
Strahlende Zukunft
Atomares Endlager in Norddeutschland?
Die Energiewende ist in vollem Gange. Bis 2020 sollen alle Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden. Von den insgesamt 37
Meilern befinden sich vier in direkter Nähe zum Elbe-Weser-Dreieck: Brunsbüttel, Brokdorf, Stade und das AKW Unterweser. Das AKW
in Brokdorf ist noch bis 2021 in Betrieb, die anderen befinden sich zurzeit im Rückbau. Dabei hat sich ein neues Problem aufgetan: Wie soll
man mit den strahlenbelasteten Altlasten umgehen? Ein bis drei Prozent des hoch radioaktiven Bauschutts soll langfristig in speziell gesicherten
Lagern untergebracht werden, während der Rest des Atommülls auf einfachen Deponien, in Verbrennungsanlagen oder per Wertstoffkreislauf
wieder beim Verbraucher oder in die Umwelt landet – und dabei immer noch gefährliche Strahlung abgibt. Anwohner, die durch
ihren Wohnsitz direkt von dem Rückbau und entstehenden Hinterlassenschaften betroffen sind, organisieren sie sich in Bürger-Initiativen,
da sich von der Politik im Stich gelassen fühlen.
Für die Betreiber der Atomkraftwerke geht es
darum, den Rückbau möglichst günstig zu gestalten.
Dies, so die Kritiker, geschieht jedoch
auf Kosten der Anwohner. Die wiederum fühlen
sich von der Politik übergangen und werden
vor vollendete Tatsachen gestellt. So auch
geschehen beim Rückbau des AKW Brunsbüttel,
bei dem kontaminiertes Wasser in die Elbe
eingeleitet werden sollte, ohne Rücksicht auf
eventuelle Gefahren für Mensch und Umwelt.
Es bestehe ein Informationsdefizit, die Bürger
würden bei Entscheidungen und Absprachen
zwischen Politik und Unternehmen im Dunkeln
gelassen, bemängeln Dr. Gisela Penteker und
Dr. Silke Eulenstein, Initiatoren des Aktionsbündnisses
zum verantwortungsvollen Rückbau
von Atomkraftwerken – Cuxland. Trotz der
Macht der Industrie im Verbund mit einer bürgerfernen
Politik konnten die Aktivisten mit
ihrem Engagement bereits einen Erfolg verbuchen
und haben ihre Forderung, die Einleitung
radioaktiver Stoffe in die Elbe auf ein Minimum
zu beschränken, durchsetzen können.
Für die Initiative besteht aber weiterhin Handlungsbedarf.
Das 10-Mikrosievert-
Konzept – Ablasshandel
mit Krebsgefahr?
Der Diplomingenieur Christoph Rüsch und
der Mediziner Dr. Klaus Gerrit Gerdts hielten
Vorträge zum Rückbau und der Wirkung von
Strahlung auf den Menschen. Hierbei stand
besonders das 10-Mikrosivert-Konzept in der
Kritik. Dieser Grenzwert beschreibt die maximal
zumutbare Strahlenbelastung für ein Individuum
über einen Zeitraum von einem Jahr.
Dieser Wert ist die Basis für die Freigabe von
belasteten Material und setzt sich aus einem
komplexen Rechenmodell zusammen, das sich
aus dem Becquerelwert, also der Halbwertszeit,
ableitet. Weitere Faktoren, wie die Aktivität
des Radionuklids, der Strahlungstyp, die
Art der Aufnahme, organ-, geschlechts- und altersspezifische
Faktoren fließen in die Berechnungen
mit ein.
In der Strahlenschutzverordnung, §29, ist die
Freigabe von radioaktiven Materialien geregelt.
Übersteigen diese nicht den Wert von
10 Mikrosievert pro Jahr, dürfen sie auf Hausmülldeponien
gelagert, verbrannt oder recycelt
werden. Dr. Gerdts kritisiert die Berufung
auf einen solchen Grenzwert bei der Freigabe
von strahlungsbelastetem Material, da er
suggeriere, dass alles unter diesem Wert nicht
schädlich sei. „Selbst kleine Mengen sind alles
andere als harmlos. Ein bisschen mehr Strahlung
bedeutet eben auch immer ein bisschen
mehr Krebsrisiko“, erklärt er. Auch habe der
Körper kein Frühwarnsystem, um Alarm bei
zu hoher Strahlenbelastung zu schlagen. „Der
Körper hat kein Gespür für Radioaktivität, bereits
kleine Mengen können erheblichen Schaden
anrichten, ohne dass man sofort etwas
Foto: CC0 / Pixabay / rabedirkwennigsen
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