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Wird ein Kind aber schon früh nur einseitig gefördert, bedeutet das, dass
es mit einer Erwartungshaltung konfrontiert wird, die einen enormen Leistungsdruck
aufbaut. Das Kind hat daraus folgend nur diese eine Chance,
sich zu beweisen, denn die gezielte, intensive Förderung ist sehr zeitintensiv
und nimmt dem Kind die Zeit und den Raum, andere Dinge auszuprobieren
und weitere Kompetenzen auf ganz anderen Gebieten zu erwerben.
Dramatisch wird es dann, wenn sich herausstellt, dass das jahrelang intensiv
auf Leistung und Konkurrenzdenken trainierte Kind lediglich eine gewisse
Stärke in dem speziellen Bereich besitzt, aber im Vergleich zu talentierteren,
begabteren Kindern gar keine Chance hat, in diesem Bereich wirklich
erfolgreich zu werden. Das herausragende Merkmal, mit dem sich dieses
Kind, die ehrgeizigen Eltern und Förderer bis dato identifizierten, ist plötzlich
hinfällig, die Qual des Verzichts auf andere Beschäftigungen und Zeitvertreibe
sinnlos geworden und die Identitätskrise – nicht nur, aber besonders
des Kindes – ist vorprogrammiert. Möglicherweise hätte dasselbe Kind
noch andere, leider unentdeckt gebliebene Talente und Begabungen in einem
ganz anderen Bereich haben können, die aber nicht zum Tragen kommen
konnten, weil für ihre Entdeckung und Förderung kein Freiraum, keine
Zeit, kein Antrieb oder keine Aufmerksamkeit vorhanden war.
Qualitäten der Erfolgreichen
Neben der reinen Begabung sind für den Erfolg einer einseitigen Tätigkeit
ganz andere Qualitäten von noch größerer Bedeutung. Dazu zählen beispielsweise
Fleiß, Gehorsam, Konsequenz, Begeisterungsfähigkeit und Risikofreude.
Diese Eigenschaften werden meist als besonders positiv und
erstrebenswert eingestuft, doch lohnt es sich, dies einmal kritisch zu hinterfragen.
Esther Vilar geht in ihrem Buch »Der betörende Glanz der Dummheit
« unter der Kapitelüberschrift »Eine Goldmedaille für den Beschränkten«
sogar soweit, zu behaupten, dass diejenigen, die über die oben genannten
Eigenschaften in besonders ausgeprägter Form verfügten, nicht bewundernswert,
sondern dumm seien: Die vielgelobte Eigenschaft »Fleiß« bedeute,
dass man zugunsten eines Interesses auf alle anderen verzichte und
diejenigen am besten verzichten könnten, die nichts anderes interessant
fänden. »Gehorsam« werde auch »Befähigung zur Teamarbeit« genannt
und bedeute, dass einer seine eigenen Ideen in den Hintergrund stellen
könne und dass dies für denjenigen umso einfacher sei, der erst gar keine
Ideen habe. »Konsequenz«, die nötig sei, auf einem bestimmten Gebiet
der Erste zu werden, bedeute, dass man immer wieder über Jahre bis zur Erschöpfung
dasselbe tun müsse und dass dies demjenigen leichter fiele, der
sich nicht vorstellen könne, wie aufregend es sei, etwas Neues auszuprobieren.
»Begeisterungsfähigkeit« ist nach Vilar selbstverständlich eine wunderbare
Eigenschaft. Doch wer in der Lage sei, sich nach Jahrzehnten immer
noch für dieselbe Tätigkeit, das gleiche Produkt oder den identischen Bewegungsablauf
zu begeistern, der sei vielmehr geistig anspruchslos. »Mut«
und »Risikofreude« seien Tugenden, die einem am leichtesten fielen, wenn
man nicht in der Lage sei, die Gefahr einer Unternehmung zu begreifen.1
Auch wenn diese Sicht der Dinge etwas provokativ formuliert ist, so steckt
doch einiges an Wahrheit darin. Und vor diesem Hintergrund sollte der
Wunsch von Eltern nach herausragenden Leistungen und Erfolgen für ihre
Kinder ernsthaft und kritisch hinterfragt werden, wenn man bedenkt, von
welchen Eigenschaften das Erreichen dieser Erfolge abhängig ist und wie
fragwürdig das Ziel ist.
Es gibt so viel zu entdecken
Begabungsförderung muss also unbedingt vielseitig und mehrperspektivisch
sein und in möglichst unterschiedlichen Lebenswelten wirken. Musische,
sportliche, kreative und handwerkliche Fähigkeiten, mathematische,
naturwissenschaftliche und sprachliche Kompetenzen sollten ebenso
wie soziale und emotionale Fähigkeiten, besonders in den frühen Entwicklungsjahren,
gleichermaßen gefördert werden, indem dem Kind spielerisch,
ohne Leistungsdruck und in immer anderer Art und Weise Impulse
gegeben werden. Durch diese vielfältigen, unterschiedlichen Impulse hat
das Kind die Möglichkeit, sich in diversen Situationen als »erfolgreich« zu
empfinden. Es lernt, dass es verschiedene Dinge gut kann und entwickelt
ein souveränes Selbstverständnis im Umgang mit den eigenen, vielfältigen
Fähigkeiten, die dazu anspornen, sich aus eigenem Antrieb heraus mit den
unterschiedlichsten Dingen beschäftigen zu wollen.
Wenn ein anderes Kind auf einem Gebiet „besser“ sein sollte, als das Kind,
das über eine Vielzahl von Fähigkeiten und Interessengebieten verfügt, gerät
Letzteres nicht in die unangenehme Situation, dass ihm das einzige Gebiet
streitig gemacht wird, das eigentlich immer »sein Bestes« war. Es kann
vielmehr entspannt und neugierig seinem Wissensdurst folgen und immer
neue Facetten dieser Welt für sich entdecken, weil es die Gewissheit hat,
dass es noch viele andere Gebiete gibt, auf denen es sich selbst und seine
Fähigkeiten entfalten kann und dass es ganz viele unterschiedliche Möglichkeiten
gibt, sich zu verwirklichen – nicht nur eine einzige. M. Büsing
Quelle
1 Esther Vilar, Der betörende Glanz der Dummheit, Ausgabe
Mai 1990 (dtv 11260), Seite 42 Zeile 8 bis Seite 43 Zeile 14)