jetzt Zeit, die Beute zu verteilen und eine
neue Orgie der Kapitalverwertung zu
starten. Deshalb mehren sich die Stimmen,
der Staat möge nicht mehr alle coronageschädigten
Unternehmen unterstützen,
sondern nur noch diejenigen, die
„überlebensfähig“ sind, also voraussichtlich
zu den Kriegsgewinnlern zählen werden;
und die per Corona-Sondergesetz
ausgesetzten Insolvenzanträge sollten
nun nicht mehr hinausgezögert werden.
Die Pleitewelle ist gewollt, im kapitalistischen
Neusprech heißt das „Strukturbereinigung“.
Und es mehren sich in den
großen, systemtragenden Medien die
Stimmen, die zum Thema „Corona“ Fakten
und Zahlen zu bedenken geben, die
man noch vor wenigen Wochen nicht zur
Kenntnis nehmen durfte, wenn man nicht
als Covidiot und rechtsradikaler Aluhut-
Verschwörungstheoretiker denunziert
werden wollte.
Die Lage ist widersprüchlich: Nicht nur
für die Beherrschung Europas und der
Welt, sondern auch für den kurzfristigen
Profit der Pharmaindustrie, der IT- und Internetwirtschaft
– und, als Nebeneffekt,
auch der Fahrradhändler und Pizzadienste
– ist eine Intensivierung des Krieges
wünschenswert, während der Autoindustrie,
der Mineralölbranche und allem,
was mit ziviler Luftfahrt verbunden ist,
allmählich die Luft ausgeht. Offenbar ist
die Entscheidung, ob und wie der Krieg
weiterzuführen ist, noch umkämpft3; das
führt natürlich zu Dissonanzen und Widersprüchlichkeiten
in den Massenmedien,
die nicht mehr so genau wissen, in
welche Richtung sie ihre Propagandakanonen
richten sollen.
Wie konnten sie nur?
Als im Frühjahr binnen weniger Wochen
in Deutschland aus der Corona-Hysterie
der Corona-Staat wurde, das Infektionsschutzgesetz
zum allgemeinen Notstandsgesetz
umfunktioniert wurde und
bürgerliche Grundrechte in unglaublichem
und offensichtlich unbegründetem
Ausmaß dem Ausnahmezustand geopfert
wurden, stand man entsetzt und ungläubig
vor dieser Entwicklung: Warum machen
sie das? Wie können sie nur? Was
kommt als Nächstes?
Mancher fühlte sich an 1933 erinnert,
als mit Zustimmung der großen Bevölkerungsmehrheit
im Handumdrehen der totale
Staat errichtet wurde. Mir scheint,
die Ereignisse des Jahres 2020 sind eher
mit 1914 zu vergleichen, als scheinbar
plötzlich – und in der Wahrnehmung vieler
Zeitgenossen offenbar: jetzt endlich –
der Weltkrieg „ausbrach“, der schon länger
in der Luft gelegen hatte4. Die Interpretation
des aktuellen Geschehens als
neue Form des (Welt-)Krieges im Atomzeitalter
lässt jedenfalls etliche zunächst
abstrus und unerwartet erscheinende
Entwicklungen verständlicher werden.
„Krieg“ ist eine seit Jahrtausenden in unserer
Kultur verwurzelte Erscheinung.
Die Vorstellung vom „Krieg“ tradiert
sich nicht nur im gesellschaftlichen Bewusstsein,
sondern mindestens ebenso
stark im kollektiven Unterbewussten.
Derlei verschwindet nicht, nur weil es,
in Deutschland beziehungsweise an seinen
Grenzen, seit 75 Jahren keinen Krieg
mehr gab – ein Zustand, an dessen Überwindung
im Übrigen seit 1990 beharrlich
gearbeitet wird, aber das ist eine andere
Geschichte.
„Krieg“ bedeutet eine
alternative Realität: Es
gelten andere Gesetze,
soziale Regeln und
Moralvorstellungen,
das gesamte
Koordinatensystem, in
das sich menschliches
Handeln einfügt, ist im
„Krieg“ ein anderes.
