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Lesen, Schreiben und Rechnen sind wichtige
Fertigkeiten die Kinder im jüngsten Alter
erlernen. Doch erwarten sie nach der Schule
weitere Herausforderungen. Arbeiten gehen,
Steuern zahlen und Wählen sind alles Verpflichtungen
des Erwachsenenalters, auf welche
die Kinder nur selten vorbereitet werden.
Das Projekt Kinderspielstadt versucht, eben
diese Dinge auf spielerischer Art und Weise,
kindgerecht zu vermitteln. In Städten wie
München, Regensburg, Pilsen und vielen weiteren,
findet das Projekt schon seit mehreren
Jahren statt und bietet den Kindern eine Miniversion
ihrer Heimatstadt, mit all ihren Möglichkeiten.
„Die Spielstadt ist eine Schule des
Lebens und Lernens“, schreibt Gerd Grüneisl,
Mitbegründer der Kinderspielstadt Mini-München
auf www.kinderspielstadt.com.
Eine Spielstadt ist wie ein Abbild einer richtigen
Stadt in kleinerem Format. Die Aufbauten mit ihren
offenen Räumen, Gassen und Korridore wirken
von oben wie ein Grundriss. Kinder tummeln
sich darin, laufen umher und sind geschäftig. In
einem kleinen Redaktionsraum sitzt ein Kind am
Computer und schreibt etwas, in einem Friseursalon
frisiert ein Kind dem anderen die Haare,
während in dem Laden daneben fleißig eingekauft
wird – eine kleine Stadt, bevölkert von Kindern
– die Kinderstadt. Solche Projekte füllen riesige
Sporthallen, wie das Olympia Stadion, in dem
jährlich das bereits genannte Mini-München entsteht,
mit allem, was zu einem Leben in der Stadt
dazugehört. Die Kinder arbeiten hier, verdienen
Geld, zahlen Steuern, konsumieren und nehmen
Dienstleistungen in Anspruch – sie nehmen eigenverantwortlich
am öffentlichen Leben teil. Die
inszenierte Welt der Spielstadt gibt den Kindern
die Möglichkeit, sich im Spiel auszuprobieren, um
so die Funktionen einer Gesellschaft innerhalb einer
Stadt zu erleben. „Hier in der Spielstadt sind
die Kinder die Macher, schlüpfen in verschiedene
Berufsrollen, bilden Öffentlichkeit, formulieren
Meinungen, fällen Urteile, betreiben Verwaltung
und bestimmen die Politik“, schreibt Grüneisl.
Eine Herzensangelegenheit
In den Räumen des Freizeittreffs Eckernfeld in
Bremerhaven entsteht alle zwei Jahre, in Zusammenarbeit
mit dem Verein für Freizeitgestaltung
e.V., solch eine Kinderstadt. Zuletzt im Sommer
2019. Geplant hat die Kinderstadt wie auch alle in
den Jahren zuvor, der 23-jährige Jan-Hendrik Geier.
Der Einzelhandelskaufmann engagiert sich seit
nunmehr neun Jahren für die Kinderstadt, die für
ihn mittlerweile zur Herzensangelegenheit geworden
ist, sagt er.
Jeder Kinderstadt geht eine intensive Planungsphase
voraus, bevor sie dann innerhalb einer
Woche aufgebaut werden kann. Danach ist die
Stadt für Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren
für eine Woche geöffnet. An die 50 Kinder
tummeln sich dann in der Mini-Stadt, die von
18 Betreuern und freiwilligen Helfern begleitet
wird, erklärt Geier. Jeder Raum im Freizeittreff
Eckernfeld bietet einen Beruf. Es gibt ein Restaurant,
ein Kaufhaus, ein Wellnesscenter und vieles
mehr. Die einzelnen Geschäfte sind sehr liebevoll
gestaltet und für die Ämter wurden eigens
kleine Häuschen angefertigt.
Los geht es für die Kinder am Schalter des Arbeitsamtes,
das Gleichzeitig auch als Meldeamt
dient. Hier bekommen die Kinder einen Ausweis
und können sich über die angebotenen Berufe
informieren. Die Kinder haben die Möglichkeit,
zwischen vielen verschiedenen Tätigkeiten
zu wählen. Von Behörden und Ämtern, wie dem
Ordnungsamt, dem Arbeitsamt und dem Bürgermeisteramt,
über den Einzelhandel in Form
eines Kaufhauses oder Gastronomieangeboten
wie einem Restaurant oder einer Cocktailbar,
bis hin zu Dienstleistungen, wie einem Wellnesscenter.
Haben sich die Kinder entschieden,
stehen ihnen die Betreuer zur Seite, um sie in
dem zuvor gewählten Beruf anzuleiten. Die Kinder
mixen Cocktails an der Bar, Schminken sich
im Beautysalon oder verkaufen im Kaufhaus Produkte,
die von anderen Berufen hergestellt worden
sind. Nachdem die Kinder gearbeitet haben,
genießen sie ihren Feierabend und geben im Restaurant
oder beim Shopping im Kaufhaus ihr
hart verdientes »Geld« aus.
Beim »Geld« handelt es sich um die eigens für die
Spielstadt kreierte Währung – den »Ecki-Talern«.
Diese werden nach getaner Arbeit auf die Konten
der Kinder überwiesen. Das Geld können sie dann
wiederum bei Bedarf per EC-Karte abheben. Eine
Bank, in der natürlich auch Kinder arbeiten, ver-
Wie im echten Leben?
Gesellschaft lernen in der Kinderstadt – im Freizeittreff Eckernfeld
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Bilder: Cookie Studio shutterstock.com (Mädchen am Laptop), PR Archiv Freizeittreff Eckernfeld (Arbeitsamt, kleines Bild mitte), New Africa shutterstock.com (Limonaden-
Kinderstadt
im April 2 021
Freizeittreff Eckernfeld
Bremerhaven