Die Rüstungsindustrie wird Wege finden,
auch an der virtuellen Kriegsführung
zu verdienen und Systeme zu entwickeln,
die das Instrumentarium des noch
etwas provisorisch aus dem Ärmel geschüttelten
Coronakrieges für zukünftige
Gelegenheiten optimieren. Und schließlich
steht im virtuellen Weltkrieg nach
dem Coronamuster auch dasjenige Kapital
nicht im Regen, das noch im klassisch
schwerindustriellen Teil der Rüstungswirtschaft
gebunden ist: Für den
Regime Change in Ländern der Peripherie
mit unbotmäßiger Staatsführung werden
Panzer und Fregatten auch in 20 Jahren
noch gebraucht.
Der nächste Krieg fällt aus
Geradezu einfach ist die Antwort auf die
Frage, sollte der Corona-Krieg beendet
sein, wann denn das nächste Ereignis
dieser Art zu erwarten ist? „Pandemien“
nach WHO-Art treten durchschnittlich alle
drei bis fünf Jahre auf und werden das
aller Wahrscheinlichkeit nach auch weiterhin
tun. Der nächste Coronakrieg wird
aber erst einmal ausfallen. Denn ein großer
Krieg mit der Vernichtung relevanter
Teile des Kapitals – vorzugsweise im Ausland
– wird im Kapitalismus zwar regelmäßig
notwendig, aber die Zeitabstände
sind erheblich größer.
Bei der nächsten „Pandemie“ wird der
von der Europäischen Union so bezeichnete
„Wiederaufbau“, mithin die neue
Phase der Kapitalakkumulation und -expansion
auf Kosten der von den arbeitenden
Menschen zu zahlenden Steuern und
sinkender Sozialleistungen, noch lange
nicht beendet sein. Man darf also mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
davon ausgehen, dass uns bei der
nächsten Pandemie der Drosten erklären
wird, warum es diesmal nicht so gefährlich
ist und jeder Vergleich mit Covid
19 unzulässig ist, obwohl das nächste
Virus vielleicht deutlich mehr Menschen
tatsächlich sterben lassen wird als SARSCoV
2. Was die PCR-Tests angeht, wird
Drosten sich wieder erinnern, was er
schon vor sechs Jahren wusste:
„Diese Methode ist so empfindlich, dass
sie ein einzelnes Erbmolekül dieses Virus
nachweisen kann. Wenn ein solcher
Erreger zum Beispiel bei einer Krankenschwester
mal eben einen Tag lang über
die Nasenschleimhaut huscht, ohne dass
sie erkrankt oder sonst irgendetwas davon
bemerkt, dann ist sie plötzlich ein
Mers-Fall. Wo zuvor Todkranke gemeldet
wurden, sind nun plötzlich milde Fälle
und Menschen, die eigentlich kerngesund
sind, in der Meldestatistik enthalten“.10
Und wo bleibt nun der zivilisatorische
Fortschritt? Der Coronakrieg ist, so die
hier zur Diskussion gestellte These, eine
neue Form des Weltkrieges, die alle
für den Kapitalismus überlebensnotwendigen
Funktionen eines großen Krieges
erfüllen kann, ohne dabei die bisher
als „militärisch“ betrachteten Waffen einzusetzen
und ohne die direkte (!) Tötung
von Menschen bewusst zu planen und
umzusetzen.
Diese neue Art der Kriegsführung konvergiert
mit den in den Militärapparaten
der führenden Länder schon seit Jahren
diskutierten und zunehmend praktizierten
Formen des Cyber War und der „hybriden
Kriegsführung“, ist also gar nicht
in allen Aspekten wirklich neu. Der Fortschritt
besteht nun darin, dass es auch
ohne Abschaffung des Kapitalismus –
die, Gott sei‘s geklagt, ja nicht anzustehen
scheint – jedenfalls möglich wird,
den finalen großen Knall des atomaren
Weltkrieges zu umgehen.
Der Atomkrieg ist nicht etwa auszuschließen,
aber immerhin auch bei Beibehaltung
des Kapitalismus nicht mehr unvermeidlich
nötig. Dasselbe gilt für das millionenfache
Abschlachten von Menschen
in den Metropolen. Konventionelle Kriege
und der Einsatz von Massenvernichtungswaffen
sind damit nicht von diesem
Planeten verschwunden, sondern werden
im Kampf der Metropolen gegen die Peripherie
und in den Stellvertreterkriegen
zwischen Ländern der Peripherie weiter
stattfinden. Auch dieser zivilisatorische
Fortschritt ist, wie in so vielen anderen
Fällen, also keinesfalls ein Grund zur reinen
Freude. Aber immerhin: Unter den
gegebenen Umständen ist es ein Fortschritt.
