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Das Bewusstsein dafür, dass viele Mikroben für
die menschliche Gesundheit absolut wichtig
sind, ist angesichts der „Bedrohung durch Corona“
in den Hintergrund getreten. Gleichzeitig
ist das Leben in den sogenannten zivilisierten
Ländern heute so hygienisch wie nie. „Das hat
schwerwiegende Konsequenzen für unser Mikrobiom
– und unsere lebenslange Gesundheit,“
heißt es in dem Buch »Dreck ist gesund! Warum
zu viel Hygiene Ihrem Kind schadet«.
Auch wenn die Forschung noch am Anfang
steht, ist schon jetzt klar, dass einige der grundlegendsten
Funktionen unseres Körpers nur mithilfe
von Mikroben funktionieren: die Verdauung,
das Bilden essentieller Vitamine und die
Regulation und Unterstützung unseres Stoffwechsels,
sowie das Ausbilden unseres Immunsystems.
Doch nicht jedem mag bewusst sein,
dass dies bedeutet, dass beispielsweise der
Darm mit einer möglichst großen Vielzahl guter
Mikroorganismen und Bakterien besiedelt sein
muss und dass der Säureschutzmantel der Haut
nur durch das Vorhandensein von Milchsäurebakterien
und anderen Mikroorganismen intakt
bleibt. Joghurt, Käse, Brot und Bier gäbe es beispielsweise
gar nicht, wenn es bestimmte Mikroorganismen
nicht gäbe.
Das Buch »Dreck ist gesund«, das von Prof. Dr. B.
Brett Finlay, einem Professor für Mikrobiologie an
der University of British Columbia und der Mikrobiologin
Dr. Marie-Claire Arrieta geschrieben
wurde, verweist auf zahlreiche wissenschaftliche
Forschungen, die belegen, dass Mikroorganismen
die Gesundheit von Kindern in noch viel
größerem Umfang beeinflussen, als allgemein
bekannt und dass dabei zum einen die ersten
hundert Lebenstage von entscheidender Bedeutung
sind und zum anderen auch die Reifung des
Immunsystems in starker Abhängigkeit von der
Exposition mit Mikroben in der Kindheit ist.
Gute und böse Mikroben
Alle Neugeborenen werden mit einem unreifen
Immunsystem geboren und die Immunzellen
benötigen den Kontakt mit Mikroorganismen,
um zu lernen, welche gut für den Menschen
sind und welche nicht. Erst in einem Altern von
zwei bis drei Jahren ist das Immunsystem ausgebildet.
Kommt das Kind in dieser Zeit nicht
in Kontakt mit wichtigen Mikroorganismen und
Bakterien, reift das Immunsystem nicht vollständig
aus und es kann unter anderem häufiger zu
Überreaktionen des Immunsystems (Allergien)
kommen, da das Immunsystem mit extremer
Abwehr auf unbekannte Mikroben reagiert, die
eigentlich völlig harmlos sind.
Im Mutterleib ist die Umgebung für das Baby
noch größtenteils steril, doch mit dem Moment
der Geburt empfängt es eine riesige Menge Mikroorganismen,
hauptsächlich von der Mutter.
Vaginal geborene Kinder werden überzogen mit
vaginalen und fäkalen Mikroben, während Säuglinge,
die per Kaiserschnitt entbunden wurden,
Mikroben von der Haut der Mütter aufnehmen.
Babys, die zu Hause geboren werden, werden
außerdem ganz anderen Mikroorganismen ausgesetzt
als im Krankenhaus geborene. Auch die
Vielfalt und Art der Nahrung beeinflusst die Zusammensetzung
der Mikroben unseres Körpers
und formt dadurch auch unsere individuelle
Darmflora, die nach neuesten Forschungsergebnissen
auch eine wesentliche Rolle in der neurologischen
Entwicklung und sogar in der Gesunderhaltung
unserer Blutgefäße spielt. Durch das
Krabbeln und Spielen nehmen Kleinkinder unterschiedlichste
Mikroben aus ihrer Umgebung
auf, doch welche und wie vielfältig diese sind,
ist abhängig von den Lebensgewohnheiten und
dem Umfeld der Familien. Ein Kind, das auf dem
Bauernhof in Kontakt mit den „Hinterlassenschaften“
von Kühen und Hühnern aufgewachsen
ist, verfügt in der Regel über ein wesentlich
vielfältigeres Mikrobiom und ist seltener krank
als Kinder, die nur mit Sandkasten- und Stadt-
Mikroben in Kontakt gekommen sind.
Die Gabe von Antibiotika wirkt außerdem so zerstörerisch
auf das Mikrobiom, dass es nach einer
entsprechenden Therapie nicht nur zu bekannten
Folgen wie Durchfall, Blasenentzündungen
und Scheidenpilzinfektionen kommen kann,
sondern die negativen Veränderungen noch jahrelang
im Mikrobiom des Patienten nachweisbar
sind und ihm wesentliche Mikroorganismen fehlen.
Das Problem an der Sache: Je geringer die
Vielfalt des Mikrobioms ist, desto höher ist das
Risiko an chronischen Leiden, wie zum Beispiel
Asthma, Allergien, Adipositas, Autismus, Reizdarmsyndrom
und Zöliakie zu erkranken.
Das dreiteilige Buch basiert auf fundierten Erkenntnissen
wissenschaftlicher Studien und lie-
Bilder: Christin Lola shutterstock.com (Artikel Titelbild), PR-Archiv Goldmann-Verlag (Buch-Cover »Dreck ist gesund«), www.forscher-online.de/magazin/ (Titelbild des Magazins_ Ausgabe#1, April 2020)
Dreck ist gesund!
Warum zu viel Hygiene Kindern schadet