
LEGIT
CREW
Die echten Direkten
Man kann an langen Abenden Unmengen von Dosenbier in sich
hinein kippen und sich enthusiastisch an Aluminium-Halluzinogenen
erfreuen, dann gegen die anschließenden Schmerzen vom
Hausarzt Therapiepillen verordnen lassen und die Couch zum Arbeitsplatz
bestimmen oder einfach einen genialen Plan haben.
Letzteres erscheint Sonorus, Fx, Raw, Loco und Anymation (aka
Jakob, Felix, Anton, Laurin und Anni) wesentlich sinnvoller, in jedem
Fall stimulierender. Instrumente haben sie zwar alle schon
mal in der Hand gehabt, hier und da zusammen musiziert, aber
ihre wahre Liebe tendiert schnell Richtung Sprechgesang mit digitalen
Beats, genauer gesagt, zum Rap. Durch Jakob geraten sie
eher spontan an ein Online-Rap-Battle, fangen Feuer und brennen
einheitlich für Hip Hop.
Erst einmal Blut geleckt, lassen sie nicht mehr locker. Beats raussuchen,
mixen, mastern, alles aus eigener Hand. Lange Texte mit immer
komplexeren Reimen und Inhalten verschlingen mehr und mehr Raum
ihrer Freizeit nach der Schule. Die aktuelle Lebenssituation, politische
Ereignisse, Klimawandel, diese Themen beschäftigen sie bis in ihre
Fingerspitzen, werden niedergeschrieben und ausprobiert. Jeder Song
bringt zum Ausdruck, was sie denken, indem sie ihre Sprache nutzen,
ohne singen zu müssen. Rap ist ein schneller, rhythmischer und
markanter Sprechgesang in der populären Musik und Teil der Kultur
des Hip Hop. Das muss nicht mehr erläutert werden. Übersetzt man
es aber direkt aus dem Englischen mit „plaudern“ oder „schwatzen“,
dann wird Geschwindigkeit neu definiert. Man muss also schon ganz
schön aufpassen, will man den Inhalt der Aussage ohne Libretto in der
Hand mitbekommen.
Der Name „Legit“ war ursprünglich eine Art Arbeitstitel und entstand
schon, bevor die Jungs sich überhaupt mit dem Gedanken trugen in
dieser Konstellation öffentlich aufzutreten. Mit der Zeit ist der allerdings
über Umwege unter die Leute gekommen und zum festen Begriff
geworden. Grund genug, ihn zu behalten. „Legit“ kommt aus dem Englischen
und drückt besondere Echtheit und Direktheit aus. Was sie machen
kommt also direkt und ungefiltert aus ihren Kinderzimmern und
Home Studios, wie sie selbst sagen. Lieber „was geht ab?“ als „hey ho,
Motherfucker“. Immer nur in den eigenen vier Wänden zu hocken und
zu üben bringt das Quintett aber nicht näher an die Antwort, wie viel
ihre Arbeit tatsächlich wert ist.
Da legt der Aufruf des „Aktionsbündnis gegen Rechts“ und des Rock
Cyclus Bremerhaven den nächsten Schritt direkt vor ihre Füße. Gesammelte
Ideen für ein buntes, gleichberechtigtes und solidarisches Zusammenleben
werden in einem eigenen Song verarbeitet. Ohren und
Augen verschließen lag ihnen eh nie, natürlich auch weil das nichts mit
Hip Hop zu tun hat. Mit ihrem Beitrag „Bremerhaven bleibt bunt“ zählen
Legit Crew zu den Finalisten. Mit einem Mal sind die Newcomer auf
diversen Veranstaltungen gefragt. Das klappt aber nur, wenn das benötigte
Equipment, also eine Lautsprecher- und Playback-Anlage vor Ort
ist. Mit ihrem Taschengeld finanzieren sie zurzeit noch ihre Aufnahmemöglichkeiten.
Einen riesigen Schritt vorwärts machen die fünf durch
die Anfrage der Jazz Rockets von Mike Bach. Das ist doch mal was.
Keine Beats aus der Retorte, live und wahrhaftig mit einer explosiven,
dennoch feinfühligen Formation, die es drauf hat, die jungen Rapper so
sensibel zu begleiten, dass die Texte nicht untergehen. „Was uns unterscheidet,
ist und bleibt nur die Kleidung – Bremerhaven bleibt bunt!“
gbm
Foto: Marlin Rohlfing
19
03
SONNTAG, 19. APRIL, 16.00 UHR
BEI SIMON BELLETT – JOHANNISKIRCHE
SANDERSWEG 69 | 21680 STADE
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