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Quellen und Anmerkungen:
(1) Norddeutsche Rundschau, 29. September 2020, Seite 10.
(2) „Bereits in der Übungsvorbereitung wurde deutlich, dass detaillierte, wissenschaftliche fundierte Erkenntnisse bezüglich des Nutzens
von Barrieremaßnahmen mittels Mund-Nasen-Schutz (MNS) beziehungsweise Masken für die Allgemeinbevölkerung fehlen. Die
Durchführung entsprechender epidemiologischer Studien ist für die Weiterentwicklung entsprechender Empfehlungen unverzichtbar.“,
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Projektgruppe LÜKEX: Auswertungsbericht der dritten länderübergreifenden
Krisenmanagementübung „LÜKEX 2007“ der Projektgruppe LÜKEX, Stand 15. April 2008, Seite 46.
(3) Kanzleramtsminister Helge Braun erwartete dementsprechend vom Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten –
nach Monaten erstmalig persönlich und nicht als Videokonferenz – am 14. Oktober 2020. eine „historische Debatte“, vergleiche zum
Beispiel Norddeutsche Rundschau, 15. Oktober 2020, Seite 15; die erwartete oder erhoffte Entscheidung im Kampf der zwei Linien
blieb bei diesem Treffen freilich aus.
(4) Friedrich Engels schon 1887: „Acht bis zehn Millionen Soldaten werden sich untereinander abwürgen und dabei ganz Europa so
kahl fressen, wie noch nie ein Heuschreckenschwarm. Die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges zusammengedrängt in drei bis
vier Jahre und über den ganzen Kontinent verbreitet; Hungersnot, Seuchen, allgemeine, durch akute Not hervorgerufene Verwilderung
der Heere wie der Volksmassen; rettungslose Verwirrung unsres künstlichen Getriebes in Handel, Industrie und Kredit, endend im allgemeinen
Bankerott; Zusammenbruch der alten Staaten und ihrer traditionellen Staatsweisheit, derart, dass alle Kronen zu Dutzenden
über das Straßenpflaster rollen und niemand sie findet, der sie aufhebt …“, Marx/Engels, Werke MEW 21, Seite 350 folgende.
(5) Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) Paragraf 5.
(6) Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona-Bekämpfungsverordnung – CoronaBekämpfVO) vom 1.
Oktober 2020, Paragraf 9 Absatz 2, Schleswig-Holstein.
(7) Daniel Günther im Interview, unter anderem Norddeutsche Rundschau, 28. August 2020, Seite 3: „Einschneidend war für mich der
12. März, als wir uns im Verlauf einer lange geplanten Sitzung der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin auf Schul- und Kita-Schließungen
verständigt haben. Das war für mich nicht absehbar. Aber ab da wusste ich, dass wir uns im Krisenmodus befinden und Regieren
ganz anders wird, als ich es in den zweieinhalb Jahren zuvor erlebt habe.“
(8) Dr. Ingrid Nestle (Grüne), Cornelia Möhring (Linke), Michael von Abercron (CDU) und Ernst Dieter Rossmann (SPD): Gemeinsamer
Appell der Bundestagsabgeordneten des Kreises Pinneberg, 20. März 2020, https://www.ingrid-nestle.de/presse/gemeinsamer-appell
der-bundestagsabgeordneten-des-kreises-pinneberg/, zuletzt abgerufen 25. Oktober 2020.
(9) Übrigens ist auch die bei manchen Typen von Viren prinzipiell mögliche (fast) vollständige Ausrottung mitunter ein Pyrrhussieg –
so vermeldete die Africa Regional Certification Commission (ARCC) Ende August 2020 jüngst stolz den Erfolg der Pockenimpfkampagne,
mit der nun auch in Afrika das Poliovirus ausgerottet sei. Nur: Die erfolgreiche Ausrottung bezieht sich auf das „wilde“ Polio –
geimpft werden muss weiter, denn jetzt gibt es „die anhaltende Bedrohung durch die aus dem Impfstoff stammende Kinderlähmung“,
so der WHO-Generaldirektor für die Region Afrika, Matshidiso Moeti. In sechzehn Ländern komme es in unterimmunisierten Gemeinden
derzeit zu Ausbrüchen von mutierten Impfviren, den „circulating vaccine derived polio virus (cVDPV)“, nach: Dr. med. Mabuse
Nr. 247, September/Oktober 2020, Seite 8.
(10) Kutter, Susanne (Interview): Virologe Drosten im Gespräch 2014, „Der Körper wird ständig von Viren angegriffen“, Wirtschaftswoche
16. Mai 2014,(zitiert nach https://www.wiwo.de/technologie/forschung/virologe-drosten-im-gespraech-2014-der-koerperwirdstaendig
von-viren-angegriffen/9903228-all.html, zuletzt abgerufen 25. Oktober 2020.