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Wir trafen uns dann zum Interview, er
wiederholte viele Fragen, die ich beantwortete.
Er hatte verstanden, dass ein
positiver PCR-Test nicht belegen kann,
ob ein Mensch ansteckend ist oder
nicht. Das hatte mir Hoffnung gemacht.
Denn wir waren uns schon einig geworden,
dass die „Seuche“ nicht annähernd
so schlimm war, wie anfangs behauptet.
Die Zahlen reichten ja nicht einmal
für eine „erste Welle“ aus. Wenn man
nun weiß, dass ein positiver PCR-Test
nicht beweist, dass ein positiv getesteter
Mensch infiziert ist, krank wird oder
ansteckend sein kann, dann können positive
Testergebnisse nicht die Grundlage
der Maßnahmen sein.
Und hier zeigte sich die kognitive Dissonanz
meines Gegenübers. Er teilte mir
tatsächlich mit, dass er das verstanden
habe und auch nachrecherchiert hatte.
Und sagte dennoch sinngemäß: „Aber
ich finde die Maßnahmen trotzdem angemessen.“
Also jene Maßnahmen, die auf
einer falschen Grundlage basierten. Kognitive
Dissonanz beschreibt den Zustand,
in welchem in einem Menschen zwei einander
widersprechende Kognitionen (Erkenntnisse
über die Realität) gleichzeitig
existieren. Das Erleben dieser Dissonanz
führt zum Bestreben der Person,
diesen Spannungszustand aufzuheben,
indem eine Umgebung aufgesucht wird,
in der sich die Dissonanz verringert oder
selektiv Informationen gesucht werden,
die die Dissonanz aufheben. Diese Umgebung
kann auch ein sozialer Echoraum
sein, in welchem beispielsweise
die Mehrheit oder das persönliche Umfeld
die Interpretation in einer bestimmten
Richtung erwartet und die Entscheidung
für eine Kognition nicht aufgrund
der Fakten, sondern anderer Umstände
getroffen wird. Diese Auflösung schafft
Erleichterung durch kognitive Konsonanz
– allerdings keinen Realitätsbezug.
Der Radio-Bremen-Redakteur bezeichnet
sich selbst als linksliberalen Verfassungspatrioten.
Er betreibe Haltungsjournalismus
und finde das auch richtig
so. An dieser Stelle wird der Bruch mit
dem Berufsethos echter Journalisten offensichtlich
und ich erinnere mich an einen
Gastbeitrag von Claus Richter für Cicero4:
„Der neue Journalismus führt Haltung
ins Feld, wenn Gesinnung gemeint
ist. Haltung unterliegt ständiger Prüfung,
auch der Selbstkritik, Gesinnung nicht.
Das ist gefährlich für die Glaubwürdigkeit
des Journalismus und widerspricht
altgedienten Regeln.“ Der Radio-Reporter
spricht von Haltung, zeigt aber Gesinnung.
In seinen Fragen, in seinen Behauptungen
und mehr noch in seinen auf
Gesinnung und Vorurteilen basierenden
Kommentaren und Erklärungen im Rahmen
des erstellten Radiobeitrages.
Das Stück5, das er für Radio Bremen Zwei
mit zwei weiteren Kollegen herstellt, dauert
84 Minuten. Es ist ein sonderbares
Format, wo „Tick, Trick und Track“ statt
mit dem Verfasser eines Artikels in den
Diskurs zu gehen, über diesen plaudern.
Sie erfinden den „LAUFPASS-Menschen“,
der an den „Untermenschen“ – einen
entmenschlichenden Kampfbegriff der
Nationalsozialisten – erinnert. Jeder der
Drei trägt seine mehr oder weniger kindlichen
Anekdötchen und Meinungsfragmente
zum Besten und es geht munter
um die persönliche Bewertung von Aussagen.
Es werden Splitter zitiert, Quellen
nicht genannt, nicht diskutiert, nicht geprüft.
Es ist eine neo-mediale Hörfunk-
Schmonzette, schnell eingesprochen von
drei Gutmenschen – und Letzteres meine
ich nicht spöttisch, sondern hochkritisch.
