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Alle Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder glücklich sind – übersetzt
bedeutet das häufig, dass die Sprösslinge erfolgreich sein sollen.
Denn Erfolg stärkt bekanntlich nicht nur das Selbstbewusstsein, sondern
ebnet auch den Weg zu Wohlstand, Anerkennung, Status und Glück.
Auch in Erziehungsratgebern und pädagogischen Konzepten zur Förderung
von Begabungen wird immer wieder verkündet, dass Kinder durch
die gezielte Förderung individueller Talente Freude, Lust und Ehrgeiz am
Lernen entfalten und dadurch auch ihr Selbstwertgefühl stärken.
Frühförderung ist wichtig und besonders bei Familien mit höherem Bildungsgrad
liegt das Augenmerk häufig darauf, das Potential ihrer Kinder
möglichst frühzeitig zu erkennen und dies dann intensiv zu fördern, damit
die Begabung voll ausgeschöpft wird und auf dem auserkorenen Feld eine
möglichst hohe Leistungsfähigkeit erzielt werden kann. Der Nachwuchs
wird daher mit größter Aufmerksamkeit auf eine individuelle Begabung gescannt,
um die erste sich abzeichnende Stärke so früh wie möglich durch
gezielte und intensive Förderung auf den bestmöglichen Leistungsstand
zu bringen. Doch ist diese Interpretation von Begabungsförderung wirklich
richtig und gut für die Entwicklung von Kindern? Lehrkräfte erleben einen
»Boom« an vermeintlich hochbegabten Kindern. In fast allen Fällen erweist
sich die »Hochbegabung« aber als vorübergehende Inselbegabung,
die dem Kind in einem Bereich einen zeitlich begrenzten Vorsprung zu geben
schien. Aus Erfahrung der Pädagogen entsteht die vermutete Hochbegabung
aus dem Wunsch der Eltern, ihr Spross möge etwas ganz Besonderes,
Herausragendes sein oder können.
Spezialist ist Fachidiot –
Förderung von Inselbegabungen
In der Arbeitswelt ist das Phänomen fast schon sprichwörtlich: Der Spezialist
kennt nur sein eigenes Fachgebiet, hat aber keine Ahnung von anderen
Dingen, die nicht direkt in diesem speziellen Gebiet liegen. Beispielsweise
Frühzeitige
Begabungsförderung
Begrenzung des Verstandes
findet der studierte Ingenieur für manche Probleme, die sich in der Praxis
ergeben, nicht so schnell eine umsetzbare Lösung, wohingegen der einfache
Arbeiter, der tagtäglich in dem Bereich tätig ist und sich sein Wissen
vielleicht sogar selbst angeeignet hat, eine machbare Lösung recht schnell
parat hat. Spezialisierung bedeutet nämlich auch immer Einschränkung.
Der Spezialist lernt sehr viel über einen kleinen Teilbereich des Ganzen und
geht in diesem Teilbereich in die Tiefe des Wissens. Der Generalist lernt hingegen
einen kleinen Teil vieler verschiedener Teilbereiche des großen Ganzen,
sein Wissen geht eher in die Breite als in die Tiefe und dadurch kann er
dem Spezialisten tatsächlich in einem weiteren Feld unterschiedlicher Problem
Situationen wissenstechnisch voraus sein. Der Spezialist kann dem
Generalisten wissenstechnisch nur in seinem eigenen, kleinen Teilbereich
überlegen sein.
Für die Frühförderung von Kindern heißt das, dass eine eindimensionale
Konzentration auf die Förderung einer bestimmte Fähigkeit dazu führen
kann, dass Stärken in anderen Bereichen entweder nicht entdeckt werden
und im schlimmsten Fall verkümmern, oder dass andere Kompetenzen gar
nicht ausgebildet werden können, da sie in Bereichen liegen, die zu wenig
gefördert werden oder mit denen das Kind sogar überhaupt nicht in Berührung
kommt.
Vielseitige statt einseitiger Förderung
Die Entwicklung von Kindern ist sehr individuell. Sie verläuft in Schüben
und ist abhängig von Erfahrungs-, Situations- und somit Lernimpulsen, die
Kinder in jedem Stadium ihrer Entwicklung erhalten sollten. Je unterschiedlicher
und vielseitiger diese Impulse sind, desto größer ist der Erfahrungsschatz
der Kinder und desto eher können sich Fähigkeiten entwickeln, die
von Eltern und Erziehern vielleicht gar nicht erwartet werden und dadurch
auch schnell übersehen werden könnten. Nicht umsonst werden Erzieher
in regelmäßigen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gezielt dazu befähigt,
Begabungen besser erkennen und fördern zu können.