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CORONASCHADENSERSATZ
Milliardenschäden durch Coronamaßnahmen: Pleiten, Vermögensverlust,
Arbeitslosigkeit – Versicherungen könnten zahlungspflichtig werden, der
Staat und seine Amtsträger kommen als Schadensersatzpflichtige in Betracht
von Wolfgang Jeschke
Der Rückversicherer Swiss Re erwartet
im laufenden und im kommenden Jahr
schwere Beeinträchtigungen der Weltkonjunktur
durch die verursachte Krise. Konzernchef
Christian Mumenthaler sagte auf
einer online abgehaltenen Konferenz des
Finanzinformationsanbieters Bloomberg,
so der Nachrichtensender n-tv1: „Wir gehen
davon aus, dass die Leistungseinbuße
in diesen zwei Jahren weltweit zwölf Billionen
Dollar betragen wird.“
Mindestens zwei
Milliarden Menschen verlieren
ihre Existenzgrundlage
Bereits im April waren während des ersten
Lockdowns 436 Millionen Unternehmen
unmittelbar von den schädlichen Maßnahmen
betroffen. Damals prognostizierte die
International Labor Organisation ILO in ihrer
Rolle als Sonderorganisation der Vereinten
Nationen für die Förderung von
Menschen- und Arbeitsrechten den Verlust
von 305 Millionen Vollzeitstellen und
den Arbeitsplatzverlust von 1,6 Milliarden
informell beschäftigten Menschen2. Durch
die nachfolgenden Lockdown-Maßnahmen
der Regierungen werden diese astronomischen
Zahlen weiter steigen – egal, wie (zynisch)
„light“ die Lockdowns auch bezeichnet
werden. Die Creditreform3 prognostiziert
für Deutschland 800.000 Insolvenzen
von kleineren und mittelständischen Unternehmen.
Diese seien deshalb derzeit nicht
sichtbar, weil die gesetzlichen Regelungen
zur Insolvenzanzeige aufgeweicht wurden.
Legt man durchschnittlich 10 Beschäftigte
pro Unternehmen zugrunde, könnten 8 Millionen
Menschen ihren Job vorübergehend
und ein wesentlicher Teil dauerhaft verlieren.
Die Arbeitsagentur4 meldete einen
Höchstwert von fast 6 Millionen Menschen
in Kurzarbeit – vor dem Lockdown 2.0 waren
es noch 2,7 Millionen Menschen. Aus
ihnen rekrutiert sich ein weiterer großer
Anteil der neuen Arbeitslosen. Die Schadensersatzforderung,
mit denen Versicherer,
Amtsträger und der Staat konfrontiert
werden können, gehen weltweit in die Billionen.
Doch gegen wen richtet man seinen
Anspruch?
Zahlt meine Betriebsunterbrechungsversicherung
bei Corona?
Hat ein Betrieb einen Schaden durch eine
staatlich angeordnete Betriebsunterbrechung
erlitten (Lockdown mit Zwangsschließungen
für Hotels, Restaurants,
Fitnessstudios etc.), ergeben sich verschiedene
mögliche Anspruchsgrundlagen.
Eine Option ist eine bestehende Betriebsunterbrechungsversicherung.
Hier lohnt
eine Anspruchsprüfung, auch wenn Versicherer
den Anspruch gerne erst einmal
pauschal abweisen. In wachsender Zahl
regulieren Versicherungen und versuchen,
über Verhandlungen die Regulierung günstig
zu gestalten – also einen Deal mit den
Versicherten zu machen. Ein Rechtsstreit
kann aber sinnvoll sein, wenn die Versicherungsverträge
dies hergeben.
Eine andere Anspruchsgrundlage kann
sich im § 56 des Infektionsschutzgesetz
finden. Diese Regelung dient zwar vordergründig
der Entschädigung von Individuen
und Selbstständigen, die durch Maßnahmen
des Staates im Zuge der Bekämpfung
einer Infektionserkrankung Schäden erlitten.
Da es sich aber bei der Zwangsschließung
eines Betriebes um eine analoge Situation
zu einem Berufsverbot eines Arztes
handelt und das Ziel – der Infektionsschutz
der Gesellschaft – ein „Enteignender Eingriff
mit Sonderopfer“5 ist, kann § 56 IfSG
nach Ansicht zahlreicher Juristen Anwendung
finden. Der § 56 IfSG ist aber in jedem
Fall eine Norm, welche Selbstständigen
eine Entschädigung ermöglichen kann,
wenn der Betrieb oder die Praxis während
der Dauer einer Maßnahme zur Eindämmung
der Corona-Pandemie ruht. Alternativ
könnte auch der § 65 des IfSG als
Anspruchsgrundlage infrage kommen. Ein
Entschädigungsanspruch kann aber vermutlich
nur darauf gestützt werden, wenn
die zuständige Behörde sich ihrerseits auf
§ 16 oder § 17 IfSG als Ermächtigungsgrundlage
beruft oder wenn § 65 IfSG erweiternd
auszulegen ist.
Amtshaftung – wenn der Staat für
seine Diener einstehen muss
In der aktuellen Corona-Krise ergeben
sich aber weitere Klagemöglichkeiten.
Hier kommt den Geschädigten die besondere
Situation der Lockdown-Krise entgegen:
Während man Parlamentarier nicht
für Schäden haftbar machen kann, die sich
aus einem rechtswidrigen Gesetz ergeben,
das sie verabschiedet haben, ist dies bei
rechtswidrigem Verhalten von Amtsträgern
anders. In der Lockdown-Krise haben nicht
die Parlamente die Verordnungen erlassen,
mit welchen der Wirtschaft milliardenschwere
Schäden und den Menschen individuelles
Leid, Schmerz und Unfreiheit zu-