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WIE DIE
ALTEN SUNGEN …
…so zwitschern heut die Jungen, oder in gutem Deutsch: Dem Beispiel der Eltern folgen häufig die Kinder. Bis heute ist
nicht wirklich erwiesen, ob, z.B., musikalisches Talent vererbt werden kann. Hier geht es aber auch nicht um eine Studie,
sondern um großartige Musiker aus der Region, deren Vorfahren schon ein Instrument spielten.
Jonny Grünholz, 1934 im brandenburgischen
Guben im Spreewald geboren,
verschlägt es zum Ende des 2. Weltkrieges
mit seiner Familie nach Bremerhaven.
Da der Vater die Harfe beherrscht,
liegt es nahe, dass Jonny ebenfalls ein
Saiteninstrument spielen möchte. Vielleicht
ein Zeichen der Zeit, dass es eine
Gitarre wird; denn amerikanischer Swing
und Rock ʼnʼ Roll sind durch die US Besatzung
im Vormarsch, auf der Harfe allerdings
nur schlecht reproduzierbar. Jonny
bekommt sofort Kontakt zu anderen Musikern
der Seestadt, wie Günter Delle und
Klaus Barck, mit denen er im Freizeitheim
„Gorch Fock“ probt. Wenig später musiziert
er mit weiteren Jazzgrößen der Stadt,
Harry Habla (Piano), Wolfgang „Bimti“
Krause (Schlagzeug), Bill Steeger (Gitarre),
die ihn sofort über alles schätzen. Als
Berufsmusiker, der größtenteils vom Livespielen
lebt, fällt es ihm schwer, der Tanzmusik
mit seiner Band „Sonny Singer“
dem Jazz den Vorzug zu geben. Der Grund
ist offensichtlich. Wat mutt, dat mutt! Was
aber nicht muss, das ist der Schlager „Kalkutta
liegt am Ganges“. Der leitet abrupt
das Ende der Tanzmusik für Jonny ein. Dafür
ist ihm seine geliebte Black Rose Framus
Jazzgitarre zu heilig.
Die musikalischen Helden der Seestadt,
wie Uli John, Rudi Ruser oder Stefan
„Haso“ Franz lernen bei und von ihm.
Nicht zuletzt der eigene Sohn Reinhold,
genannt „Meiko“, der schon mit 6 Jahren
sein erstes Lied auf der Sechssaitigen
spielen kann. Jonny zeigt seinem Spross
nur ab und an ein paar Tricks. Kein Zwang,
alles soll freiwillig ablaufen. Da im Hause
Grünholz viel musiziert wird, wächst Meiko
mit verschiedenen Stilen auf. Seine
erste Band gründet er als 14-jähriger mit
Jonny Weiß (Git., 16 Jahre) und Fredi Itau
(Schlagzeug, 18 Jahre). Es ist die populäre,
tanzbare Mucke, die das Geld bringt, und
was dabei an Gage rüberwachsen könnte,
wird vorher erfragt. Wenn Tanzmusik sie
trotz guter Bezahlung zum Gähnen langweilt,
wird alles frech verjazzt; denn Jazz
ist ihre wahre Leidenschaft. Da ist ihnen
der Preis egal. In einem Trio zwei Gitarren
zu haben, das scheint nicht so gefragt.
Also lässt Meiko sich vom Vater eine Orgel
sponsern, nachdem er ihm ganz klar beweisen
kann, dass er sich autodidaktisch
auch mit Elfenbein und Ebenholz hervorragend
versteht. Sein Vorbild auf der Hammondorgel
wird Karl-Heinz Husmann, den
er ständig im „Blinkturm“ bewundert und
ihm auf die Finger schaut.
Im November 2004 stirbt Jonny Grünholz.
Da hat der Sohn den heimischen
Herd schon längst verlassen. Meiko trifft
auf tolle Musiker, pflegt diese Kontakte,
greift viel von ihnen auf, lässt sich auch
gern beeinflussen, kopiert sie aber nie.
1977 lernt er die Sängerin Sue der US-Army
Band „Country Caravan“ kennen, deren
Vater in der Seestadt stationiert ist.
Da der Bassist hin und wieder in seiner eigenen
Band, den „Country Cavaliers“ aushilft,
kommen beide sich schnell näher.
Ein Jahr später wird geheiratet, Sohn Jonas
erblickt das Licht dieses Planeten,
und es geht für drei Monate nach Colorado
(USA). Als Jason geboren wird, zieht die
Familie für mehrere Jahre nach Maryland
(USA), wo der Bremerhavener in Bands aller
Genres erfolgreich mitspielt. Irgendwann,
Mitte der 80er Jahre, kehren sie zurück
nach Bremerhaven und gründen „Sue
& the Goodtimers“.
Aktuell ist Meiko in der Kinderbetreuung
tätig, ein Job, der ihm Spaß macht und seine
Miete zahlt. Nebenberuflich glänzt er
immer noch als Konzertmeister bei den
„Cashmen“ und Duell-Partner von George
Meier bei „Seldom Sober“, wobei „Duell“
eher nicht zutrifft. Die beiden Gitarreros
duellieren sich nicht, sie ergänzen
und bespielen sich ganz ausgezeichnet.
Durch die Pandemie fehlen beiden natürlich
die Konzerte, die alle abgesagt wurden.
Alle? Bei Lockerung des Lockdowns
ist es durchaus möglich, dass die traditionelle
„American Christmas“ Party im Kuddels
am Sonntag, 06. Dezember, selbstverständlich
unter Einhaltung der Regeln
stattfindet. (gbm)
Jonny Grünholz
Meiko Grünholz