
Campact wurde 2014 als eine Bürgerbewegung
gegründet und zählt zurzeit über zwei
Millionen Unterstützer und Unterstützerinnen.
Gemeinsam mit 70 festangestellten Mitarbeitern
und Mitarbeiterinnen setzen sie sich für
eine progressive Politik ein. Das Jahresbudget
von rund 10 Millionen Euro, das ausschließlich
durch private Spenden generiert wird,
wird für diverse Kampagnen und Aktionen genutzt.
„Wenn wichtige Entscheidungen anstehen,
wenden wir uns mit Online-Appellen direkt
an die Verantwortlichen in Parlamenten,
Regierungen und Konzernen. Wir schmieden
Bündnisse, debattieren mit Politikern und Politikerinnen
und tragen unseren Protest auf die
Straße: mit großen Demonstrationen und lokalen
Aktionen“, sagt Koch. Nach dem Urteil
des Bundesfinanzhofes im Falle Attac im Februar
2019 verlor auch Campact den Status
der Gemeinnützigkeit. „Damals wurde Attac
die Gemeinnützigkeit entzogen, weil die Organisation
sich zu sehr in tagesaktuelle Politik
einmische. Da auch wir – um für Klimaschutz
oder gegen Rechtspopulismus etwas zu erreichen
– uns auch in tagesaktuelle Politik einmischen,
sind wir seitdem davon ausgegangen,
dass auch uns auf Basis dieser Entscheidung
die Gemeinnützigkeit entzogen wird. Und so
kam es im Oktober 2019 auch. Auch wir arbeiten
aus Sicht des für uns zuständigen Finanzamts
zu politisch“, erklärt Koch.
Doch kann man bei dem Spektrum an Themen
mit dem sich die Organisation beschäftigt,
überhaupt unpolitisch sein? Und was ist
Gemeinnützigkeit überhaupt? Wie ist sie definiert
und welche konkreten Folgen hat der
Entzug für die Betroffenen? „Die Gemeinnützigkeit
ist ein steuerlicher Status, der bestimmte
finanzielle Privilegien ermöglicht. Der
Staat möchte damit bürgerschaftliches und
nicht-eigennütziges, Gemeinwohl-orientiertes
Handeln fördern. Wer als gemeinnützig vom
Finanzamt anerkannt ist, ist von der Körperschaftssteuer
befreit und kann den Spenderinnen
und Spendern Bescheinigungen für die
Spenden ausstellen. Damit können die wiederum
ihr zu versteuerndes Einkommen senken“,
erklärt Koch. Die Folgen des Entzugs der Gemeinnützigkeit
sind für Campact gravierend:
„Wir müssen nach dem Verlust des Status
rund 300.000 Euro an Schenkungssteuern
nachzahlen“, berichtet Koch. Trotz dieser immensen
Summe bleibt die Organisation aber
zuversichtlich: „Wir werden unsere Arbeitsweise
mit tagesaktuellen politischen Kampagnen
nicht ändern und daher auch ohne Gemeinnützigkeit
weitermachen und gehen davon
aus, dass uns viele unserer Spenderinnen
und Spender, Förderinnen und Förderer treu
bleiben werden“, so Koch.
Trotzdem fordert Campact eine Reform der
gesetzlichen Abgabenordnung. Sie sei veraltet,
da sie noch aus den 60er Jahren stammt
und die heutige Zivilgesellschaft gar nicht
mehr abbildet, kritisiert Koch und fordert: „…
die massive Einschränkung der gemeinnützigen
Zwecke „Bildung“ und „Förderung des demokratischen
Staatswesen“ aufzuheben sowie
den Katalog gemeinnütziger Zwecke insbesondere
um Menschenrechte, Klimaschutz,
soziale Gerechtigkeit und Frieden zu erweitern,
um ihn den Erfordernissen einer modernen
Demokratie anzupassen.“ Einen kleinen
Erfolg konnte die Kampagne bereits erzielen,
so soll demnächst der Klimaschutz als
gemeinnütziger Zweck in den Katalog aufgenommen
werden.
In der Allianz „Rechtssicherheit für politische
Willensbildung“ setzt sich Campact gemeinsam
mit anderen Organisationen für ein modernes
Gemeinnützigkeitsrecht und eine Änderung
der Abgabenordnung ein. Laut Koch
haben sich mittlerweile mehr als 130 Vereine
und Stiftungen dieser Forderung angeschlossen,
wie Brot für die Welt, Amnesty International,
Medico International, Oxfam und Terres
des Hommes.
Die Studie „Engagiert Euch – nicht?“ vom Bundesnetzwerk
Bürgerschaftliches Engagement
(BBE) gefördert von der Otto Brenner Stiftung
untersuchte, ob das Gemeinnützigkeitsrecht
Foto: Jacob Lund/shutterstock.comn
ZENSUR?
Das Gemeinnützigkeitsrecht –
Maulkorb für die Zivilgesellschaft?
Anfang 2019 wurde der globalisierungskritischen Organisation Attac die Gemeinnützigkeit
durch den Bundesfinanzhof aberkannt. Der Grund: Attac versuche die politische Meinung
zu beeinflussen, dies trage nicht zur politischen Bildung bei und sei damit nach dem
Steuerrecht nicht gemeinnützig. Nach diesem Präzedenzfall hat es nun auch die Organisation
Campact aus Verden getroffen. „Viele öffentliche Geldgeber koppeln ihre Zusagen an
den Status der Gemeinnützigkeit. Gemeinnützige Stiftungen und andere Institutionen können
Projekte eines Vereins ohne diesen Status nicht mehr fördern“, erklärt Svenja Koch,
Pressesprecherin von Campact. Dies hat schwere Folgen, da die Arbeit solcher Organisationen
von Spenden abhängig ist. Wird dadurch zivilgesellschaftliches Engagement blockiert?
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