
bildung
Erzähl doch mal!
Sprachentwicklung von Kindern fördern
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Bilder: lunamarina shutterstock.com (Mädchen spricht mit Hund), ANNA_KOVA shutterstock.com (Mutter und Kind spielen telefonieren), Oksana Kuzmina shutterstock.com (Mutter und Kind
Björn Gerken
Stottern, Stammeln, Lispeln. Sprachliche Defizite
sind bei Kindern in den ersten Lebensjahren
weit verbreitet. Bei Sprachstörungen
handelt es sich aber nicht nur um Probleme mit
der Aussprache, denn manche Kinder sprechen
kaum oder gar nicht. Hier kann es sein, dass
die Verarbeitung von sprachlichen Impulsen
nicht richtig funktioniert und das Kind einfach
nicht versteht, was ihm gesagt wird oder nicht
weiß, wie es sich ausdrücken kann. Die Gründe
dafür sind so vielfältig wie die Symptome, denen
aber nicht immer eine Krankheit zugrunde
liegen muss. Vielen Kindern fehlt nur jemand,
mit dem sie sich unterhalten können, denn das
Sprechen kann nur erlernt werden, wenn auch
mit einem gesprochen wird.
Laut dem Heilmittelbericht 2018 des Wissenschaftlichen
Instituts der AOK (WIdO) ist die Zahl
der diagnostizierten Entwicklungsstörungen
bei Kindern zwischen fünf und sieben Jahren in
den letzten zehn Jahren um 26,5 Prozent angestiegen.
Dies betrifft vor allem die Sprech- und
Sprachentwicklung, die den Löwenanteil von
82 Prozent der festgestellten Entwicklungsstörungen
ausmachen. Jungs sind mit 41,3 Prozent
deutlich häufiger von Sprachentwicklungsstörungen
betroffen als Mädchen mit 27,9 Prozent.
Sprachentwicklungsstörungen
Sprachentwicklungsstörungen unterteilen sich
in vier Kategorien. Die Artikulationsstörung, die
expressive Sprachstörung, die rezeptive Sprachstörung
und der Dysgrammatismus. Bei einer Artikulationsstörung,
der sogenannten Dyslalie,
werden Laute falsch ausgesprochen oder falsch
verbunden. So haben Kinder beispielsweise Probleme
mit Zischlauten und man kann sie nur sehr
schlecht verstehen. Eine expressive Sprachstörung
liegt vor, wenn das Kind über einen sehr geringen
Wortschatz verfügt und sich nicht präzise
ausdrücken kann. Bei einer rezeptiven Störung
hat das Kind Probleme Worte akustisch richtig
wahrzunehmen und ihre Bedeutungen zu erfassen.
Zuletzt gibt es noch den Dysgrammatismus,
bei dem es betroffenen Kindern schwerfällt, Sätze
syntaktisch korrekt zu bilden oder Verben richtig
zu konjugieren.
Der englische Begriff »Late Talker« beschreibt
Kinder, die erst spät mit dem Sprechen beginnen.
In der Regel überschreitet der Wortschatz von
Kindern im Alter von zwei Jahren die 50-Wort-
Grenze. Zusätzlich können sie schon Zweiwortsätze
bilden, wie zum Beispiel „Mama Arm“, wenn
das Kind gern auf den Arm genommen werden
möchte. »Late Talker« hingegen besitzen diese
Fähigkeiten nicht. Während rund die Hälfte der
Kinder diesen Rückstand innerhalb des dritten
Lebensjahres aufholt, bleibt er bei der anderen
Hälfte bestehen und erfordert eine sprachtherapeutische
Unterstützung.
Sprachentwicklungsstörungen können viele Ursachen
haben, die nicht immer offensichtlich
sind. Neben genetischen Faktoren können auch
körperliche Erkrankungen eine Rolle spielen.
Hörstörungen, Störungen der Motorik im Mundbereich
oder Schaden an Sprachorganen können
einer Sprachentwicklungsstörung zugrunde
liegen. Aber auch neuronale Schäden, wie
auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen,
Intelligenzminderung, geistige Behinderung
oder tief greifende Entwicklungsstörungen
wie zum Beispiel Autismus können dafür verantwortlich
sein.
In verschiedenen Vorsorgeuntersuchungen (U6
bis U9) können diese Defizite erkannt, mögliche
Ursachen analysiert und eine therapeutische Behandlung
eingeleitet werden. Das medizinische
Feld, welches sich gezielt mit Sprach-, Sprech-,
Stimm-, Schluck-, und Hörbeeinträchtigungen
auseinandersetzt, ist die Logopädie. Aufgrund
der individuellen Diagnostik entwickeln Logopäden
Therapien, die auf die entsprechenden Krankheitsbilder
und Bedürfnisse in der Sprachentwicklung
abgestimmt sind. „Unterschieden werden
muss hier zwischen wirklichen Sprachstörungen,
bei denen Kinder nicht gut mit sprachlichem Input
umgehen können und Sprachauffälligkeiten,
bei denen das Sprachverarbeitungssystem der
Kinder gut funktioniert, ihnen allerdings ein interessiertes
Gegenüber fehlt, das als Sprachvorbild
agiert und dabei hilft, die Sprachfähigkeit zu
entwickeln und die variantenreichen Ausdrucksmöglichkeiten
zu erlernen“, sagt Prof. Dr. Monika
Rausch, ehemalige Präsidentin des Deutschen
Bundesverbands für Logopädie im Gespräch mit
der Deutschen Presse Agentur.
Sprechen lernen
Die Fähigkeit zu kommunizieren ist für Kinder
in frühen Jahren enorm wichtig, da sie es ihnen
ermöglicht, sich zu sozialisieren, andere Kinder
kennenzulernen und Freundschaften zu knüpfen.
Gleichzeitig fördern die sozialen Interaktionen
wiederum die Sprachentwicklung. Besonders
Eltern können ihre Kinder hier unterstützen.
„Sprache wird über das Sprechen mit vertrauten