tung, sofern der Spannungsbogen aufrecht erhalten werden
kann. Was erleben wir momentan? Zunächst ein Blick
auf die Tendenz in der Prägung der Wortwahl.
Warnung, Gefahr, Risiken, Killer-Virus, Tote,
Krieg, Infizierte, überschrittene Grenzwerte,
schwere Verläufe, Langzeit-Schäden –
diese Worte werden in Hochfrequenz an uns gerichtet von
morgens bis abends. Zu jeder Stunde in jedem Medium
wird Gefahr suggeriert, es gibt fast nur Steigerungen, neue
Hiobsbotschaften, fast nie Entwarnungen. Die Botschaften
werden maximal emotional aufgeladen, Zwischentöne,
Abstufungen, Relativierungen bekommen wenig Raum.
Dies wird noch in der suggestiven Wirksamkeit gesteigert
durch die passend gestalteten Bilder. Bilder aktivieren archaische
Hirnstrukturen, die dem Angstzentrum noch näher
sind als das Spachverständnis. Die Bilder der Särge
und Versorgungszelte triggern extrem unsere Furcht und
auf sie wird in Diskussionen regelmäßig Bezug genommen,
wenn ein kritisches Sachargument gebracht wird (andere
Studien, andere Zahlen etc.), meist genügt dann schon ein
Hinweis wie „Aber die Bilder aus xy...“, um von der rationalen
Sachebene wieder in den Angst-Modus zurück zu führen.
Dies ist der Mechanismus, der konzeptuell auch Gräuelpropaganda
zugrunde liegt: Extreme Ereignisse werden
hervorgehoben (Cherry picking), aus dem Zusammenhang
gerissen (Dekontextualisierung), einseitig dargestellt (Verzerrung).
Aus der Kriegspropaganda ist das hinlänglich bekannt,
auch der Aufbau eines Feindbildes fördert den inneren
Zusammenhalt, womit unser Gehorsam, unsere Konformität
gesteigert wird.
Zu Angst induzierenden Worten und Bildern kommen praktische
Maßnahmen hinzu: Schließungen des Lockdowns,
Polizeieinsätze, Bußgelder, Hausdurchsuchungen, Sirenen
des bundesweiten Warntags, die Masken als ständige Erinnerung
an die allgegenwärtige Lebensgefahr und so weiter.
Gleichzeitig wird das Verhalten behindert, das dem Menschen
seit Anbeginn seine Angst nimmt oder verringert –
die Nähe zu seinen Mitmenschen. Das Social Distancing
ist psychologisch gesehen völlig gegen unsere menschliche
Natur und hochgradig destruktiv. Dass der Mitmensch
inzwischen als Bedrohung per se wahrgenommen und gemieden
wird, wird ein gesellschaftliches Trauma hinterlassen
und verfestigt die Angstspirale massiv.
Aus Angst entsteht oft Aggression, da jemand, der sich bedroht
fühlt, den Angriff als Verteidigung deutet. Solche Angriffe
können körperlich sein; aber auch verbale Aggressionen
(„Covidiot“) erzeugen wieder neue Ängste, es entsteht
ein sich wechselseitig verstärkender Prozess. Der zunehmend
aggressive Ton in allen Bereichen fördert das bestehende
Klima der Furcht und Spaltung, unser Denken,
Urteilen und Wahrnehmen wird immer beschränkter. Was
machen Sie derzeit zu Ihrer Entängstigung jenseits der Hygiene
Empfehlungen?
„Nichts ist schwerer
und erfordert mehr
Charakter, als sich im
offenen Gegensatz zu
seiner Zeit zu Befinden
und laut zu sagen: Nein!“
(Kurt Tucholsky)
Foto: fran_kie/shuttersock.com
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