Selbstverständliche und grundlegende
Regeln gesellschaftlichen Zusammenlebens
sind außer Kraft, aus „Du sollst
nicht töten“ wird „Töte!“. Diese Umdeutung
aller moralischen oder ethischen
Vorstellungen ist kein Problem – jetzt ist
ja alles anders, es ist ja Krieg. Wenn der
Krieg beendet ist, gelten ja wieder die
Regeln des zivilen gesellschaftlichen Zusammenlebens;
diese sind also quasi gar
nicht berührt, aber während des Ausnahmezustandes
„Krieg“ können sie natürlich
nicht gelten.
Im Krieg müssen alle Angehörigen der
kriegführenden Nation zusammenhalten,
das Mitwirken, die Unterordnung
und die Opferbereitschaft aller sind unbedingt
erforderlich – hinsichtlich der
Opferbereitschaft gilt natürlich eine Ausnahme
für die Angehörigen der jeweils
herrschenden Klasse, die es doch vorziehen,
zu Kriegsgewinnlern zu werden.
Zweifel am Krieg sind nicht erlaubt, wer
auch nur leise Bedenken äußert, ist ein
Vaterlandsverräter und gehört geächtet.
Alles muss sich dem Krieg unterordnen.
Es gilt Kriegsrecht.
Die Stunde der Exekutive
Der Krieg ist die Stunde der Exekutive.
Das Parlament hat den Krieg zu billigen
sowie gesetzliche und finanzielle Bedingungen
zu bewilligen, danach hat es
seine Schuldigkeit getan und spielt bis
Kriegsende keine Rolle mehr. Für den Coronakrieg
war mit dem Infektionsschutzgesetz
bereits ein passendes Ermächtigungsgesetz
vorhanden. Dieses wurde
mit der Einfügung der „epidemischen Lage
von nationaler Tragweite“5 um die nötig
scheinenden diktatorischen Vollmachten
für den Bundesgesundheitsminister
ergänzt, und Nachtragshaushalte waren
zu bewilligen. Danach entscheidet die Exekutive
allein, von der Generalität in Bundes
und Landesregierungen bis hinunter
zum kleinsten Unteroffizier im dörflichen
Ordnungsamt.
Krieg ist für die Militärs beziehungsweise
im Coronakrieg für die kriegführenden
Verwaltungen ein erhabenes Erlebnis.
Wer im Frieden einen zeitraubenden
und stressigen Job hatte, ohne Platz für
ein nennenswertes Privatleben, ständig
belauert und bekämpft von der Opposition
und eigenen „Parteifreunden“, die
nur auf einen Fehler warten, um Regierungsmitglieder
zu Fall zu bringen und
ihren Posten zu erobern, und meist ohne
nennenswerte Wirkungen oder Erfolge
(es gibt zahlreiche ehemalige Minister
auf Bundes- und Landesebene, die nach
mehrjähriger Amtszeit so gut wie keine
Spuren hinterlassen haben), der hat im
(Corona-)Krieg plötzlich weitreichende
Handlungsmöglichkeiten und kann hemmungslos
in das Leben der Menschen hineinregieren,
bis in die intimsten Details.
„Intim“ ist hier wörtlich zu verstehen.
Beispielsweise dürfen in Schleswig-Holstein
der Ministerpräsident und der Gesundheitsminister
vorschreiben, dass
beim Geschlechtsverkehr beide Partner –
mehr als zwei sind sowieso verboten – eine
Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen haben
und ihre Anschrift für‘s Gesundheitsamt
hinterlassen müssen6.
Es soll ja Leute geben, die behaupten,
der Genuss des Orgasmus sei zu steigern,
wenn er mit einer beinahe tödlichen
Strangulation einhergeht – ob die
Herren dies vor Augen hatten und die
Luftnot beim Sexualakt fördern wollten
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