Denn wo Moral auf Ideologie trifft, entsteht
selten Gutes. Und die Drei haben
eine tiefe Auffassung von Moral und von
Gut und von Böse und von richtig und
von falsch. Allerdings ersetzt eine Überzeugung
kein Wissen, ersetzt die Gesinnung
keine Recherche.
Die Drei analysieren keine Fakten, sondern
kommentieren Aussagen eines anderen
Journalisten oder auch echter Experten
wie Dr. Wolfgang Wodarg, Prof.
Sucharit Bakhdi und anderen mehr vor
dem Hintergrund ihrer eigenen Ängste
und Vorurteile. Sie nennen als Quellen
die furchtbaren Bilder und Berichte
im Fernsehen, in Zeitungen, ihre eigene
Unsicherheit wegen der nicht erforschten
Krankheit, wegen Langzeitschäden
und nehmen zwar zur Kenntnis, dass
die Kernfakten der korrigierenden Wissenschaftler
alle stimmen, dass es keine
Übersterblichkeit gibt, dass es keine
oder kaum Grippefälle gab, dass wir
im normalen Spektrum der Vorjahre liegen,
aber halten daran fest, dass das ein
furchtbar gefährliches Virus sein kann,
möglicherweise eventuell, weil man ja
kein Buch habe, in dem drin stünde, was
das so mit sich bringt. Angst und Vorurteil
zementieren eine vollständig irrationale
Sicht auf die Wirklichkeit und begründen
die Notwendigkeit der zerstörerischen
Regierungsmaßnahmen.
Ein Kernsatz des Stücks: „Niemand
wusste, was richtig ist, und doch mussten
Politiker Entscheidungen treffen.“ Wir
schreiben Ende Oktober 2020. Bereits
im Februar gab es weltweit ausreichende
Stimmen und Erkenntnisse, die „den
Politikern“ zur Verfügung standen. Es
gab belastbare Studien und Erfahrungswerte
– aber „die Politiker“ orientierten
sich nur an Christian Drosten und einer
kleinen Schar auserwählter Berater. „Das
ganze Land stand da und man musste
Schienen vor dem fahrenden Zug verlegen“
– welch dramatisches Bild. Man hätte
den Zug anhalten können, einmal ruhig
nachdenken sollen.
Aber munter und beredt erklären die Redakteure
ihren Hörern, warum die Exekutive
das so und so machen musste.
Sie wiederholen also genau das, was
der Kernvorwurf unserer Analyse gegenüber
den Massenmedien ist: Sie mutieren
zu Erklärbären, die in faktenfreien
Inszenierungen dem Publikum die richtige
Interpretation der Welt vortragen.
Sie konstruieren damit eine sekundäre
Wirklichkeit, die allein auf der medialen
Verbreitung – nicht aber auch dem fachlichen
Diskurs, der Recherche oder Analyse
fußt. Und damit eine andere Sichtweise
keine Geltung erfährt, diskreditieren
die Kollegen mal ganz nonchalant eine
konstruierte „Gegenseite“. Das Kompetenzgefälle,
das zwischen ihnen und den
von ihnen diskreditierten Wissenschaftlern
liegt, nehmen sie nicht einmal wahr.
Das passiert, wenn Gesinnung regiert
und nicht die Aufklärung. Dann wird Wissen
überflüssig, weil gilt, was zu sein hat.
Schöne neue Welt.
Dies tun sie mit ausgesprochener Hartnäckigkeit
und Skrupellosigkeit – ohne
jeden Zweifel daran, dass sie hier das
„Richtige“ tun und die Wahrheit kennen.
Erschreckend sind hier zwei Aspekte: Wir
befinden uns in der dramatischsten Situation
seit 1945. Millionen Menschen verlieren
ihre Existenz, unzählige sterben
an den Folgen der Maßnahmen – mehr
als durch das Virus selbst. Und dann hören
wir uns das ebenso grauenhaft naive
wie nicht fundierte Geplauder der Selbstermächtigten
im gebührenfinanzierten
Rundfunk an und erschauern vor der Ignoranz
gegenüber der Wirklichkeit, dem
Leid, dem Verfassungsbruch.