
von Mensch und Tier. Wie können wir uns so anders
sehen - wo uns Menschen doch nur wenige
Gene von Tieren unterscheiden und wir jenseits
einiger Fähigkeiten den Tieren eher gleich
als fremd sind.
Menschen tötet.“
Auf Tiere als leidensfähige Mitwesen angewendet,
würde durch das Habgiermotiv (Verwertung
des Lebewesens zu Ernährungszwecken und als
Rohstofflieferant) und die Grausamkeit der Tötungen
(Bolzenschuss, Kehlschnitt, Vergasung,
Elektroschocks, aber auch bereits die vorausgehenden
Haltungsformen und Transporte etc.)
aus dem Totschlag ein Mord. Nur die Unterscheidung
zwischen Menschen und Tieren im Hinblick
auf ihre unveräußerlichen Rechte verhindert die
Anwendung solcher Gesetze und zieht auch in
der Wahrnehmung der Menschen eine willkürliche
Grenze zwischen den Arten. Die Taten an
sich unterscheiden sich nicht. Ob ein Mensch
ermordet wird oder ein Tier ist in der Sache
das Gleiche. Es wird einem leidensfähigen Wesen
mit Gewalt und Grausamkeit die Lebendigkeit
entrissen. Allein unsere speziesistische Prägung
macht uns blind für die Wahrnehmung der
Monstrosität unserer Handlungen.
Vermeintlich sollten Regelungen des Tierschutzgesetzes
dazu dienen, Leid von Tieren abzuwenden
und deren Haltung artgerechter und die Tötung
weniger grausam zu gestalten. „Die einzige
Strafvorschrift des Tierschutzgesetzes findet
sich in § 17 Tierschutzgesetz (TierSchG). Mit ihr
soll tierschutzwidriges Verhalten geahndet werden.
Strafbar sind die ungerechtfertigte Tiertötung
sowie die rohe und quälerische Misshandlung
von Tieren. Geahndet wird die vorsätzlich
begangene Tierquälerei. Ein bloßer Versuch der
Tat sowie eine fahrlässige Tat sind nicht strafbar
gemäß § 17“, fasst es der Deutsche Tierschutzbund
zusammen. Problematisch ist, dass diese
Rechtsnorm so gut wie nicht angewendet wird –
und auch nicht angewendet werden kann. Die
„rohe und tierquälerische Misshandlung“ ist die
Regel in der Nutztierhaltung. Alle in Politik und
Gesellschaft wissen das. Und die Mandatsträger
haben mit der Ausformung des Gesetzes die
Missstände als akzeptierten illegalen Standard
festgeschrieben.
Das Tierschutzgesetz ist in Deutschland derzeit
ein reines Tiernutzgesetz. Seine Regelungen
sind nicht detailliert genug, um daraus klare
Vorschriften ableiten zu können. Und schlimmer
noch: Es gibt kein Verbandsklagerecht, also
keine Chance für beispielsweise Tierschutzorganisationen
Fälle von Tierquälerei gerichtlich
zu verfolgen. Der Deutsche Tierschutzbund
schreibt dazu: „Unter dem Strich weisen
das Tierschutzgesetz und sein Vollzug erhebliche
Mängel auf. Zum einen sind die Vorschriften
des Gesetzes und nachgeordneten Regelungen
oft unvollständig, auslegungsbedürftig, das
heißt, unklar oder der Schutz, der den Tieren gewährt
wird, ist schlicht nicht ausreichend um ihr
Wohlbefinden sicherzustellen.
Hinzu kommt, dass es zwar möglich ist, tierschutzwidrige
Zustände bei der Behörde/Polizei
anzuzeigen und um deren Einschreiten zu ersuchen.
Eine Möglichkeit, die Vorschriften des Gesetzes
direkt vor Gericht durchzusetzen, haben
Tierschützer jedoch nicht. Wenn die Behörden
nicht eingreifen, bleiben die Tiere schutzlos. Daher
fordern wir ein Verbandsklagerecht im Tierschutz.
Auch nach der Änderung des Tierschutzgesetzes
- die der Bundestag 2012 beschlossen hat und
das am 13. Juli in Kraft getreten ist - bleibt es
eher ein „Tiernutzgesetz": Das ursprünglich geplante
Schenkelbrandverbot bei Pferden wurde
gestrichen, die unbetäubte Kastration von Ferkeln
soll noch bis 2019 erlaubt sein. Auch die
Spielräume, die die EU-Tierversuchsrichtlinie
bot, wurden nicht genutzt. In dem Gesetzesentwurf
ist weder die Förderung von Alternativmethoden
zu Tierversuchen festgeschrieben, noch
gibt es ein konsequentes Verbot von Versuchen
an Menschenaffen.“
Das Deutsche Tierschutzgesetz ist in seiner Lückenhaftigkeit
und durch die nicht gegebene
Durchsetzbarkeit durch zivile Klagepartner ein
reines Schutzgesetz für die Fortsetzung von
Massenmord und Tierquälerei in der Lebewesenverwertungsindustrie.
MORD UND TOTSCHLAG
TIERSCHUTZGESETZE SIND TIERNUTZGESETZE
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